20. Juli 2008

Wenn einer einen Fingerabdruck hinterlassen will

In vier Stunden werden wir wissen, ob Greg Norman, der oftmalige Zweite, der viele Turniere nicht gewann, obwohl er am Samstagabend vor der letzten Runde in Führung lag, mit 53 Jahren das Zeug hat und dem Druck standhält und ein bedeutendes Golfturnier gewinnt. Das Turnier: Die British Open. Der Australier hat in den letzten Tagen phantastisch gespielt und läge mit etwas Glück mit mehr als nur zwei Schlägen in Führung. Aber wenn man zurückdenkt an den Einbruch vor zwölf Jahren, als er beim Masters in Augusta am Sonntag sechs Schläge Vorsprung auf Nick Faldo hatte, weiß man: Norman wäre auch mit einem Plus von vieren oder mehr nicht auf der sicheren Seite. Gehen wir kurz ins Archiv, um das Phänomen Norman von zwei Seiten zu illustrieren.

Da wäre zuerst die katastrophale Niederlage vor zwölf Jahren, die ich damals für den Tages-Anzeiger in Zürich nachgezeichnet habe, als Norman, der einzige Profi, der Playoffs in allen vier Majors verloren und dazu noch dreimal einen Grand-Slam-Titel am letzten Loch verspielt hat, zum sechsten Mal in seiner Laufbahn bei einem Major als Spitzenreiter in die letzte Runde ging und zum sechsten Mal den Sieg verpasste. Hier ein Auszug:

"Wie ein soeben gestrickter Pullover an dem einen Faden, der ihn zusammenhält, so ribbelte sich Normans Nervenkostüm innerhalb von nur einer Stunde vom neunten Loch bis zum 12. Loch auf, als er all jene Fehler machte, die er drei Tage lang vermieden hatte. In den vier Löchern verlor er fünf Zähler. Und sein Vorsprung, der ohnehin bereits auf drei Schläge geschrumpft war, verwandelte sich in einen Rückstand von zwei Schlägen. "Ich habe schlecht mit den Eisen gespielt und den Preis dafür gezahlt", versuchte er den unerklärlichen Leistungskollaps zu rechtfertigen.

Nach Ansicht von Norman-Kennern lag das Problem jedoch erneut im mentalen Bereich. Norman, der in seiner Freizeit Düsenflugzeuge, Hubschauber, Motorboote und schnelle Autos steuert, trat nach drei Tagen, in denen er mit der Sorgfalt eines Feinmechanikers zu Werke gegangen war, mit einem Hauch von Hochmut auf den schweren Platz. Alle Sicherheitsgedanken hatte er am Vorabend weggewischt: "Ich werde so spielen, als ob keiner in Front liegt."

Ein paar Jahre später habe ich Norman für die Zeitschrift Architectural Digest in seiner Rolle als erfolgreicher Golfplatzarchitekt interviewt, nachdem ich mir vor Ort den formidablen Links-Platz Doonbeg an der Westküste von Irland angesehen hatte. Es ging nicht ums Verlieren, sondern um die Fähigkeit, einem Stück Land ein kleines architektonisches Kunstwerk abzuringen. Das ist der andere Norman - der ohne Schläger in der Hand.

Mr. Norman, was macht einen guten Golfplatz aus?:

GREG NORMAN: Dass er so ausgelegt ist, dass ihn jeder spielen kann - von der Freizeitgolferin bis zum Spitzen-Professional.

Und was macht ihn zum Kleinod?

GREG NORMAN: Die herausragenden Plätze haben alle eine entscheidende Qualität, Sie fordern jeden - egal wie gut er ist - derart intensiv heraus und sind so abwechslungsreich, dass man sich nach der ersten Runde an jeden einzelnen Schlag erinnert.

Was ist eigentlich schwieriger: Plattes Land mit dem Bulldozer umzumodeln oder das Design der Natur abzulauschen?

GREG NORMAN: Es ist eine ziemliche Herausforderung, aus einem langweiligen Grundstück etwas zu machen. Aber wenn das Terrain perfekt ist, dann kommt eine andere Sorge ins Spiel: Du willst die Sache nicht versauen. Der Druck, etwas Großartiges zu entwerfen ist groß. Vor allem, weil ich das mit Leidenschaft betreibe. Ich möchte einen Fingerabdruck auf dem Gelände hinterlassen, an dem auch noch spätere Generationen ihre Freude haben.

Wie imaginiert man einen Golfplatz?

GREG NORMAN: Ich mag es nicht, wenn das Design künstlich aussieht. Ich schaue mir die Gegend in einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern an. Ich lasse mich vom Horizont inspirieren, von Bergketten in der Ferne, von Seen und Bächen. Während des Baus bin ich so oft wie möglich vor Ort. Wenn man das macht, lernt man die Verhältnisse kennen, das Klima, der Wechsel der Temperaturen, die wechselnden Winde. Man wird dadurch einfach sehr aufmerksam und einfühlsam. Je stärker der Eindruck, desto besser wird der Platz.

In vier Stunden werden wir wissen, welchen Eindruck Royal Birkdale anno 2008 auf Greg Norman hinterlassen hat.

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