29. Juli 2007

Warum Vick es reingerieben bekommt

Der rote Teppich, auf dem Michael Vick durchs Leben spazieren konnte, ist irgendwann mal ziemlich lang und breit gewesen. Was unter anderem daran liegt, dass Vick als exzellenter Athlet in Amerikas populärster Mannschaftsportart demonstrieren konnte, wie man eine ziemlich mechanische Arbeit auf eine eigensinnige, aber ebeno ertragreiche Weise abwickeln kann: mit überraschenden Sololäufen. Der Quarterback als Running Back, der im schnellen Zickzack durch die gegnerischen Reihen stürmt, aber ebenso leicht einen langen Pass nach vorne werfen kann. Auf den Gegenentwurf zu einem schmächtigen, aber nervenstarken Mann wie Joe Montana, der im letzten Augenblick den Ball an einen gut postierten Mitspieler abgab, ehe er von den herandampfenden Gegnern platt gemacht wurde, hat man lange warten müssen. Aber irgendwann dreht sich wohl auch im konservativen Football das Rad weiter.

Weißen Quarterbacks konnte man das jahrzehntelang einfach ausreden, diesen Hang zur Improvisation und Eigeninitiative, und sie zu einem anderen Verhalten nötigen - zu dieser Passivität, diesem Zocken und Zögern. Denn das hatte man ihnen von Anfang an eingetrichtert, dass der Capo di Capi auf dem Platz nur das brav umsetzt, was sich der wahre Boss, der Trainer, ausgedacht hat - das von einem Genie im Hintergrund inszenierte Chaos, das zeigt, wer das Spiel mit eiserner Hand im Griff hat: der Head Coach.

Schnellen schwarzen Athleten war das schon länger viel zu dämlich, weil es schließlich auch anders geht. Aber ihnen wurde von Trainern auf allen Ebenen jahrzehntelang der Weg auf die Position des Quarterbacks nach Kräften verlegt. Wenn sie wendig und willig waren, wurden sie auf andere Aufgaben umgeschult, wenn nicht, wurden andere angeheuert. Es gab stets genug Nachwuchs. Selbst in jener Phase, die vor etwa zehn Jahren begann, als die Dämme brachen und sich immer mehr schwarze Talente aufdrängten, waren NFL-Trainer überaus nervös angesichts des umfassenden Könnens und unkontrollierten Spielwitzes. So landete Charlie Ward, der Heisman Trophy-Gewinner des Jahres 1993, bei den New York Knicks in der NBA, nachdem er bei der NFL-Draft von allen Team ignoriert wurde. Was war das Problem? Scouts hatten übereinstimmend erklärt, dass seine Collegeleistungen bei den Profis nichts wert sein würden. Er hatte hauptsächlich in einer Shotgun-Offense gespielt. Der nächste Fall war das Multi-Talent Kordell Stewart bei den Pittburgh Steelers. Erneut zeigte sich, dass die eingefahrenen halsstarrigen Trainer mit einem Mann nicht viel anfangen konnten, der ihnen mehr spielerische Möglichkeiten bot, aber auch mehr Risikofaktoren brachte. Improvisation kann man nicht planen und nicht kontrollieren. Stewarts Karriere blieb - leider - so etwas wie eine unvollendete Symphonie.

Das droht jetzt auch Michael Vick, dem ersten schwarzen Quarterback, der zumindest auf dem Platz die alten Barrieren endgültig überwinden konnte und der zweitbestbezahlte Spieler in der NFL ist. Aber nicht weil er bei den Atlanta Falcons nicht den ganz großen Erfolg vorweisen kann (die Mannschaft brachte es mit ihm bisher nur bis zum Spiel um die NFC Championship, also bis unter die letzten vier), sondern weil er im Verdacht steht, ein Tierquäler zu sein, der seine Zeit mit Hundekämpfen verbringt. Und mit Verwandten und Freunden, die Hunde grausam umbringen und auf seinem Grundstück einbuddeln.

Wenn man sich das Spektrum der Reaktionen in den USA anschaut, wird man erkennen, dass unter der Oberfläche einer ganz legitimen Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft die Hautfarbe von Vick und sein Status als erfolgreicher schwarzer Sportler ebenfalls mitspielt. Das Ausmaß an moralischer Entrüstung, das der Fall ausgelöst hat, steht in keinem Verhältnis zu seiner eigentlichen Relevanz. Man muss nicht mal die Meinung des (weißen) Kolumnisten Dave Zirin teilen, der den amerikanischen Sportbetrieb schon lange aus einer linken politischen Haltung heraus attackiert, und neulich mit Chuck D. ein Buch herausgebracht hat (Welcome to the Terrordome). Der wundert sich zurecht, wie eine Gesellschaft, die unter anderem auch im Sport ein derartiges Maß an Gewalttätigkeit gutheißt, förmlich ausrastet, wenn es um tote Hunde geht. Man muss auch nicht die ständige Rassismus-Keule schwingen, wie das im sehr anregenden Blog The Starting Five von Co-Autor dwil bei jedem Thema (Barry Bonds etc. ) getan wird. Schließlich gibt es Gesetze, die das Verhalten von Menschen verbindlich regeln. Wer sie bricht, kann sich nicht den Mantel der verfolgten Unschuld überwerfen und so tun, als habe man ihn nur wegen seiner Hautfarbe festgenommen.

Auf der anderen Seite weiß man spätestens seit Muhammad Ali (einem genialen Techniker und Stilisten im Ring, aber eigenwillig und unberechenbar) und der gegen ihn verhängten Sperre der Boxverantwortlichen (er hatte den Kriegsdienst verweigert), dass schwarze Amerikaner sehr viel schneller sozial geächtet werden als Weiße, wenn sie aus dem Rahmen fallen (und nicht nur dann). Im Fall von Vick passiert das schrittweise: Die NFL hat ihn vom Trainingsbetrieb ausgeschlossen. Nike hat den Werbevertrag mit ihm aufgehoben. Andere Werbepartner kündigten verbindliche Vereinbarungen. Und alles, ehe das Strafverfahren begann. Es mag sein, dass Vick ein Tierquäler ist. Aber falls nicht: Seinen Stempel als Pariah hat er weg.

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