21. Februar 2007

Im Baseball gehen die Uhren anders: Die Akte A-Rod

Man kann sagen: Football ist populärer. Und ganz normale NASCAR-Rennen haben mehr Zuschauer. Man kann sagen: die Gehälter sind astronomisch und das Interesse der Spieler daran, einander mit Hilfe von Anabolika, gekorkten Schlägern und eingeschmutzten Bällen zu übervorteilen, ist nahezu kriminell. Aber dann würde man trotzdem nicht verstehen, was Amerikaner an Baseball und vor allem auch an professionellem Baseball finden, und nicht erklären können, weshalb die Beschäftigung mit dem Spiel soviele spirituelle Metaphern produziert. Diese quasi-religiöse Antenne, die da bei etwa 50 Millionen Menschen ausfährt, wenn sie ins Stadion gehen, entspricht interessanterweise einem anderen Phänomen: Kein Land in der westlichen Welt hat - relativ gesehen - so viele Kirchgänger. Sie sind aufgesplittert in hunderte von Konfessionen, aber hängen einmal die Woche irgendwie alle an demselben Aufladegerät.

Sicher, der kleinstädtische Baseballfan ist anders. Für den sind die Spiele aus der Show nicht mehr als ein fernes faszinierendes Echo, das er früher abends über Mittelwelle im Transistorradio aufgeschnappt hätte und das heute in den Übertragungen auf den hinteren Kabelkanälen schleppender wirkt denn je. Aber es gibt ja auch die großen Städte mit ihren Retro-Stadien, in denen ein heimeliges, launiges Gefühl entsteht, wo das Schleppende einfach unwiderstehlich wirkt. Wo gibt es das noch? Ein Spiel, bei dem die Zeit so langsam vergeht, dass man denkt: Sie steht still.

Es gibt andere Anzeichen dafür, wie gemächlich die Zeit vergeht: Man denke nur an die seit drei Jahren anhaltenden Antipathien zwischen zwei der prominentesten Baseball-Profis Amerikas: Derek Jeter und Alex Rodriguez. Würde Rodriguez, genannt A-Rod, für die Boston Red Sox spielen oder die Baltimore Orioles, dann wäre das Verhältnis der beiden zueinander weit weniger quälend. Die beiden würden einander die Bälle um die Ohren ballern. Und die Fans würden sich an der Rivalität ergötzen. Dummerweise hat der wohlhabende Club-Besitzer George Steinbrenner die beiden dazu verdammt, für dieselbe Mannschaft zu spielen. Und so gehen sie jeden Sommer, Abend für Abend, für die New York Yankees auf den Platz.

Das Problem, das die beiden miteinander haben, lässt sich an zwei höchst widersprüchlichen Details nachzeichnen. Auf der einen Seite ist Rodriguez nicht nur der am besten bezahlte Baseball-Profi, der im Jahr 2000 (damals bei den Texas Rangers) einen Zehn-Jahres-Vertrag über 252 Milionen Dollar erhalten hatte, er ist auch der Spieler mit dem besten Sammelsurium an Leistungsdaten: Keiner hat in den letzten zehn Jahren mehr Home Runs, Runs Batted In, Total Bases und Extra-Base-Hits verbucht. Wenn er so weiter macht, könnte er gleich in drei Prestige-Kategorien folgende Legenden überholen: Hank Aaron (Home Runs), Ricky Henderson (Runs Scored) und Pete Rose (Hits).

Auf der anderen Seite steht diese dicke fette statistische Größe: Null. A-Rod hat noch nie die World Series gewonnen, nicht mit den Seattle Mariners, nicht mit den Texas Rangers und auch nicht mit den New York Yankees, was wirklich eine Kunst ist, denn diese Mannschaft ist so pickepackevoll mit Qualität besetzt wie der FC Chelsea. Nicht nur das: Vor der Zeit mit Rodriguez gewannen die Yankees jahrelang fast immer.

Womit wir zu dem Phänomen kommen, das Sportlern in anderen Sportarten nur sehr selten gelingt: Man kann im Baseball auf eigene Rechnung extrem gut aussehen, ohne dass die eigene Mannschaft davon profitiert. Bei den Yankees allerdings fällt so etwas - unangenehm - auf. In New York gibt es zu viele Reporter und Zeitungen, die überhaupt keine quasi-religiösen Empfindungen hegen, wenn sie ins Stadion gehen. Sie haben keine Ehrfurcht vor einem Statistik-Weltmeister. Sie wollen Meisterschaften sehen. Und sie können Statistiken lesen, die besagen, dass Rodriguez in Spielsituationen, in denen es darum geht, einen Vorsprung herauszuarbeiten oder einen knappen Rückstand aufzuholen, nicht viel leistet.

Warum aber steht A-Rod in der Schusslinie, wo doch in jeder Mannschaft der American League mindestens zehn Leute mitmischen (wenn man den Designated Hitter einrechnet)? Man muss nur ein bisschen zurückblättern ins Jahr 2000, als Rodriguez in Texas den Monster-Vertrag aushandelte und dabei auch mit den New York Mets buhlte und dort Folgendes verlangte: eine eigene Luxus-Loge im Shea Stadium für die Freunde, ein Privatflugzeug, damit er nicht mit dem Mannschaftsflieger reisen muss, ein großes Zelt während des Trainingslagers in Florida, um dort spezielles Rodriguez-Merchandising zu verkaufen, ein vierköpfiges Marketing-Team, um die außersportlichen Geschäfte abzuwickeln, und eine Garantie, dass er in New York auf mehr Werbetafeln zu sehen sein würde als der Publikumsliebling der Yankees, der bereits erwähnte Derek Jeter.

Jeter hatte als Platzhirsch natürlich kein Interesse daran, sich von einer Primadonna wie A-Rod in den Schatten stellen zu lassen, als Steinbrenner vier Jahre danach Rodriguez holte. Er ist nämlich einer, der sich die Hände dreckig macht (und auch das Trikot) und der es im Testosteron-Department mit jedem aufnimmt, wenn auch nicht immer auf die laute Tour. A-Rod wurde also nicht Shortstop, das war Jeters Platz, sondern Third Baseman. A-Rod wurde auch nicht die Nummer 3 in der Reihenfolge der Spieler am Schlag (Batting Line-Up), was die zentrale Position im Angriff ist. A-Rod wurde Schönspieler, Einzelgänger, Weichei, Dekoration - und der Hauptschuldige für die Pleiten in den Playoffs.

In diesen Tagen würden die Zeitungen in New York die seltsame Ehe am liebsten sprengen. Aber die Spieler reden wie die besten Diplomaten im Auswärtigen Amt. Gemeckert wird nie. Gelobt wird in abgewogenen Sätzen. Man will es wohl miteinander versuchen. Man muss es wohl auch. Denn dass andere Teams ihnen diese Last abnehmen, ist kaum anzunehmen. Nicht, wenn sie schlau sind. Je mehr sich die Yankees miteinander beschäftigen, desto besser sind die Chancen für die anderen.
Blick zurück: Derek Jeter kommt gut an - vor allem bei den Film- und Gesangsstars

3 Kommentare:

Philipp Würfel hat gesagt…

Hi, endlich kommt der Baseball aus dem Winterschlaf. Du hast in deinem Artikel ein kleines, aber feines Detail vergessen. A-Rod wird bekanntlich vom Agenten Scott Boras vertreten und bekam daher den Vertrag , der ihm das meiste eingebracht hat, zu damaligen Marktpreisen versteht sich. Sicherlich hat der Spieler dabei auch ein Wörtchen mitzureden, aber viel ist es nicht. Seine Klienten unterschreiben fast immer beim Meistbietenden. (siehe Beltran, siehe Zito)
Zur Rivalität zwischen Jeter und A-Rod gibt es ein kleines Interview von Rodriguez aus dem Jahre 2001 im Esquire, in dem er seinen damaligen 'Blutsbruder' schlecht macht. Seitdem ist das Verhältnis zwischen beiden merklich abgekühlt. Allerdings ist es sicherlich nicht so schlecht, wie es in den Medien gemacht wird. Es gibt eben nicht nur Freund oder Feind, sondern auch etwas dazwischen.

Anonym hat gesagt…

Ist doch schön, das der "A-Rod Curse" lebt, denn von sowas lebt der Baseball an sich auch ganz gut.

Darum erhebe ich mein Glas zum Toast und zitiere in leicht abgewandelter Form aus dem Film Filofax:
Auf das die Dodgers die Meisterschaft gewinnen - und auf dicke Titten!

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Wir reden von den Brooklyn Dodgers, oder?