7. November 2007

Wenn Rummenigge den Stein der Weisen wirft, macht es platsch

Es kommt selten genug vor, dass man in den USA etwas halbwegs Kluges über den deutschen Fußball lesen kann. Weshalb dieser Artikel heute in der New York Times schon allein deshalb bemerkenswert ist, weil man dem Thema so viel Raum gegeben hat. Er ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Autor keine übliche Bausch- und Bogen-Analyse abliefert, sondern sich um eine nuancierte Betrachtung der Frage kümmert, weshalb die Bundesliga nur auf Platz vier in Europa steht und mit Bayern München nur einen einzigen deutsche Club von internationaler Bedeutung produziert hat. Am Ende stellt sich aber heraus, dass Nicholas Kulish offensichtlich auch nur so weit schauen kann wie Karl-Heinz Rummenigge (das ist nicht sehr weit) und dessen Argumente unwidersprochen akzeptiert. Die da sind: Weil die deutschen Ligaverantwortlichen ausländische Großinvestoren verhindern und das Fernsehgeld zu gleichen Teilen unter den Clubs aufsplitten, werden "wir nie das Niveau erreichen, auf dem wir mal waren".

Man könnte dieses Argument aus jeder Richtung auseinanderfieseln, und zwar im Dunkeln und im Hellen. Aber leider wird das vom Times-Mann gar nicht erst versucht. Dabei könnte er anführen:
• das Beispiel der National Football League, das so konsequent wie niemand anderer das Fernsehgeld und einen Teil der Stadieneinnahmen brüderlich teilt und damit das Fundament für die wirtschaftlich erfolgreichste Sportorganisation der Welt geschaffen hat.
Er könnte entlarven:
• die Absurdität der Behauptung, dass die deutschen Clubs mal so wahnsinnig viel besser in Europa dastanden. Es war allenfalls eine Mannschaft, die nach dem Abbröckeln von Borussia Mönchengladbach und HSV in Europa etwas ausrichten konnte. Und das war der FC Bayern München. Und das lag daran, dass sie ihre Ressourcen - unter anderem ein riesiges vom Steuerzahler finanziertes Stadion - geschickt genug in sportliche Erfolge umgesetzt haben. Die Bundesliga hat sie darin nie zurückgehalten. Und tut es auch heute nicht. Woher kam denn wohl das Geld für den Masseneinkauf in diesem Jahr? Von einem Banküberfall?
Er könnte einwerfen, dass
• in anderen Ländern Clubs Millionenverluste erwirtschaftet haben, die weder durch Fernseheinnahmen noch durch Spielerverkäufe noch durch Fanartikel wieder eingespielt werden können. Und dass allein die Abhängigkeit von Unternehmern wie Leo Kirch schon zur Vorsicht mahnt. Es sei denn man verfolgt die Strategie: Nach mir die Sintflut.

Immerhin ist dem Autor aufgefallen, dass Geld alleine - ähnlich wie bei New York Yankees - keine Garantie für Erfolg ist. Das 0:0 "warf die Frage auf, ob bei all den Anstrengungen und dem investierten Geld, die Meisterschaft gewinnt". Warum stand das nicht am Anfang der Geschichte, sondern am Ende?

4 Kommentare:

Paul Niemeyer hat gesagt…

Der Link verweist nicht auf die NYT.

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Danke für den Hinweis. Das war eine Panne. Ist jetzt korrigiert.

Anonym hat gesagt…

Will den wohlgesetzten Argumenten nicht weiter widersprechen, nur ein Vergleich hinkt gewaltig: Die National Football League hat sich nicht in einem internationalen Wettbewerbsumfeld zu behaupten. Da gibt es keine Konkurrenzligen in England, Italien, Spanien, die mit deutlich höherem finanziellen Einsatz die Topspieler an sich ziehen.

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Ich halte den Konkurrenzgedanken - rein oberflächlich - betrachtet für einen legitimen Einwand. Aber wenn man sich mit der NFL beschäftigt, darf man dann aber nicht vergessen, dass sie sich sehr wohl gegen Konkurrenz durchsetzen musste - und zwar gegen College-Football, der bis in die 50er Jahre eindeutig populärer war. Später gab es die American Football League als Konkurrenz (man hat dann irgendwann fusioniert). In der ganzen Zeit hat man nie nach einem anderem Prinzip gewirtschaftet: Der große Kuchen wurde immer fair geteilt. Wir haben auch das andere System - zum Beispiel im Major League Baseball, das auch keine internationale Konkurrenz zu fürchten hat, wo eine enorme wirtschaftliche Wettbewerbsverzerrung existiert. Dort finden tausende von Spielen pro Saison statt, was aber nicht zu vergleichbaren Gesamteinnahmen führt. Es würde an dieser Stelle zu weit gehen, um die Gründe dafür aufzuzählen. Es geht nur um den Grundgedanken: Wenn man nicht genug verdient, liegt das nicht etwa an der internationalen Konkurrenz und nicht an der Verteilung der Gelder innerhalb einer Liga. Es hat vor allem etwas mit den visionären Qualitäten der Entscheidungsträger zu tun. Und die müssen über den Tellerrand ihrer eigenen Clubinteressen hinaussehen können. Die Bundesliga wird nicht besser, wenn Bayern München mehr Geld zugeteilt bekommt, sondern nur einseitiger und langweiliger. Dass der Mann von der New York Times das nicht erkannt hat, ist meine eigentliche Beschwerde.