16. Dezember 2008

Schlechte Zeiten – gute Zeiten

Ich nehme an, dass hier eine Reihe von Lesern vorbeikommen, die sich durchaus für die Entwicklungen der Bloggerei interessieren. Und vor allem über das Potenzial dieser neuen Form einer irgendwie unstrukturierten, aber dennoch unablässigen Mitteilsamkeit. In den USA sind das inzwischen Millionen. Von denen sitzen hunderttausende an ihren Computern und schreiben. Der Rest sitzt an Computern und liest und fügt Kommentare hinzu.

Ja, Millionen. Wenn man die Bloggerei nur aus dem Blickwinkel der deutschen Medienentwicklungen betrachtet, erhält man hingegen ein ganz anderes Bild. Da kann man bestenfalls von Zehntausenden reden. Irgendetwas an der deutschen Mitteilsamkeit (die sich an und für sich von der amerikanischen überhaupt nicht unterscheidet) produziert das Milieu des kleinen Kreises. Was ist damit gemeint? Das sind zuallererst Salonmedien, in denen Menschen mit inhaltlichen Ansprüchen etwas inszenieren, in dem sich nur ein gewisser, gehobener Ausschnitt des Publikums mit seinen Interessen widergespiegelt sieht. Dagegen spricht ganz und gar nichts. Das Kommunizieren im kleinen Kreis hat sogar seine Qualitäten. Es sind schließlich Gehversuche. Und die werden nur Leuten gelingen, die einen Sinn für mediale Hin und Her haben. Aber auf große Klickraten kommt man auf diese Weise nicht.

Das Phänomen erinnert einen an unterschiedliche Phasen in der Nachkriegszeit. An die mageren Jahre bemühter (west)deutscher Schriftstellerei in den Siebzigern und Achtzigern, die von den zwangskasernierten Autoren in der DDR qualitativ um Längen leicht und locker geschlagen wurde. Und an die irrsinnige Blüten treibende Zeit des deutschen Autorenfilms, der damals von Fernsehgeldern und Steuersubventionen getragen wurde und Filme entstehen ließ, die auf dem Papier und in den entscheidenden Gremien Wirkung entfalteten. An der Kinokasse waren mehr als 90 Prozent lupenreine Flops. Es kursierte damals die Geschichte von einem Film (dessen Titel mit beim besten Willen nicht mehr einfällt), der nach weniger als einer Woche und keinen hundert Zuschauern total für immer aus der Distribution verschwand. Viele dieser Arbeiten waren einfach nur bemüht, wenn nicht sogar regelrecht schlecht und sorgten dafür, dass sich irgendwann der einflussreiche Kritiker der Zeit, Hans-Christoph Blumenberg, nachdem er sich das Treiben lange mit sehr viel Wohlwollen angeschaut hatte, an die Schreibmaschine setzte und die längst fällige Abrechnung zusammentippte. (Blumenberg wurde später selber Regisseur und gehört heute zu den besten im Land. Damals wurde er von vielen Subventionskünstlern verrissen). Zehn Jahre waren da bereits ins Land gezogen. Zehn verlorene Jahre.

Bücher und Filme kann man mit der Bloggerei auf der fundamentalen Ebene überhaupt nicht vergleichen. Man braucht keine Finanziers, man hat keine technischen Herstellungskosten und und muss sich nicht durch die klassischen Vertriebswege plagen. Aber auf einer anderen Ebene sind die drei Medienkonstellationen durchaus miteinander zu vergleichen. Ohne ein zahlenmäßig nennenswertes Publikum können sie sich nicht durchsetzen. Nicht im Buchmarkt, nicht in den Kinos. Und nicht im Internet.

Das ist besonders in diesen Tagen von Belang. Denn die massive wirtschaftliche Flaute bietet vielen low-cost-Produzenten enorme Chancen auf exakt diesem Markt. Nehmen wir New York. Klar, Wall Street entlässt hochbezahlte Leute. Die Auswirkungen von dort auf andere Branchen sind deutlich zu spüren. Die Autobranche leidet auch. Shops mit teuren Klamotten machen zu. Aber meine Pizzeria um die Ecke in New York meldet mehr Kundschaft. Wal-Mart, der billige Jakob mit dem Schund aus China, hat Umsatzzuwächse in einer Größenordnung von zehn Prozent. Merke: Wenn die Zeiten schlecht sind, substituieren Verbraucher und weichen auf preiswertere Anbieter von Waren und Dienstleistungen aus. Ich wette, Aldi, die bereit smit tausend Filialen im Land sind, und die ebenfalls Aldi gehörende qualitativ darüber angesiedelte Kette Trader Joe, haben Expansionspläne. Sie bieten die Preise, die Leute zu zahlen bereit sind. Und die Qualität ist in den meisten Fällen durchaus akzeptabel.

Zurück zu diesem Thema: Blogger sind die kostengünstigsten Informations- und Meinungslieferanten im Medien-Mix. Und als Konsequenz sicher auch die preiswertesten im Anzeigen/Werbegeschäft. Und so profitieren sie in den USA tatsächlich in einem kleinen, aber auffälligen Rahmen von der Krise (während die Riesenverlage Leute entlassen müssen, weil die Anzeigenumsätze einbrechen und aufgrund der krassen Sparmaßnahmen zunehmend schwächere Produkte herstellen). Man kann davon ausgehen, dass sich dieses Phänomen auch in Deutschland zeigen wird. Dass Werbeagenturen anfangen werden, ihre Kunden auf neue und preiswertere Wege einzunorden, um die Botschaften und Slogans unters Volk zu streuen.

Natürlich passieren solche Umwälzungen nicht von heute auf morgen und bedeuten, dass sich Blogger der Werbewirtschaft öffnen müssen (genauso wie die Werbewirtschaft begreifen muss, dass sie über Blogs ein intelligentes, neugieriges Publikum erreichen kann, dass die für das gleiche Geld nirgendwo sonst antreffen wird). Aber ich dachte, so kurz vor Weihnachten, wäre es schon mal ganz gut, etwas Optimistisches zu verbreiten.

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