26. Februar 2007

"Die Sportblogosphäre ist vor allem ein Bewusstseinszustand"

Was in den USA online passiert, dürfte den deutschen Entwicklungen um rund zwei Jahre voraus sein. Das gilt für Qualität genauso wie für die Quantität. Zum Thema Polit-Blogs und deren Einfluss habe ich im August aus Anlass der Vorwahlen zum Senat ein großes Stück für die FAZ geschrieben. Die Sportbloggerei wird von draußen im Vergleich dazu eher ignoriert. Aber sicher nicht mehr lange. Ein Indiz: Die Arbeit des amerikanischen Blogs the big picture ("Sports news from the outside looking out"), der sein zentrales Thema gefunden hat: Er interviewt die profiliertesten US-Sport-Blogger und stellt allen im Großen und Ganzen die gleichen Fragen. Die Herrschaften reflektieren ausführlich, je nach Standpunkt und signalisieren, wohin die Reise geht.

Die Sammlung ist inzwischen so stark angewachsen, dass es an der Zeit war, sie zu durchforsten und die informativsten Stellungnahmen zu übersetzen und in einem Post zusammenzustellen. Regelmäßige American-Arena-Leser werden sich zumindest an einen der Protagonisten erinnern: Dan Steinberg ist "Mr. Stone Mountain", der Mann, der vor ein paar Tagen seine Leser um Übersetzungshilfe bat, als er in unserem Blog zitiert wurde.

Hier die drei interssantesten Feststellungen von drei High-Profile-Bloggern.

Dan Steinberg
(30), Journalist und Blogger (D. C. Sports Bog), der vor fünf Jahren als Reporter bei der Washington Post einstieg, auf die Frage, weshalb so viele Mainstream-Media-Outlets heute Blogs haben, aber keiner - außer seinem - mit der Blogosphäre identifiziert wird:
"Für mich ist die Sportblogosphäre ... vor allem ein Bewusstseinszustand. ... Es geht darum, sich nicht zu ernst zu nehmen, andere Informationsquellen als freundliche Hilfe anzusehen und nicht als Konkurrenz, nach Gutdünken diese Informationsquellen zu nennen und ihnen den Daumen drücken, dass sie Erfolg haben, eine eigenartige Abneigung gegen ESPN und all seine Ableger zu haben, obwohl man ESPN anschaut, das ESPN-Radioprogramm anhört und das Magazin abonniert hat, sein Leben dem Internet vermachen, darauf vertrauen, dass die Erwachsenen wirklich nicht kapieren, worüber du die halbe Zeit redest."
Dan Shanoff (34), New York, hat einen Betriebwirtschaftsabschluss in Harvard gemacht und war eine Zeitlang bei espn.com (The Daily Quickie). Schreibt jetzt einen Blog auf eigene Rechnung und sieht die Bloggerei ganz konsequent von der ökonomischen Seite - Angebot und Nachfrage:
"Die gute Nachricht für junge Journalisten ist, dass es es noch nie in unserem Leben einen solchen Augenblick in den Medien gegeben hat, in denen der Bedarf von Verbrauchern so wenig befriedigt wurde. Es gibt überall Gelegenheiten, weil Medienunternehmen Ressourcen aus ihren traditionellen Plattformen abziehen und sie neue Plattformen wie Online damit füttern (wo sie auch hingehören, denn dorthin geht der Verbraucher). Das sind gute Nachrichten für junge Schreiber oder ich könnte auch sagen: "Content-Produzenten". Das neumodische Etikett kommt ohne Scham daher."
Will Leitch (31), Brooklyn, langjähriger Sportjournalist und Gründer von Deadspin, dem erfolgreichsten amerikanischen Sport-Blog, auf die Frage, was am meisten Spaß macht am Bloggen und was am meisten frustriert:
"Einige Leute werden wirklich sauer, wenn Mainstream-Medien eine ihre Geschichten nimmt und sie nicht als Quelle nennt. Aber das bringt mich nicht in Rage. Die Seite wurde mit dem Gedanken gegründet, Sport nicht so ernst zu nehmen ... Ich meine, das ist ein Blog. Er ist hoffentlich lustig und kann hoffentlich ein bisschen Licht in die Sportwelt werfen, aber du solltest nicht übertreiben. Genauso wie Sport sollte es Spaß machen."

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