20. Februar 2007

Las Vegas im Rückspiegel: "Der perfekte Sturm der Ghettofabelhaftigkeit"

Wenn man den Einfluss und das Selbstverständnis schwarzer Sportler, ihre Hip-Hop-Connections und ihre Ausraster verstehen will, lohnt es sich, hin und wieder Jason Whitlock zu lesen. Er hat nicht nur die Hautfarbe (sprich: Zugang und Einfühlungsvermögen), sondern vor allem auch den Grips und die Schreibe, um sehr unterhaltsame und zugleich distanziert vorgetragene Texte zu produzieren. Die charakterisieren ein Milieu, für das ein weißer Betrachter weder den richtigen Blick noch die richtige Ausgangslage hat. Das schwarze Amerika ist angesichts der politischen und gesellschaftlichen Geschichte nicht besonders empfänglich für Vorhaltungen, die auch nur einen kleinen Hauch nach racial profiling riechen. Whitlock schafft den Slalom aus Kritik und Faszination hingegen wie kaum ein anderer.

Ein Beispiel: seine Erlebnisse beim All-Star-Wochenende in Las Vegas. hier ein paar Auszüge:
"Das All-Star-Wochenende ist das Freaknik dieses Jahrtausends, ein einst populäres, alljährliches Straßenfest. Als Atlantas Freaknik 1999 an selbstzugefügten Wunden starb - an Plünderungen und Gewalt - wurde die NBA-Show in der Mitte der Saison bei Schwarzen beliebt, die nach einer alljährlichen Ausrede dafür suchten, um im großen Stil zu feiern. Das All-Star-Wochenende ist jetzt der perfekte Sturm..."

"Das All-Star-Wochenende hat ein riesigen Vorzug gegenüber dem Super Bowl, der anderen Sportveranstaltung, die große Partys bietet. Dieses Wochenende ist ebenso eine Frauenveranstaltung, wenn nicht sogar überwiegend. Das ist vermutlich das Resultat der Tatsache, dass das Basketballspiel eine totale Nebenangelegenheit ist. Beim Super Bowl ist das Spiel immer noch die größte Attraktion, weshalb Wetter und Hardcore-Footballfans die Partys, die Werbespots und die Show in der Halbzeit akzeptieren, in der Hoffnung ein spannendes Spiel zu sehen.... Bei einer typischen Super-Bowl-Party kommt eine Frau auf zehn Männer. Bei den Partys beim All-Star-Wochenende ist es halbe-halbe....Nicht zu vergessen, wir reden über den perfekten Sturm der Ghettofabelhaftigkeit - Alkohol, attraktive Frauen, Zocken, Stars, ein Dunk-Wettbewerb und keine Polizeistunde. Du konntest den Ruf des All-Star-Wochenendes in Vegas aus dem Inneren deines Bauches vernehmen und aus Gegenden, die noch etwas weiter unten sitzen."
Hier der Link zum Text.

Nachtrag: Whitlock hat darüberhinaus einen Posten beim AOL Fanhouse als Kolumnist, wo er heute noch viel kräftiger aufgetischt hat. Er warnte, dass die Entwicklung beim All-Star-Wochenende Richtung Gesetzlosigkeit und Kriminalität, mit immer mehr Zuhältern, Gangstern, Prostituierten und Drogenhändlern, seit ein paar Jahren eskaliert und New Orleans 2008 Militär einsetzen muss, wenn im French Quarter nicht alles zusammenbrechen soll. Sein Rat an Commissioner David Stern: in den nächsten Jahren die Veranstaltung in ferne Länder zu verlegen, dorthin wo die "Bloods und Crips und Nutten und Huren nicht ohne Reisepass und Flugticket hinkönnen". Wenn Stern auch weiterhin die internationale Attraktion des Spiels steigern wolle, habe er "die perfekte Entschuldigung, um das All-Star-Spiel nach Deutschland, china, England zu verlegen".

In der Washington Post gab Kolumnist Ivan Carter seine Eindrücke zum besten. Dies die Passage, die auf den Punkt bringt, welche Stimmung auf dem Strip herrschte, auf dem nichts ging, kein Straßenverkehr, kein Fußgängerverkehr, weil die ganze Gegend voller Leute war. Und was man erleben konnte, wenn man nicht zu den exklusiven Partys eingeladen war:
"Nun, vergesst nicht, dass in Vegas rund zwei Drittel der Besucher schwarz waren. Und im MGM, dem Palms und anderen Treffpunkten auch mehr. Wie dem auch sei. Ich gehe durch das New York, New York [ein Casino-Hotel], um dringend eine Stelle zu finden, wo ich ein Bier trinken kann und kam an einem Irish Pub vorbei, der gleichzeitig als Pianobar fungierte. Ich glaube, jeder Weiße in der Stadt hing dort ab, um Harp zu trinken, schlechte Achtziger-Jahre-Musik zu hören und kitschige Bar-Lieder wie Sweet Caroline und, oh, um zu tanzen. Wenn man das so nennen kann. Der Laden war weißer als die NHL. Ein paar Schwarze gingen vorbei, schauten hinein, wussten nicht, was sie damit anfangen konnten und liefen weiter. Lustig, das Ganze."

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