Die amerikanischen Medien haben gestern mal wieder gezeigt, dass in den Skeletten von so manchen noch so etwas wie Rückgrat steckt. Da beschloss das Führungsgremium der Golf Writers Association of America, dass man jene kuriose Veranstaltung boykottieren wird, bei der in ein paar Minuten ein gewisser Tiger Woods, die Gelddruckmaschine der Sportart Golf, eine öffentliche Erklärung abgeben will. Eine Kamera und eine Handvoll sogenannter Pool-Reporter sollten zugelassen werden. Fragenstellen nicht erlaubt. Für eine solche Inszenierung mögen sich die Kollegen vom GWAA nicht hergeben. Ich kann das verstehen und unterstütze das auch – als aktives Mitglied – auch wenn meine Solidaritätsadresse auf Deutsch vermutlich niemand im Verband auch nur registrieren wird.
Ein solcher Boykott ist natürlich eher eine symbolische Haltung im ewigen Tauziehen zwischen den Mächtigen und Einflussreichen im Sport und den Multiplikatoren aus der Kommunikaitonsindustrie. Ich vermute mal, vor einem Jahr wäre es zu einer solchen Auseinandersetzung nicht gekommen. Der Tiger wirkt waidwund. Die Meute riecht Schwäche.
Hier wird das Ereignis gleich mal aus der Perspektive des amerikanischen Fernsehzuschauers abgehandelt. Man darf davon ausgehen, dass alle News-Kanäle live mitmachen.
Bis gleich.
10: 50 Uhr Zu den Newskanälen gehören natürlich auch die, die der golffixierten britischen Klientel ständig den wichtigen Stoff bringen: Also Zeitungen wie der Guardian mit einer beachtlichen Blog-Leistung: http://www.guardian.co.uk/sport/blog/2010/feb/19/tiger-woods-statement-live
10:52 Uhr: ESPN 2 hat eine Expertin über die Bedeutung von Entschuldigungen im Alltag im Studio. Der Kanal wird live dabei sein.
10:54 Uhr: Den Wirtschaftskanal CNBC interessieren natürlich nur die geschäftlichen Belange und nennt die Veranstaltung im Streifen am unteren Ende des Bildschirms Tiger Woods' Media Culpa. Wortspiel oder Verschreiber?
10:57 Uhr: Die alte Tante CNN, die man in Zeiten der Krise immer so gerne als erstes und als vertrauenswürdigstes Guckloch anklickt, ist noch in Vancouver und bei Bode Miller. Werden die nicht rechtzeitig umschalten?
10:59 Uhr: Beim Golf Channel wird zwar berichtet, aber auf solche Nuancen wird Wert gelegt: "Es wird erwartet, dass Tiger Woods um 11 Uhr" spricht. Dabei wurde die Sache offiziell angekündigt.
11:00 Uhr: Das Live-Bild aus Florida zeigt eine seltsame Gruppe von Zuschauern in einem Raum. Jetzt kommt Tiger.
11:02 Uhr: "I am deeply sorry for my irresponsibe behavior."
11:03 Uhr: "Elin and I have started a process to discuss the damage."
11:04 Uhr: "I am aware of the pain I have caused. I have let you down.... personally and professionally."
11:05 Uhr: "I have made you question who I am and how I could have done the things I did."
11:06 Uhr: "Elin never hit me....there has never been an incident of domestic violence....I was unfaithful. I had affairs. I cheated."
11:07 Uhr: "I thought I could get away with what I wanted to.... I felt I was entitled."
11:08 Uhr: "My failures have made me look at myself in a way I never wanted to before."
11:09 Uhr: "It is hard to admit that I need help, but I do....I have a long way to go."
11:10 Uhr: "These are issues between a husband and his wife....It is right to shield my familiy from the public limelight."
11:11 Uhr: "Please leave my wife and kids alone...I am the one who needs to change."
11:12 Uhr: "Part of following this path is Buddhism."
11:13 Uhr: "I lost track of what I was taught....I will leave for more treatment and therapy....I therapy I learned to look at my spiritual life and balance it with my professional life."
11:14 Uhr: "I do plan to return to golf one day. I just don't know when that day will be."
11:15 Uhr: "Today I want to ask for your help. I ask you to find room in your heart to one day believe in me again. Thank you."
11:16 Uhr: Nachdem er lange seine Mutter umarmt und dazu ein paar Zuschauer in der ersten Reihe, tritt er ab. Aus dem Raum. Ohne sich umzudrehen. Elin war nicht zu sehen.
Zusammenfassende Gedanken und Beobachtungen (während die Kommentatoren auf allen Kanälen ihren Senf verbreiten): Das moderne Medientheater verlangt nach solchen Auftritten, bei denen die Akteure mit den Strippen spielen, die ihnen die Öffentlichkeit bietet. Mehr als zehn Kanäle in den USA schalteten live auf. Die zwei Neuigkeiten, die Woods anzubieten hat: Zum ersten Mal hat er seine religiöse Affinität offiziell angesprochen. Er ist Buddhist, was ihn in einem von einer extremen, aufs Christentum und die Bibel fixierten Land zu einer kleinen Minderheit macht. Es muss ihm schwer gefallen sein, dass zuzugeben. Es gibt keine Entscheidung darüber, wann er wieder an den Turnieren der PGA Tour teilnehmen wird. Keine Ankündigung darüber, ob er schon beim Masters im April in Augusta wieder antreten will.
P.S. Die oben erwähnte Entschuldigungs-Expertin heißt Lauren Bloom. Ihr Buch trägt den Titel The Art of the Apology. Sie gab Tiger Woods für seine Erklärung die Note A-. Das entspricht in den USA der Note 1-.
Und weil das Internet so ergiebig ist, gibt es hier mit etwas Verspätung den Mitschnitt von dem Woods-Auftritt. 15 Minuten.
2 Kommentare:
"eine Expertin über die Bedeutung von Entschuldigungen im Alltag"???
Was mag die für eine Profession haben? Ich frage mich zudem, was die Öffentlichkeit von Woods erwartet. Wozu ist denn dieser Spießrutenlauf jetzt gut?
Die Profession konnte ich in der Eile nicht erspähen. Es war eine lebensältere Dame mit dem Blick einer gnädig gestimmten Mutter.
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