31. Dezember 2009

Schwimmen gegen den Strom

Was unser Comic-Held Carl über die Urban-Meyer-Saga in Florida zu sagen hat? Eigentlich hängt sein Herz an den New York Giants, aber manchmal, muss er sich einfach zum College-Football äußern. Ja, er muss einfach. Seine Kernaussage: "Don't never surrender. Don't never quit." Und schöne Grüße nach Cincinnati. "You hear me, Cincinnati? I hate your sports teams." Mehr zu Carls Heimat – adult swim – gibt es hier.
Blick zurück: Der erste Eintrag über Carl bei American Arena (mit Wikipiedia-Verweis)

30. Dezember 2009

Winter Classic: Wir basteln uns eine Spielfäche

Für alle, die einst mit dem Stabilbaukasten oder den Lego-Steinen herumgebastelt haben und dabei nie eine Eishockey-Spielfläche hinbekommen haben: Hier zeigt uns das Time-Lapse-Video, wie's in echt geht. Der Ort: Fenway Park in Boston. Der Anlass: die dritte Auflage vom Winter Classic am 1. Januar zwischen den Boston Bruins und den Philadelphia Flyers, jenem publikumswirksamen NHL-Projekt unter freiem Himmel, das 2008 in Buffalo in einem Footballstadion begann. Vor einem Jahr war die Liga in Wrigley FIeld in Chicago. Die Wetterprognose verspricht übrigens Schnee. Es hat nur drei Jahre gedauert, bis die Veranstalter den Namen der Veranstaltung an einen Titelsponsoren verhökern konnten. Die japanische Reifenfirma Bridgestone machte das Rennen. Die wird sich über Schnee freuen. (Disclosure: fahre vorne auf dem Passat zwei All-Wetter-Schluffen von denen).

Blick zurück: Ausführliche Vorschau in der FAZ auf das Ereignis vor einem Jahr in Chicago mit Informationen zum Erfolg der Veranstaltung

29. Dezember 2009

NFL-Quarterback Drew Brees trifft

Die Magazinsendung Sport Science hat einen etwas anderen Zugang zu Themen, die amerikanische Sportfans interessieren. Sie widmet sich mit Hilfe von ein paar technischen Messgeräten solchen Fragen wie: Kann man eigentlich mit einem Eishockey-Knüppel-Golfschwung wie im Film Happy Gilmore weiter schlagen? Das Dumme sind die Antworten. Wirklich überraschen können Sie einen nicht. Weshalb die Beiträge mit sehr viel visuellem und akustischem Konfetti aufgepimpt werden, damit der Zuschauer auf der minutenlangen Strecke von Einstieg bis Ausstieg nicht abschaltet.

Besonders störend ist der pseudo-wissenschaftliche Anstrich, wie er jetzt auch in dem Beitrag über die Wurfgenauigkeit von Quarterback Drew Brees an den Tag gelegt wurde. Seinem Ball wurden Messsonden angepappt, die ergaben, dass der Football-Profi den Ball aus dem Stand und bei der immer gleichen Entfernung von 20 Yards mit der immer gleichen Geschwindigkeit wirft, den immer gleichen Wurfwinkel hinbekommt und dem Ei die immer gleiche Rotation mit auf den Weg gibt, die der braucht, um auch zielgenau anzukommen. Mit anderen Worten: Drew Brees ist so etwas wie ein Automat. Und nur ein Automat kann in der NFL was werden. Aber aus soviel Banalität schlägt man bei Sport Science die Funken eines bengalischen Feuers. Die Antwortet lautet in diesem Fall: Drew Brees trifft eine Bogenschützen-Zielscheibe aus dieser Entfernung genauer als ein guter Bogenschütze. Ja. Und das ist eine Erkenntnis, die uns alle sehr bewegt. Denn in den Playoffs spielt er mit den New Orleans Saints bekanntlich gegen eine Bogenschützenmannschaft und nicht gegen die Minnesota Vikings. Und da wollten wir vorher wissen, wie das ausgeht.

Das ist das Problem mit solchen Pseudo-Analysen: Während die videotechnische Darstellung der Präzision des Quarterbacks sehr animierend ausfällt – der Mann trifft nämlich bei zehn Versuchen tatsächlich zehnmal in die kleine gelbe Mitte, und die Kamera bringt uns das aus allen möglichen Richtungen – bleibt die Frage ungeklärt: Weshalb ist es überhaupt interessant, die Wurfleistung eines Footballspielers mit der eines Bogenschützen zu vergleichen? Die Jungs können doch beim besten Willen nicht als Maßstab für Treffgenauigkeit herhalten. Da hätte ich mir eher einen Trap- oder Skeet-Schützen als Vergleich ausgemalt. Der muss ein bewegliches Ziel treffen, kennt in etwa die Route und die Fluggeschwindigkeit der Tonscheibe. Wie oft hätte Drew Brees wohl eine Tontaube getroffen? Zehnmal bei zehn Versuchen? Vermutlich nicht.

26. Dezember 2009

Agent Zero weiß nicht, wie man mit Schusswaffen umgehen sollte

Die Haltung von Gilbert Arenas gegenüber Handfeuerwaffen war lange Zeit wohl ziemlich eindeutig: Haben ist besser als Nichthaben. Und registrieren derselben, wie das in einzelnen Bundesstaaten zum Teil verlangt wird, war nicht seine Sache. Siehe: die Episode aus jener Zeit in Kalifornien, wo die Gesetze etwas strenger sind und wo er sich 2003 eine Ordnungswidrigkeiten-Buße einhandelte. Dass man jetzt in der Umkleidekabine der Washington Wizards (die früher ironischerweise mal Bullets hießen) wieder Waffen fand, macht die Sache eher schlimmer. Nicht nur wegen der strikten Politik der NBA in solchen Dingen, sondern auch weil man in Washington D.C. mit dem Gesetz in Konflikt kommen kann, wenn man so etwas macht. Die Waffen waren angeblich nicht geladen. Und Munition hatte Arenas in seinem Spind wohl auch nicht aufbewahrt. Trotzdem klingt die Geschichte seltsam, die Agent Zero jetzt Reportern erzählte: Er habe die Knarren aus den Haus haben wollen und habe sie schlussendlich dem Sicherheitspersonal der Wizards-Halle gegeben, weil er sich von ihnen trennen wollte. Ein Konvertit sozusagen, der jetzt für seine Umsicht bestraft wird, weil er sich formaljuristisch falsch verhalten hat? Es gibt in den USA durchaus auch andere Möglichkeiten, seine Balerlmänner loszuwerden - auch ohne sie gleich in die Mülltonne zu werfen. Zwei fallen einem sofort ein: Man geht zur Polizei und gibt sie dort ab. Oder man geht zu einem Waffenhändler und verkauft sie ihm. Es ist allerdings in beiden Fällen besser, man hat sie legal erworben und kann das beweisen.

Florida-Coach Urban Meyer tritt zurück

Der Rücktritt von Urban Meyer als Coach der Footballmannschaft der University of Florida hat ganz viel Luft aus dem Bowl-Getöse herausgesaugt, mit dem um diese Zeit des Jahres die College-Football-Saison austrudelt. Wie immer, wenn mit abgezirkelten Formulierungen durchsetzte schriftlichen Erklärungen das Nachrichtenbild prägen, arbeiten die Reporter wie die Schaufelbagger. Alle wollen wissen: Wie krank ist Urban Meyer, der erfolgreichste Coach der letzten Jahre, dass er zu diesem Zeitpunkt in den Sack haut? Ehe die Geräuschkulisse zu laut wird: Hier der Hinweis auf ein exzellentes Lesestück, das unlängst S. L Price in Sports Illustrated abgeliefert hat (Hat-Tip an Lee Jenkins und The Big Lead für den Retweet). Der Text erinnert einen an eine Zeit, als dieses Magazin hauptsächlich aus solchen Reportagen bestand und sich Sportautoren (zwecks wegen der Inspiration) und Leser jede Woche genüsslich die Zeit für die neueste Ausgabe gönnten. Und er öffnet ein kleines Schatzkästchen über die Abstammung des erst 45-jährigen Trainers.

Seine Mutter Gisela, geborene Gumpert, wanderte Ende der fünfziger Jahre aus Oberfranken in die USA aus. Ihre Familie aus dem benachbarte Thüringen hatte zuvor die Heimat verlassen, nachdem ihr Vater von den Sowjets nach Sibirien verschleppt wurde. Die Schlussredaktion des Magazins hat dabei einen kleinen Schreibfehler produziert, wie er mit deutschen Namen in amerikanischen Medien an der Tagesordnung ist. Man fummelt gerne noch irgendwo einen Buchstaben ein oder lässt einen weg. Die Gumperts waren aus Mupperg nicht Muppberg. Und Mupperg liegt nicht in Bayern, sondern ganz nah an der Grenze.

Übrigens: Solche Stammbäume haben fast keine der herausragenden Figuren im US-Sport. Aber hier wären zumindest zwei Namen: Football-Coach Herm Edwards (Mutter Martha aus dem hessischen Gelnhausen). Die Familie von Lou Gehrig (Heinrich and Christina Gehrig). Beide waren aus Deutschland in die USA ausgewandert. Lou, geboren in New York, hieß eigentlich Ludwig Heinreich.

Als Nachschlag: Ein Video, in dem Urban Meyer seine Philosophie beschreibt – ein Leistungswahnsinn, der vermutlich nirgendwo im Sport so angedockt ist wie im Football.

Nachtrag: Die New York Times berichtet über eine Gesundheitskrise bei Meyer nach dem Spiel neulich gegen Alabama, als er ins Krankenhaus musst. Die Info kommt wohl vom Coach persönlich.

24. Dezember 2009

Rätselraten zu Weihnachten: Warum treffen die NFL-Kicker nicht mehr so gut?

Es ist der einzige relevante Teil an einem Footballspiel, der einen daran erinnert, weshalb das Spiel überhaupt so heißt, das im Prinzip nichts anderes ist als ein abgewandelte Form von Rugby. Aber das inspiriert die Spezialisten, die sich darum kümmern, so scheint es – überhaupt nicht. Zumindest die Jungs in der NFL nicht, wo die Kicker bekanntlich ordentlich bezahlt werden, um ein paar mal pro Match auf den Platz zu gehen und einen oder drei Punkte zu verbuchen. Wie das? Man schaue sich nur mal diese Statisitik an: Die Liga mit ihren 32 Teams fiel ein Jahr nach der besten Saison aller Zeiten (Treffergenauigkeit der Kicker: 84,5 Prozent) auf die niedrigste Quote seit 2003 (zur Zeit liegt man bei 80,5 Prozent). Die New York Times nennt das einen slump. Wir nennen das ein an den Haaren herbeigezerrtes Thema. Vor allem, wenn man es mit einer Bewertung für Wahnsinnige untermauern muss: Angeblich ist das der stärkste Leistungsabfall seit...seit...seit 1976. Also Panik-Modus an.

Damals lagen übrigens die Vergleichswerte bei um die 60 Prozent. Mit anderen Worten: Die viel besseren Kicker von heute, stehen wegen einer statistischen Auffälligkeit sogleich im Verdacht, so schlecht zu sein wie die aus der Zeit des Bulldozer-Footballs, als man die Wide Receiver noch überall auf dem Platz nach Belieben auf den Rasen donnern durfte. Wie immer, wenn man einen solchen Fund journalistisch abstützen will, aber keine vernünftigen Daten zur Hand hat, kommen kuriose Verknüpfungen dabei heraus: Das Nachlassen sei "besonders überraschend", weil noch vor gar nicht so langer Zeit "das Kicken so automatisch schien, dass es Diskussionen darüber gab, die Torstangen näher aneinander zu stellen oder die Markierungen auf dem Platz weiter auseinander zu ziehen, um schwierigere Winkel für den Schützen zu erhalten".

Wenn es diese Diskussionen wirklich gegeben haben sollte – dort wo ich mir meinen Footballkonsum abhole, gab es die nicht. Das einzige, was es wirklich gab: Weil die Kicker besser wurden, wurden die Trainer mutiger und ließen ihre Special Teams immer häufiger Kicks aus Distanzen probieren, die man früher gar nicht erwogen hätte. Heute sind Versuche aus mehr als 50 Yards, je nach Witterungsverhältnissen und Kicker, keine Seltenheit mehr. Aber mit der größeren Entfernung steigt unweigerlich auch das Risiko. Den ganzen Rest kann man in der Abteilung Wetter einordnen. Das ändert sich jedes Jahr. Da gibt es keinen Automatismus. Und ja, selbst in Zeiten von Global Warming gibt es Wintereinbrüche mit tiefen Temperaturen und viel Schnee.

Aber wer sich trotzdem in diese vermeintliche "Analyse" vertiefen will: hier noch mal das Link. Mit dem passenden Kommentar von Dallas-Cowboys-Trainer Wade Phillips: "It's a mystery to us."

Panik-Modus aus.

21. Dezember 2009

Federer kommt in den USA auf keinen grünen Zweig

Auch der Pool der von der Nachrichtenagentur AP befragten Kunden kann sich einfach nicht vorstellen, dass man Roger Federer zum "Sportler des Jahres" ausrufen sollte, wenn man diese Auszeichung ernst nehmen will. Die Abstimmung ergab, dass man lieber den amerikanischen NASCAR-Fahrer Jimmie Johnson auf den ersten Platz setzt. Das Besondere: ein Automobilrennfahrer wurde im Rahmen dieser Wahl noch nie ausgezeichnet.

Man darf wohl annehmen, dass man früher nicht im Traum darauf gekommen wäre, die Leistung eines Menschen zu würdigen, der stundenlang links herum im Oval herumdüst. Sicher, die Ausdauerleistung eines NASCAR-Piloten über den Verlauf eines stundenlangen Rennens verlangt gewisse körperliche Fitness. Aber sie verlangt beim besten Willen nicht annähernd so viel Geschick und Talent wie die eines Weltklassetennisspielers. Von den besonderen Qualitäten eines Roger Federer gar nicht zu reden. Man darf davon ausgehen, dass hier genauso wie bei Sports Illustrated schlichtweg die nationalistischen Interessen den Ausschlag geben und nicht sportanalytische Intelligenz. Natürlich kann man auch über Johnson eine Menge Gutes sagen, nicht zuletzt, dass er in den letzten vier Jahren den Sprint Cup gewonnen hat, also eindeutig der beste Pilot der Serie ist. Aber bis zu der Chase-Phase hatte er in diesem Jahr ganze drei Rennen gewonnen (von 24). Das sah nun wirklich nicht überragend aus. Wenn Federer so schlecht abschneiden würde, wäre allenfalls Zehnter der Weltrangliste. So streng sind im Tennis die Bräuche.

Zahnschmerzen

Es ist eigentlich ein merkwürdiges Testat für die Qualitäten des besten europäischen Basketballspielers, wenn seine Mannschaft an einem Tagen gegen die Cleveland Cavaliers gewinnt, an dem er pausieren muss. Aber das hatten wir schon. Einer der Gründe für solche kuriosen Resultate ist: Top-Teams wie die Cavaliers sind keine Roboter-Versammlungen. Sie haben in einer langen Saison wie der in der NBA einfach hin und wieder ihre schlechten Momente. Ein anderer allerdings ist, dass die Mannschaften gegen die Dallas Mavericks seit Jahr und Tag vor allem einen taktischen Ansatz pflegen: Dirk Nowitzki lahm legen. Wenn der nicht da kurzfristig nicht auf dem Platz steht, dann wissen die Gegner nicht gleich, wie sie sich auf eine solche Situation einstellen sollen.

Nowitzki fehlte aufgrund eines Zusammenpralls im Spiel gegen die Houston Rockets, bei demer auf dem Weg zum Korb seinem unmittelbaren Gegenspieler Carl Landry den Ellenbogen ins Gesicht gehämmert hatte. Mit dem Ergebnis: Landry brachen fünf Zähne ab. Zwei davon steckten anschließend in Nowitzkis Arm. Sie wurden noch in der Halle herausoperiert und die Wunde mit drei Stichen genäht. "Ich habe zu werfen versucht. aber es tut einfach zu weh", sagte die Nummer 42 41 nach dem Zwischenfall. Wie lange er aussetzen wird, steht noch nicht fest.

17. Dezember 2009

Vinny ist weg

In den Jahren, ehe er bei den Washington Redskins als Manager die Verantwortung für den sportlichen Erfolg eines der grandiosen alten Clubs in der NFL übernahm, hatte Vinny Cerrato andere Ambitionen: Er betätigte sich als Filmschauspieler – in einem grotesken Kinowerk names Kindergarten Ninja. Seine Mitdarsteller waren ganz offensichtlich ebenso hölzern und ungeschult wie er, wie man in einem Ausschnitt nachvollziehen kann, den Washington-Post-Blogger Dan Steinberg ausfindig machte und bei YouTube ablieferte. Aber während Cerratos Kollegen der Sprung ins Rampenlicht von Hollywood nicht gelang, kam er in den Jahren danach später voll zur Geltung. In der Washingtoner Inszenierung des Klassikers Dumb and Dumber, einer merkwürdigen Regieleistung, wenn man bedenkt, wieviel Geld er und sein Arbeitgeber, der Teambesitzer Dan Snyder, in die Produktion gesteckt haben.

Zu Snyders Stil im Umgang mit einer Footballmannschaft, Trainern, den Medien und vor allem den Fans gab es vor ein paar Wochen schon eine ausführliche Geschichte in der FAZ („Der schlimmste Klubbesitzer aller Zeiten“). Dies ist die Nachricht über den ersten bemerkenswerten Kollateralschaden der Entwicklung. Cerrato hat seinen Stuhl geräumt. Ton ab, Kamera ab, Action und Straße frei für Vinny, der in diesem Film einen Polizisten mimt, dessen Rollenname "Sarge" lautet. Viel Vergnügen.

Bengals Wide Receiver tödlich verletzt

Die frühen Spekulationen über seinen Tod auf Twitter wurden gestern abend wieder zurückgedreht. Aber sein Zustand war ernst. Sehr ernst. Heute morgen ist Cincinnati Bengals Wide Receiver Chris Henry an den Folgen von schweren Verletzungen gestorben. Die Umstände bleiben mysteriös. Der Football-Profi war – in Charlotte/North Carolina und nicht etwa in Ohio – Meldungen zufolge von der Ladefläche eines Pickup-Trucks gestürzt, auf die er kurz vorher zuhause aufgesprungen war. Am Steuer: seine Lebensgefährtin. Henry spielte zuletzt eine wichtige Rolle in der Leistungsexplosion der Bengals, die in der AFC zu den ernsthaften Konkurrenten der Indianapolis Colts um den Einzug in den Super Bowl gehört. Henry war zwischendurch wegen seiner zahllosen strafrechtlichen Probleme von einem Club entlassen worden, der wie kein anderer in der NFL Spieler anzuziehen schien, die in den Arrestzellen der Polizei landeten. Aber nach ein paar Monaten wurde er wieder verpflichtet. Zuletzt war er wegen eines in einem Spiel gegen die Baltimore Ravens erlittenen Armbruchs nicht im Einsatz. Zur Liste seiner Missetaten gehörten Waffen- und Körperverletzungsdelikte.

15. Dezember 2009

Pfuschen mit der Zentri-pfui-ge

Das hübsche an gründlichen Recherchen über die Arbeit von Ärzten: Sie werfen Licht auf ganz erstaunliche Reflexe, wie sie vermutlich auch in anderen Branchen existieren. Aber dort geht es meistens nicht um Leben und Tod. Man nehme den Fall des kanadischen Arztes Dr. Anthony Galea, der sich im Laufe der Jahre im Sportbereich eine beachtliche Reputation erarbeitet hat. Zur Zeit steht die vor allem aus einem Grund auf der Kippe: Er soll den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in seinem Heimatland zufolge den schmalen Grat zwischen gerechtfertigter therapeutischer Intervention und unmoralischer Leistungsmanipulation bei seinen Patienten überschritten haben.

Einen Tag später allerdings liest man in der New York Times, dass der Mann seinen guten Ruf womöglich gar nicht verdient hat. Denn zum Beispiel einer Reihe von Major-League-Baseballspielern, die sich bei ihm in Behandlung befunden haben, konnte er offensichtlich gar nicht helfen. Wir gehen aber mal davon aus, dass er seine teuren Rechnungen trotzdem liquidiert hat.

Wie wird ein Mann, der Leuten Blut abzapft, es durch eine Zentrifuge jagt und es als mit Plättchen-angereichertes Plasma in die verletzten und operierten Sehnen, Bänder und Muskeln injiziert, eigentlich zum Wunderdoktor? Wieso bestellt jemand wie Tiger Woods den Mann ins Haus und lässt ihn für teures Geld monatelang immer wieder einfliegen, wenn seine Methoden ganz offensichtlich keinen dauerhaften Erfolg produzieren konnten? Die Antwort auf eine solche Frage hat sehr viel mit dem Wirkungszusammenhang von Angebot und Nachfrage und dem von Public Relations und Reputations-Management zu tun. Es gibt keine Ärzte, die jedem bei jedem Leiden helfen können. Aber es gibt den Mythos des weißen Kittels, die bestens eintrainierte Verkaufsmasche von Medizinern, die nie allen alles versprechen, aber immer betonen, wie sehr sie es trotzdem versuchen.

Welche Alternativen hat der Hochleistungssportler denn auch, wenn er nicht seinem Körper mehr Zeit und vernünftige Ernährung gönnen will, um die im biologischen Bauplan verankerten Heilungsprozesse zu fördern? Soviele vermeintliche Wunderheiler gibt es selbst in den USA nicht. Und dort gibt es sehr viele ausgewiesene Spezialisten. Also lässt man sich bei der Entscheidung für den Sportarzt von anderen Dingen leiten. Zum Beispiel von einer Liste von Patienten, die ein erfolgreicher Arzt auf Anfrage vermutlich immer gerne Preis gibt. Dr. Galea zum Beispiel hat Alex Rodriguez betreut, ist der Mannschaftsarzt der Toronto Argonauts in der Canadian Football League, und er hat einen Praxispartner, der als Chiropraktiker in der Sportbranche einen Ruf wie Donnerhall genießt. Der kann einem notfalls auch Patienten ins Haus holen, so wie das im Fall von Tiger Woods geschehen sein muss, wenn die New York Times nichts falsch verstanden hat. "Enttäuscht von den Fortschritten bat im Februar Dr. Lindsay Dr. Galea, sich Woods anzuschauen. Der litt unter Larsen-Johansson-Krankheit [eine schmerzhafte Entzündungsreaktion des Ursprungs der Kniescheibensehne an der Spitze der Kniescheibe] und hatte Narbengewebe im Muskel entwickelt." Das sei üblich nach einer Außenband-Operation, meinte Dr. Mark Lindsay, der übrigens mit einer ehemaligen kanadischen Weltcup-Skifahrerin verheiratet ist und aus dem Teil der Welt sicher eine Menge über kaputte und geflickte Knie weiß. Und angeblich half der Schuß aus der Zentrifuge ja auch. Bis dann... irgendwann... doch nicht mehr.

Auch so etwas ist üblich: Denn tatsächlich gibt es für ärztliche Maßnahmen so gut wie keine Garantien. Erstens, weil die Diagnose oft nicht greift. Und zweitens, weil die Natur aus irgendeinem komischen Grund den Wissenschaftlern noch immer irgendwelche Schnippchen schlägt. Das wird dann meistens nur so gut wie nie den herumdokternden Ärzten aufs Butterbrot gestrichen. Weshalb es oft Jahre dauert, bis Kurpfuschern und Scharlatanen die Kundschaft davonläuft.

Immerhin scheint die Eigenblut-Injektion bestimmte Wirkungen zu haben, wenn auch womöglich nicht in dem Bereich der Gelenktherapie, in dem Dr. Galea sich seinen Namen gemacht hat. Sondern im Bereich der akuten, aber betrügerischen Form der Leistungsteigerung, die man aus Sicht der Sportethik gerne als Doping bezeichnet. Galeas Zentrifugalkräfte (und die seiner Kollegen) werden deshalb von der WADA beäugt.

Für 2010 gilt darum übrigens folgendes: Blood Spinning, wie die Behandlungsmethode üblicherweise genannt wird, ist verboten, wenn intramuskulär gespritzt wird. Andere Formen der Anwendung verlangen, dass die Sportler und ihre Ärzte der Dopingaufsicht dies mitteilen ("declaration of use"), um sich eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen ("therapeutic use exemption"). Eine solche Regelung besagt nichts anderes als: ja, die Methode wirkt – um zu dopen.

Das hat man auch von Tiger Woods vernommen, der sich dem gestrigen Bericht der Times nach der ersten Fixe ins linke Knie zufolge derart stark vorkam, dass er auf einen Tisch hätte springen wollen. Geheilt war er nicht, aber Energie hatte der Junge im großen Stil.

Advent, Advent, die Doping-Kerze brennt

Weil die New York Times und die New York Daily News gestern abend im Wettbewerb miteinander das Thema nach ganz oben gezogen und mit sehr vielen Hintergrundinformationen ausgestattet haben, gehen kurz vor Weihnachten erstmals ein paar Kerzen an, die Einblick in eine noch nicht besonders gut ausgeleuchtete Zone des Dopings geben. Wir reden von Doping mit zentrifugiertem und angereichertem Eigenblut. Und von einem Mittel namens Actovegin, das man aus Kalbsblut gewinnt und das den Sauerstofftransport im Körper stimuliert. Und von Wachstumshormonen.

Das ganze Reden zielt ab auf eine neue Figur im Zentrum des von Medizinern unterfütterten Athleten-Komplotts: auf den kanadischen Arzt Dr. Anthony Galea. Die ausführliche Darstellung der ihm zur Last gelegten Vorwürfe, die ihm eine Festnahme und eine Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft in Toronto eingehandelt haben, findet man auf faz.net und am Mittwoch in der gedruckten Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen. Eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstands wird heute abend im Deutschlandfunk zu hören sein. Interessante und vielleicht auch pikante Note: Die Querverbindungen zwischen Galea, seinem Praxispartner in Kanada, einem Chiropraktiker und dessen einstige Beziehungen zu BALCOs-Doping-Bemühungen um den ehemaligen 100-Meter-Weltrekordler und Lebensgefährten von Marion Jones: Tim Montgomery. Der war übrigens der erste Athlet, der lange vor Claudia Pechstein auf der Basis von Indizien und ohne Geständnis und ohne Testresultate gesperrt wurde. Inzwischen sitzt er eine fünfjährige Strafe wegen Heroinhandel ab.

Man sollte zwar nicht gleich so etwas wie "guilt by association" kreieren. Weder was Tiger Woods betrifft, der ohnehin schon ziemlich tief in der Tinte sitzt, nachdem sich die ersten Sponsoren von ihm distanzieren, weil ihnen das Medienecho auf seine außerehelichen Eskapaden nicht gefällt. Noch was den Chiropraktiker Mark Lindsay angeht. Aber die Informationen daüber, wer eigentlich wen kennt und wer wen fit macht, sind wertvolle Hilfen, um das Koordinatensystem zu verstehen, in dem Sportler (und Doper) wandeln.

In dem Zusammenhang als Lektüre ebenso zu empfehlen: Neue Hinweise zur Wiener Blutbank und den Ermittlungen, die in alle Himmelsrichtungen zeigen – auch nach Norden. Thomas Kistner hat den letzten Stand für die Süddeutsche zusammengetragen.

14. Dezember 2009

Vollmer vielseitig auf rechts und links im Einsatz

Sebastian Vollmer hat am Sonntag wieder ein gutes Pensum in der Offensive Line der New England Patriots abgeliefert. Und zwar, wie zu vermuten war, diesmal hauptsächlich auf der rechten Seite (aber mitunter auch auf der linken). Denn der Left Tackle, dessen Stammplatz er auf der linken Seite zwischendurch besetzt hatte, Matt Light, spielt nach einer Verletzung wieder. Vollmer hatte neulich eine Kopfverletzung erlitten, die ihn zum Aussetzen zwang. Was es genau war, ist noch immer nicht bekannt. Er kam am Sonntag in der ersten Hälfte gegen die Carolina Panthers erstmals zum Einsatz und machte einen besseren Eindruck als Starter Nick Kaczur. Nur einmal versemmelte er einen Angriffszug, bei dem es Quarterback Tom Brady an die Wäsche ging. Trainer Bill Belichick war zufrieden, mit der Rotation und dem Rookie, den er in der zweiten Runde gedraftet hatte: "Wir haben versucht, Sebastian wieder einzuarbeiten und das ist ihm mit einer einer guten Anzahl von Spielzügen gelungen."

11. Dezember 2009

Tiger Woods: Pause vom Golf

Freitagnachmittags, wenn das Wochenende heraufzieht, pflanzt man gewöhnlich jene Pressemitteilungen von denen man hofft, dass sie so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Das wird Tiger Woods nicht viel nützen, der heute zum ersten Mal "Untreue" zugegeben hat und bei der Gelegenheit eine zeitlich unbeschränkte Pause vom Golf ankündigte.

Der Mann, der gewöhnlich über einen enormen inneren Kontrollimpuls das Spiel auf dem Platz und sein Bild in der Öffentlichkeit zu steuern versuchte, hat offensichtlich beschlossen, dass es besser für ihn ist, diese zwei Terrains komplett aufzugeben und hinter den Kulissen zu arbeiten, um den Overkill zu bekämpfen, der ihn effektiv handlungsunfähig gemacht hat. Was an den Spekulationen dran ist, wonach er eventuell als Nächstes mit seiner Familie nach Schweden umzieht – ah, Winter in Schweden, wenig Tageslicht, aber viel Melancholie – wird sich zeigen. Theoretisch wollte die Familie eigentlich im Frühjahr die riesige neue Bleibe auf Jupiter Island beziehen, deren Bauarbeiten sich hingezogen haben.

Der nächste Schachzug wird wohl von den Werbepartnern ausgehen, denen es nicht viel bringt, wenn sie die Werbespots nicht zeigen können, für die sie ihn und seinen Namen eingekauft haben. Das Verhalten der Firmen wird sich unweigerlich auf den Schwebezustand auswirken, in dem sich der 33-jährige zur Zeit befindet. Natürlich hat er soviel Geld, dass er niemals in seinem Leben wieder arbeiten muss. Aber es dürfte nicht seinem Naturell entsprechen, einen solchen Schritt in Erwägung zu ziehen.

Der Anlass scheint gekommen, mal wieder in jenem Buch nachzublättern, mit dem ich vor etwas mehr als zehn Jahren die Figur Tiger Woods von allen Seiten betrachtet habe, und hinter dessen Siegen sich schon damals "die erstaunliche Geschichte einer Ausbildung zu einem neuen Beruf: der des Champions" verbarg. "Eine Geschichte, die verdeutlicht, was jemand mitbringen muss, wenn er als Angehöriger einer ethnischen Minderheit in eine Welt hineindrängt, die seinesgleichen bis dahin nur als Köche und Caddies kannte."

Dies ist eine Passage aus der Einleitung, die damals zumindest andeutete, was Tiger Woods bevorstand und die die jüngsten Entwicklungen bereits skizziert.

"Es wird der Tag kommen, und dann wird er es wissen. Er wird sich auf die Höhepunkte seiner Karriere besinnen und im Kopf noch einmal die wichtigsten Ereignise zusammenrechnen: die Siege beim Masters in Augusta, wo sein Stern im Frühjahr 1997 aufging, als wäre er der neue Elvis Presley. Und die Triumphe bei den anderen Majors, die in jedem Sommer den Höhepunkt des Golf-Kalenders bilden.
Er wird einen Strich unter die Resultate bei den Ryder-Cup-Begegnungen ziehen und sich an die Match-Play-Duelle mit den besten Europäern erinnern. Er wird die siebenstelligen Betraege überschlagen, die er jedes Jahr an Preisgeldern verdient hat, und dann mit der für ihn typischen Entschiedenheit Bilanz ziehen und erklären, wie das Fernduell mit den großen Legenden Jack Nicklaus, Bobby Jones und Ben Hogan ausgegangen ist. Ob ihm tatsächlich gelungen ist, wovon er als kleiner Junge geträumt hat: als bester Golfspieler aller Zeiten in die Sportgeschichte einzugehen. Oder ob seine Laufbahn durch den Druck der Erwartungen einer ganzen Nation in ein handlicheres Format zusammengepresst wurde und er sich in der Ruhmeshalle des Sports mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen muss.
Zu welchem Ergebnis er bei seinem selbstkritischen Rückblick auch immer kommen wird - wir werden es ebenfalls wissen. Denn mit seinem Erscheinen ist seine Sportart, die früher allenfalls eine Handvoll von Experten beschäftigte, zu einem Ereignis geworden, das die Massen interessiert... Bis allerdings feststeht, wie gut er wirklich ist, werden noch einige Jahre vergehen. Eine Zeitspanne, in der wir, während er die ganz normalen Höhen und Tiefen einer Sportler-Karriere durchläuft, gelegentlich darüber nachdenken werden, weshalb Tiger Woods eine Beachtung erhält, die gemeinhin nur Figuren zufällt, die der Welt etwas bedeuten - Wohltäter etwa, und Würdenträger, Wissenschaftler und Weltverbesserer.
Allein an seiner Art, Golf zu spielen, kann es nicht liegen. Sein eleganter Schwung und seine lockeren Bewegungen verleiten sein Publikum allenfalls dazu, sich für die romantische Idee zu begeistern, einmal im Leben das majestätische Gefühl zu spüren, das bei den großen Turnieren über solch exotischen Orten wie Augusta, St. Andrews oder Pebble Beach schwebt. Sein spielerisches Können inspiriert seine Zuschauer bestenfalls dazu, mit etwas mehr Tiefenschärfe in die Seele eines altehrwürdigen Spieles zu blicken. Ein Spiel, das heute, nachdem es vor Jahrhunderten an den Küsten von Schottland ein profanes Freizeitvergnügen für jedermann war, mit seinen ritterlichen Herausforderungen an die Charakterfestigkeit der Spieler, seinen mysteriösen Ritualen und dem kuriosen Vokabular so wirkt, als existiere in seinem Kern eine geheimnisvolle philosophische Erkenntnis.
Es muss etwas anderes sein als pure Sportbegeisterung, die die Begeisterung für den 22jährigen Tiger Woods ausgelöst hat und die alte Demarkationslinie zwischen den esoterischen Anstrengungen eines Profisportlers und dem Unterhaltungsbedürfnis der Gesellschaft ausradiert hat.
Tatsächlich wäre diese ungewöhnliche Resonanz nicht ohne eine Entwicklung möglich, die sich unaufhaltsam in Amerika ausbreitet, wo eine wachsende Zahl von Athleten, ohne sich je danach gedrängt zu haben, eine Rolle übernehmen, die einst von Politikern, Professoren und Pastoren versehen wurde. Sie setzen in einem System von Bildschnipseln und Tonhäppchen als neue Leitbilder Zeichen für eine Diskussion um Wertvorstellungen und philosophische Prinzipien. Sie sind, auch dann, wenn sie nicht viel reden und - noch schlimmer - nicht viel zu sagen haben, die Quasi-Ideologen einer neuen Zeit. Einer Epoche, in der demokratische Kulturen in allen sozialen Bereichen nach Leistungshierarchien suchen und sich nach Eliteförderung sehnen. Und in der Spitzensportler vorleben, wie einfach eine solche Gesellschaft funktionieren kann, wenn sie perfekt organisiert ist und den immensen Leistungsabraum aus Verlierern und Sportinvaliden geschickt verdeckt: Man spielt und kämpft, akzeptiert alle Regeln und ein paar moralische Grundsätze wie Fairness und Teamgeist und vertraut darauf, dass man sich auf diese Weise nach oben arbeitet.
Das Besondere an Tiger Woods: Er ist nicht nur ein idealer Prototyp für die soziologische Umschichtung. Er ragt gleichzeitig - als dunkelhäutiges Wunderkind, das sich über alle Benachteiligungen hinwegsetzen konnte, weil es sein Leben lang nichts anderes getan hat, als Golf zu spielen, aus ihr heraus. Und zwar in einer Weise, die ihn zum ersten ernsthaften Kandidaten dafür macht, die politische Entwicklung, die vor einer Weile in Amerika begann, in andere Teile der Welt zu tragen. Die Voraussetzungen sind günstig. Die Sportart, die er repräsentiert, ist international und hat einen elitären Beigeschmack. Er hat einen griffigen Spitznamen, einen multikulturellen Background, tadellose Manieren und ein gewinnendes Lächeln. An seiner Seite stehen weltweit agierende Werbepartner, die in Größenordnungen von Milliarden denken - und nicht zu vergessen, er besitzt eine unwiderstehliche Art, mit einem Golfschläger umzugehen.
Bis wir beurteilen können, welchen Einfluss ein Individuum wie Tiger Woods auf das Sozialgefüge im globalen Dorf hat und welchen Einfluss das Gefüge auf ihn, werden wir uns allerdings noch eine Weile mit den Teilen eines Puzzles benügen und mit Fragen beschäftigen, die niemand beantworten kann, wenn ein Athlet im Raketentempo zum Medien-Phänomen wird und zum Futter für die Instant-Kultur, die darauf angelegt ist, alle möglichen Reiz-Rezeptoren zu stimulieren, ohne sie je wirklich zu befriedigen...
...Wie stark sein Charakter ist, sich auch weiterhin in dem mächtigen Energiekreislauf aus Sport, Glamour und Werbung zu behaupten, kann niemand sagen. Auch nicht sein redegewaltiger Vater Earl, der das Talent förderte und formte. Idole zehren nicht von der Macht der Marketing-Mechanismen. Sie reflektieren die Stimmungsströmungen einer Welt, die nach neuen Identifikationssymbolen sucht und die ihre Vorbilder nur so lange akzeptiert, wie sie den Ansprüchen genügen."


Aus Tiger Woods – Charisma für Millionen, erschienen 1998 im Sportverlag.

Der Züricher Tages-Anzeiger schrieb bei Erscheinen in seiner Rezension: "Ein Buch, das dort beginnt, wo die Tages- und Fan-Berichterstattung aufhört..."

10. Dezember 2009

Die Moral der Tanz-Clowns

Die Tiger Woods Webseite tigerwoods.com wird ganz offensichtlich nicht von ängstlichen Betreibern überwacht. Sonst würden sich nicht seit Tagen unter einem älteren Beitrag über ihn und seine Reisen hunderte von Leuten mit hässlichen Kommentaren verewigen dürfen. Der Auslöser war die Frage eines Menschen und die Antwort dazu, in der Tiger Woods sich wie ein Briefkastenonkel gibt. "Ich kann mir vorstellen, dass es hart ist, von ihnen so weit weg zu sein, wo du jetzt Kinder hast", schrieb ein Rupert aus Houston. Worauf der Golfer mit den Worten reagierte: "Du hast total recht. Es ist sehr schwer geworden, Elin und die Kinder zurückzulassen. Und ich denke, das wird nur noch schwieriger." Solche Sätze sind ein gefundenes Fressen für ein Publikum, das jedes Wort des ehemaligen Mister Clean Image auf die Goldwaage legt.

Tiger Woods hat nicht viele Apologeten. Aber zumindest einer ist darunter, der wortmächtig genug ist, die gesamte amerikanische Medienmaschinerie zu attackieren. Jason Whitlock, der schon häufiger den Antagonisten heraushängen ließ, weist in einem ellenlangen und nicht wirklich kohärenten Text darauf hin, dass die Tatsache, dass Woods als Repräsentant des schwarzen Amerika (durch die Abstammungslinie seines Vaters, die Mutter kommt aus Thailand) vor allem darunter leiden muss, dass er eine weiße Frau und dazu noch eine Blondine geehelicht hat. Andernfalls wären seine Verfehlungen auf dem Niveau von Mike Tyson und seiner ersten Frau Robbie Givens abgehandelt worden und schnell abgehakt gewesen.

Wo Whitlock gut auf den Punkt kommt, ist in dem Vorwurf an die Adresse irgendwelcher selbsternannter Moralapostel aus den Medien, darunter auch Herm Edwards (Sohn eines schwarzen Armeeangehörigen und einer deutschen Mutter), die so tun, als gehe es wirklich darum, einem Menschen wie Woods das Gelöbnis zur Monogamie abzuverlangen (während der Rest der Welt nicht die Bohne nach diesem Standard lebt). Ganz zu schweigen von jenem völlig verzerrten Blick auf das Leben von Stars.

"Zu dem Zeitpunkt, als das Geld des Fernsehens und das Scheinwerferlicht dafür sorgte, dass ein 20-jähriger Athlet auf einen Schlag ein Millionär, ein Prominenter und eine Marke werden kann, wurden die Jordans, Peyton Mannings, Le Bron James, Roger Clemens, Tiger Woods und die Michael Phelps dieser Welt so etwas wie Jon Bon Jovi, Mick Jagger, George Clooney, LL Cool J, Brad Pitt, Britney Spears, Elizabeth Taylor und Robert Redford. Mit wievielen Frauen hat deiner Meinung nach Jagger in seiner besten Zeit gepennt? Sein Reichtum, sein Ruhm und sein Aussehen sind blass im Vergleich zu dem von Tiger." Mit anderen Worten: "Der typische Rock- oder Filmstar würde über Tiger lachen und seinen Sexualtrieb in Frage stellen, wenn der Golfer sich auf eine Zahl von 50 [Frauen] oder weniger seit seiner Heirat beschränlen würde und auf 500 in seinem gesamten nachpubertären Leben."

Wer hat hauptsächlich Schuld daran, dass so gut wie niemand in den amerikanischen Medien das Thema Woods auf eine kluge Weise bearbeitet? Der world wide leader in sports? "ESPN hat den Sportjournalismus umgebracht. Es hat unsere Besten und Intelligentesten angestellt und sie überbezahlt und sie mit Ruhm überschüttet und dabei viele von ihnen in Tanz-Clowns verwandelt, die nicht darauf vorbereitet sind, die Sportwelt zu analysieren, die sie angeblich behandeln."

Und dann zitiert Whitlock einen Soziologen, der sich an den Fall O. J. Simpson erinnert fühlt, in dem die weiße Ex-Frau eines der beiden Mordopfer war. Der meint, dass sich das weiße und das Geschäfts-Amerika sich betrogen fühlt, wenn ein Schwarzer mit Wohlstand und Privilegien versorgt worden ist und dann doch nicht dem übermenschlichen Image entspricht, dass seine Sponsoren von ihm entworfen haben.

9. Dezember 2009

Auf'm Bau

Die neue Videowelt, die sich langsam aber sicher online breit macht, führt bei klassischen Blättern und ihren Ablegern im Netz noch immer zu kuriosen Resultaten. Man nehme dieses Produkt des Guardian, der aus nicht näher erklärbaren Gründen eine Produktion übernommen hat, in der man die Baustelle des neuen Fußballstadions in Harrison außerhalb von New York bewundern kann. Nicht mal die Überschrift ergibt Sinn. Ein "erster Blick" auf die Arena ist es gar nicht. Den haben schon andere geliefert. Und fertig ausgebaut ist sie auch nicht.

Okay: Viele Leute bis hinauf zum Commissioner Don Garber von Major League Soccer stehen abwechselnd vor der Kamera und singen das Hohe Lied auf die neuen amerikanischen Arenen, die alle auf eine Größenordnung von knapp unter 30.000 Zuschauern ausgelegt sind, weil nichts die Begeisterung für eine Sportart stärker dämpft als Leere auf den Rängen. In den Stadien der NFL-Clubs (70.000 Plätze und mehr) wirken die US-Kicker denn auch jedes Mal auf verlorenem Posten. Noch schlimmer: Während der Football-Saison durften Spieler sich besoffen sehen an den Kreidestrichen der anderen Sportart. Für die Zuschauer war's ein Grauen.

Dass man im fernen England solche Stadienprojekte für nachrichtenwertig hält, muss denn aber doch überraschen. Es sei denn, man malt sich auf der Meta-Ebene die Konkurrenzsituation rund um die Bewerbung für die Austragung der WM 2018 aus, für die auch die USA ihren Hut in den Ring geworfen haben. Aber das wäre irgendwie noch kurioser. Denn weshalb sollten Blatters Buben die Veranstaltung nach dem Abstecher in Brasilien schon wieder nicht an eine Bastion in Europa geben, sondern an das Entwicklungsland Vereinigte Staaten?

Die Frage bleibt also unbeantwortet. Zumal man für das Video nicht auf Material aus dem Computer zurückgegriffen hat, das – wenn auch in Form einer Animation – zeigt, wie das lobgepriesene Ding am Ende tatsächlich aussieht. Deshalb hier das informative Video. Ist auch so etwas wie Propaganda. Aber wirkt irgendwie ehrlicher.

Jetzt offiziell: Danica zieht um

Danica Patrick will das Ganze.... hüstel, hüstel... langsam angehen lassen. Den Wechsel in die NASCAR-Rennwelt. Die laufenden IndyCar-Verpflichtungen lassen nichts anderes zu als einen Einstieg in die Nationwide-Serie. Einen Termin für einen ersten Start gibt es noch nicht. Wieviele Rennen sie bestreiten wird, steht auch noch nicht fest. Dafür aber gibt es ein Auto und – noch viel wichtiger – eine Nummer. Einen Chevrolet mit der Ziffer 7 und dem Sponsoren-Logo von GoDaddy.com, einem Domain-Händler, der seit einiger Zeit ihr Werbepartner ist. Demnächst mehr in diesem Theater.
Blick zurück: Publikumsschwund bei NASCAR
Blick zurück: Danicas erster und bisher einziger Rennsieg

8. Dezember 2009

Die Nationale Hybris League baut Potemkinsche Dörfer

Gary Bettman Press Conference
Zunächst denkt man ja, das H in NHL steht für die Sportart, die allen anderen Hockeyarten zum Trotz in Nordamerika bekanntlich nicht Ice Hockey heißt (sonst hieße der Laden, von dem hier die Rede ist, vermutlich NIL – wie die Zigarettenmarke mit dem parfürmierten Tabak). Aber je länger Gary Bettman als Commissioner am Ruder ist, wäre es wohl besser, bei dem Buchstaben an Hybris zu denken. Und an Hohn. An Hackenschuss. Und an Holy Shit. Hier der neueste Beleg für die realitätsferne Betrachtungsweise jenes Herrn, der über Wohl und Wehe einer darbenden Liga wacht: Er will nicht etwa kranke Clubs wie in Phoenix, Tampa, Columbus oder Nashville umquartieren in Städte, die sich über Zuwachs freuen. Nein, die jetzigen Standorte sollen alle ihre Minusmacher behalten und durchfüttern. Wenn Winnipeg und Quebec City neuerdings wieder Lust auf Profi-Eishockey der ersten Kategorie haben sollten, dann würde die Liga einfach ausgebaut. Von jetzt 30 Teams auf eine ungenannte höhere Zahl.

Das klingt lachhaft, wenn man sieht, was für einen Fernsehvertrag die NHL auf die Beine bekommt, bei dem pro Club nur sehr wenig hängen bleibt. Woher soll das Geld von rund 50 Millionen Dollar für die Gehälter pro Saison aber kommen, um die schnellen Jungs aus Europa zu bezahlen, ohne die man in Nordamerika kein attraktives Eishockey auf die Beine bekommt? Und wenn das Fernsehen nicht zahlt, dann braucht man Zuschauer in der Arena. Ich war letzte Woche bei einem Heimspiel der New Jersey Devils in der neuen Halle in der Innenstadt von Newark. Angeblich wurden für das Match gegen die Vancouver Canucks um die 13.000 Karten verkauft (von 17.600). Wenn man sich genau umschaute, saßen bestenfalls 10.000 in den Rängen. Die Stimmung war entsprechend.

Abgesehen davon wirken insbesondere die Anstrengungen der russischen Liga KHL wirkungsvoll genug, um der NHL gute Spieler abspenstig zu machen oder sie gar nicht erst über den Atlantik zu lassen. Was die Liga braucht, ist ein Schrumpfungsprozess auf die vitalsten Städte des Kontinents, wo die Fans sitzen, die nicht nur in die Halle gehen, sondern auch Spiele im Fernsehen verfolgen. Alles andere ist ein Potemkinsches Dorf. Und das sieht in der Bettman-Optik so aus: Das Geschäft verläuft in Zyklen. Und Teams in Anaheim, Dallas, Tampa, North Carolina hätten in den letzten Jahren den Titel gewonnen, also in Städten, in denen es entweder nie oder so gut wie nie schneit. Ja, wenn das so ist... Wie wär's mal mit Meisterschaftserfolgen in Toronto, Edmonton, Calgary und Chicago? Würde das nicht die Fans wirklich entzücken?

7. Dezember 2009

"Eine giftige Kombination"

Die New York Times beschäftigt sich mit dem SSV Ulm, um dem Wettskandal im deutschen Fußball auf die Schliche zu kommen. Man könnte also sagen: Das Thema zieht weite Kreise. "In den unteren Ligen sorgt eine giftige Kombination aus hohen Erwartungen, bescheidendem Erfolg und erstaunlich niedriger Bezahlung dafür, dass die Spieler in Deutschlands 33 Clubs der Regionalgruppen Zielscheiben für Bestechung sind", schreibt die Zeitung.

Im jüngsten Ballpodder-Podcast haben wir versucht, diese Mischung etwas genauer zu betrachten. Interviewpartner: dogfood von allesaussersport.de und gses von rasenschach.eu. In einem separaten Gespräch mit Probek geht's um Bayern München. Er ist auch der Gastgeber der Podcast-Ausgaben. Link.

4. Dezember 2009

Vollmer trainiert wieder

Sebastian Vollmer steht vor dem nächsten Spiel der New England Patriots gegen Gruppenrivalen Miami Dolphins noch immer als "fraglich" in der Verletztenliste seiner Mannschaft. Aber kehrte inzwischen zum Training zurück. Es gibt keine Informationen darüber, welche Verletzung er hatte. Es darf allerdings angenommen werden, dass es sich um eine Gehirnerschütterung handelt. Und dass er aufgrund einer neuen strengen Regelung der NFL zum Schutz der Spieler zu einer Pause gezwungen wurde. Gehirnerschütterungen und deren Folgeschäden für die Gesundheit der Footballprofis wurden in dieser Saison erstmals intensiv thematisiert. Liga- und Gewerkschaftsvertreter waren sogar zu einem Hearing im Kongress geladen, bei dem auch Mediziner aussagten. Die Begegnung war ursprünglich als Monday Night Football-Termin geplant, wurde aber von der Liga auf den regulären Sonntagstermin vorgezogen.

Iversons Comeback: Ganz emotional

Allen Iverson kehrt nach Philadelphia zurück und gibt eine denkwürdige Pressekonferenz, bei der er von seinen Gefühlen übermannt wird und ihm stellenweise den Tränen nahe die Stimme beinahe versagt. "Die Beziehung die ich zu diesen Fans habe, ist einmalig", meinte er über das Gefühl, das ihn mit den 76ers und dem dortigen Umfeld verbindet. Mit dem Team war er viermal der erfolgreichste Korbschütze der regulären Saison und erreichte in seinem besten Jahr die NBA-Finalserie.

"Die letzten Jahre waren Hölle. Alles , was ich wollte, war Basketball spielen und den Jungs helfen, mit denen ich spiele. Ich bin geboren worden, um Basketballspieler zu werden. Das einzige, was ich sonst noch kann, ist Vater und Ehemann zu sein. Ich bin nicht zurückkgekehrt, um mich zu blamieren. Ich werde das beweisen."
Blick zurück: Vor einem Jahr wurde Iverson von den Denver Nuggets an die Detroit Pistons abgegeben
Blick zurück: Gedanken zum Wechsel von Philadelphia nach Denver

"Der ganze Respekt ist weg"

Man bekommt irgendwann ein Gefühl von information overload, wenn man sich ständig mit den Entwicklungen und neuesten Enthüllungen rund um Tiger Woods beschäftigt. Nachdem die eigentliche Frage geklärt scheint, wenn auch nur durch durchgesickerte Hinweise der beteiligten Frauen und eine vage formulierte Stellungnahme seitens Woods, möchte man sich wieder anderen Dingen zuwenden. Sex unter dem Einfluss der verschreibungspflichtigen Einschlafhilfe Ambien? Wer will das wissen? Sex drei- oder sogar viermal pro Nacht in einer 5000 Dollar pro Nacht teuren Villa mit eigenem Swimmingpool, eigenem Fitness-Studio auf dem Gelände des Bellagio-Hotels in Las Vegas? Was ist daran so faszinierend? Gerüchte über teure Geldversprechen an die Noch-Ehefrau und eine Überarbeitung des Ehevertrages, um das Gesicht zu retten? Wollen wir das wirklich so genau dargelegt bekommen?

Eigentlich sollte man den ganzen Fall wie Jesper Parnevik sehen, jener eigenwillige schwedische Golfer, der in seiner besten Zeit Zweiter der British Open und im Ryder Cup eine richtige Turbine der europäischen Mannschaft war: Er und seine Frau hatten Elin Nordegren als Au-Pair-Mädchen beschäftigt und sie mit Woods bekannt gemacht. Parnevik, der zur Zeit in der Q School in Florida um die Tourkarte kämpft, sagte ohne viel Drumherum: "Wir haben wohl gedacht, dass er er in besserer Typ ist, als er wirklich ist." Die Parneviks würden sich deshalb am liebsten bei Nordegren entschuldigen. Hier seine Aussage vor der Kamera des Golf Channel:


Parnevik: "Der ganze Respekt, den ich für ihn hatte, ist weg."

2. Dezember 2009

Die Stimme des besorgten Ehemannes

Wenn das so weitergeht, müssen wir hier noch den Tiger-Woods-Live-Blog eröffnen. Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen. Nachdem die Polizei die Sache gestern abgehakt hat, kommt nun die erste Anrufbeantworter-Aufnahme auf den Markt: Woods erklärt seiner Freundin Jaimee Grubbs, die möge doch ihren Namen aus dem eigenen Telefon tilgen. Elin Nordegren habe sich im Anrufverzeichnis seines Apparates umgeschaut und würde womöglich alle verdächtigen Nummern anrufen. Er klingt nicht halb so cool wie auf den Pressekonferenzen.

(via The Big Lead)

Nachtrag: Der Tonbandaufnahme, deren Echtheit wohl nicht zu bestreiten war, folgt das rasche verschleierte Geständnis eines kleinlauten Superstars, der um sein Image fürchtet:

"I have let my family down and I regret those transgressions with all of my heart. I have not been true to my values and the behavior my family deserves. I am not without faults and I am far short of perfect. I am dealing with my behavior and personal failings behind closed doors with my family. Those feelings should be shared by us alone."

PR-taktisch gesehen ist das der erste Schritt, den weiteren Ausgrabungen der Boulevard-Medien in den USA die Energie zu nehmen. Prognose: Trotzdem werden wir in den nächsten Tagen noch eine Reihe von neuen Geschichten zu hören bekommen. Und irgendwann werden wir uns wohl auch ausmalen können, an wieviel seidenen Fäden die Ehe zwischen Tiger Woods und Elin Nordegren hängt.

Nachtrag 2: Der Polizeibericht beschreibt die kurze Reise von Woods in seinem Cadillac durch die Nachbarschaft. Er hat auch eine Hecke gestreift.

1. Dezember 2009

Tiger Woods: Andere Frauen geben Affären zu

Die Polizei in Windermere scheint die Sache mit einem Knöllchen über 164 Dollar für den Autounfall abgehakt zu haben. Der Verdacht einer Attacke der Hausfrau, bei der der Ernährer eine butige Unterlippe davontrag, wird nicht untersucht. Wo kein Kläger da ist auch kein Richter. Gut. Sieht nach Schlusstrich aus.

Aber, hoppla: Was ist denn das? Da kommt eine Frau aus dem tiefen Nebel des amerikanischen Beziehungsalltags hervor und sagt sinngemäß folgendes: Sie habe 31 Monate lang eine Beziehung zu Tiger Woods gehabt und nach Angaben des Magazins US Weekly zwanzigmal mit dem Ernährer gepennt. Jamiee Grubbs heißt die Frau, die vermutlich nur deshalb so lange für diese Enthüllungen gebraucht hat, weil unter dem Vertrag mit dem Magazin noch nicht die richtige Honorarsumme stand. US Weekly hat nicht nur die Aussage von Ms. Grubbs, sondern angeblich von Tiger Woods verfasste Schreiben und die Aufzeichung einer Aufnahme vom Anrufbeantworter, in der der Golfer angeblich eine Andeutung macht, dass die Hausfrau in Windermere den Braten gerochen hat.

Als ob das noch nicht genug wäre: auch Radar Online hat "mehrere andere Frauen" ausfindig gemacht, die ebenfalls sexuelle Beziehungen mit dem einst so unbefleckt wirkenden Weltmeister des perfekten Images gehabt haben wollen.

Weshalb wir an dieser Stelle gerne dieses Video verlinken, das irgendwo in Asien zusammengestrickt wurde und als Krönung eine Animation enthält, in der die Vorgänge aus der Nacht zum Freitag auf eine Weise rekonstruiert wurden, von der man sagen möchte: Ja, so muss es gewesen sein. Die Hausfrau hatte die Nase voll von den Geschichten und rastete aus.

Wenn man seinen Ärger am eigenen Torwart auslässt

Jetzt sind die Torleute in der NHL nicht mal mehr vor ihren eigenen Verteidigern sicher:

Thomas Vokoun von den Florida Panthers kassiert zuerst einen Treffer, weil er den frei herumliegenden Puck nicht orten kann, und danach einen Schlag von seinem Mannschaftskameraden, der ziemlich sauer gewesen sein muss (via Deadspin). Vokoun musste vom Eis getragen werden und erlitt eine Schnittwunde am Ohr. yahoo sports erinnert in dem Zusmamenhang an einen ähnlichen Fall aus dem Mai, als bei den Montreal Canadiens der Haussegen schief hing. Da war Tomas Surovy gegen Tormann Jaroslav Halak tätlich geworden. Nach dem achten Tor.

30. November 2009

Wie man sich lächerlich macht

Die einstmals ziemlich angesehene Sportzeitschrift Sports Illustrated arbeitet seit Jahren an einem Sinkflug, der nur zum Teil auf die Anziehungskraft des Internets zurückzuführen ist. Und auch nur zum Teil auf die Anstrengungen von ESPN, wo man mit einem zweiwöchentlich erscheinenden Magazin der wöchentlich publizierenden Konkurrenz auf den Fersen ist. So wie der Spiegel nie von Focus ernsthaft in Sachen journalistisches Angebot in die Enge getrieben wurde, sondern zu seinem eigenen größten Feind wurde, so hält man es auch bei SI: Was man selbst erledigen kann, das tut man. Und sei es die eigene Entleibung. Seppuku auf Raten, ganz stilvoll und ganz langsam. Wenn auch allerdings ohne den Charme der japanischen Samurai-Tradition, wo man mit dem Selbstmord im gesellschaftlichen Kontext seine Ehre wiederherstellen konnte.

Solche Selbstvernichtungsmechanismen ziehen in Redaktionen ein, sobald sie die wichtigste Währung ihres eigentlich überflüssigen Produkt ignorieren: ihre Relevanz. Im Fall von Sports Illustrated lässt sich das an einem simplen Beispiel zeigen. Da bemüht man sich seit ein paar Jahren, dem quer durch alle Sportarten betrachtet erfolgreichsten Athleten unserer Zeit den Titel "Sportler des Jahres" NICHT zu geben. So wurde in jenem Jahr, als die Miami Heat die Dallas Mavericks die NBA-Meisterschaft aus den Händen rissen, ein gewisser Dwayne Wade mit dieser Auszeichnung bedacht. Dann musste es unbedingt Brett Favre sein. Zwischendurch sah man sich genötigt, Schwimmer Michael Phelps zum Top-Mann des Jahres auszurufen. Und in diesem Jahr hat man auch wieder einen Pappkameraden gefunden: Derek Jeter von New York Yankees. Derek f...ing Jeter???

Irgendwo in der Internet-Walachei von si.com hat Redaktionsmitglied S. L. Price sanften Widerspruch deponieren dürfen. Es ist die simple Begründung dafür, weshalb man irrelevant wird, wenn man einen der besten Sportler aller Zeiten nicht würdigt. Schon gar nicht in dem Jahr, in dem er durch weitere Grand-Slam-Erfolge seinen Status zementiert hat.

29. November 2009

Der Klingelbeutel: Wendekreis des Hydranten


Die Aufzeichnung des Notrufs in Windermere/Florida wurde herausgegeben, durch den die Polizei und Ambulanz alarmiert wurde, nachdem Tiger Woods mit seinem Cadillac in der Nacht zum Freitag gegen einen Baum gefahren war. Der Name des Golfers wird in dem Telefonat nicht erwähnt. Der Name des Anrufers wurde ausgeblendet. Der Wagen sah an dem Abend übrigens so aus: Nicht so kaputt, dass man die hinteren Scheiben mit einem Golfschläger zertrümmern musste, um den Fahrer aus dem Wagen zu helfen.

• Rachel Uchitel ist nach Los Angeles geflogen und hat sich eine Anwältin genommen. Und zwar eine berühmte mit Namen Gloria Allred. Das sieht nach mindestens einer Klage gegen den National Enquirer aus, der die Geschichte mit der Tiger-Woods-Affäre in die Welt gesetzt hatte.

• Tiger Woods hat zwar erneut abgelehnt, mit der Polizei zu sprechen und statt dessen einen Anwalt an die Tür geschickt, wo der den Führerschein und den Versicherungsnachweis vorlegte und damit das Minimum an Kooperation an den Tag gelegt, das in Florida bei Verkehrsunfällen verlangt wird. Aber er hat sich zumindest an die Öffentlichkeit gewandt. Zitat: "Diese Situation ist mein Fehler. Und sie ist offensichtlich für meine Familie und mich beschämend. Ich bin ein Mensch. Und ich bin nicht perfekt. Ich werde ganz sicher dafür sorgen, dass dies nicht noch einmal passiert." Die Stellungnahme wurde auf seiner Webseite tigerwoods.com publiziert und ist nicht mehr als ein durchsichtiger Versuch, den Sachverhalt nicht aufzuklären. Deshalb sehr zu empfehlen: die neueste Kolumne von George Vecsey in der New York Times, die Woods unmissverständlich vorhält, dass er sein Image mit seinem Verhalten "geradewegs ins Rough, zwischen die Bäume und in den Teich" schießt: "Er sieht wie ein Mann aus, der etwas zu verbergen hat."

• Sein Privatleben hat Tiger Woods schon immer extrem gehütet (wir erinnern an folgenden Fall, für den der Schiffbauer seiner Yacht namens Privacy am Ende 1,6 Millionen Dollar an den Golfer zahlen musste). Aber hin und wieder dringen ein paar Dinge durch. Zum Beispiel seine Sonderwünsche auf Flugreisen: Er mag Bagels mit Erdnussbutter geschnittenen Bananen, ist allergisch gegen Knoblauch, verlangt nach Spielkarten und nach Action-Filmen zur Ablenkung. Seine Frau Elin hätte gerne Fiji-Wasser und ist auch beim Tee wählerisch: Earl Grey soll's schon sein (und zwar mit Honig).

• Der Artikel in der Montagausgabe der FAZ, der den Wissensstand vom frühen Sonntag zusammenfasst.

• Die bewachte Privatsiedlung Isleworth in Windermere außerhalb von Orlando, in die Woods zog, nachdem er Profi wurde, und die er auswählte. weil dort sein lebensälterer Freund Mark O'Meara lebte, ist normalerweise kein Schauplatz für spektakuläre Ereignisse. Das liegt an den Bewohnern, zu denen viele Profigolfer gehören und wohlhabende Athleten aus anderen Sportarten (einst wohnte hier auch Shaquille O'Neal, als er für die Orlando Magic spielte). Aber im September wurde die Ruhe erheblich gestört. Häusliche Gewalt von der ganz brutalen Sorte: Ein Mann brachte seine Frau mit einem Kopfschuss um. Akuter wirtschaftlicher Druck mag eine Rolle gespielt haben: Der mutmaßliche Täter soll seine monatliche Hypothek von knapp 17.000 Dollar nicht mehr bezahlt haben. Das Haus stand für 5,2 Millionen Dollar zum Verkauf. In Isleworth sind so einige Hütten auf dem Markt. Diese Seite hat Bilder und nennt Preise.

28. November 2009

Vollmers Kopfverletzung: Belichick schweigt

Sebastian Vollmer hat sich am Sonntag im Spiel der Patriots gegen die Jets verletzt. Er kehrte zwar nach einer Pause auf den Platz zurück. Aber seit Montag hat man ihn nicht mehr beim Training gesehen. Der offizielle Report des Clubs spricht von einer Kopfverletzung. Trainer Bill Belichick ließ sich am Samstag bei der Pressekonferenz nach dem letzten Training vor der Abreise nach New Orleans (am Montagabend findet dort die Begegnung gegen die noch ungeschlagenen Saints statt) nicht abringen, was den deutschen Footballprofi plagt. "Es ist das, was in dem Verletzungsbericht steht", sagte er und lächelte dabei. "Ist das eine Hilfe?"

Natürlich ist es keine. Aber so sind die Verhältnisse in der NFL (und auch in anderen Ligen wie der NHL). Die Mannschaften müssen keine genauen Angaben machen, nur sagen, ob der Einsatz eines verletzten Spielers wahrscheinlich oder fraglich ist. Das sind keine Informationen für den Gegner oder die Fans, sondern für die Buchmacher. Denn das gehört zu den Grundsätzen in der National Football League, dass man den Zockern gerne so weit entgegen kommt wie möglich.

Zurück zu Vollmer, der bereits in seiner ersten Profi-Saison in der Abwesenheit des verletzten Matt Light durch pure Leistung seinen Anspruch auf einen Stammplatz auf der Left-Tackle-Position unterstrichen hatte. Es spricht vieles dafür, dass er eine Gehirnerschütterung erlitten hat und dass man ihn wegen der neuen Aufmerksamkeit für solche medizinischen Probleme und der Gefahr für Dauer- und Spätschäden lieber schont. Light trainierte in dieser Woche zum ersten Mal.

Frau Woods ist aus anderem Holz

Es gab da in diesem Hause schon vor ein paar Tagen den Verdacht, dass die Nachricht von der angeblichen Tiger-Woods-Liaison mit einer New Yorkerin nicht auf kleiner Flamme weiterkochen würde. Aber dass es gleich im Krankenhaus enden würde, war nun wirklich nicht zu erwarten. Wieder unter Vorbehalt, aber überhaupt nicht auszuschließen: Die Klatsch-Webseite tmz.com hat folgende Version der Ereignisse in der Nacht zum Samstag in der Reichenenklave Isleworth außerhalb von Orlando zusammengestöpselt: Demnach hat sich der Golfer die Gesichtsverletzungen, von denen gestern die Rede war, nicht beim Zusammenstoß mit einem Baum zugezogen, sondern die wurden ihm angeblich von seiner Gattin bei einem Disput zugefügt. Und die Information, wonach die gute Dame ihn dadurch gerettet habe, dass sie mit einem Golfschläger ein Fenster zertrümmerte (angeblich weil Woods anders nicht aus dem Auto zu befreien war), bekommt jetzt auch einen anderen Dreh. Demnach sei Elin Nordegren ihrem Ehemann mit besagtem Schläger in der Hand hinterher gelaufen und habe schlecht gelaunt das Auto attackiert. Der Angriff wiederum habe den besten Golfer der Welt beim Fahren aus dem Konzept gebracht. Folge: grobe Fahrfehler wie das Zertrümmern eines wehrlosen Hydranten am Straßenrand und die Bruchlandung am Baum.

Vielleicht werden wir irgendwann den Ablauf der Ereignisse offiziell mitgeteilt bekommen. Aber bis dahin wirkt das wie eine ziemlich sinngerechte Interpretation der Faktenlage. Jede andere hingegen – wie etwa, dass jemand aus seiner eigenen Einfahrt herauskommt und einfach nicht weiß, wo die Straße ist und mit weniger als 50 km/h derart herbe gegen einen Baum fährt – eher dünn. Zumal niemand die Frage beantwortet hat: Was hatte Tiger Woods eigentlich nachts um 2:30 Uhr vor, als er ganz allein sein Haus verließ? Einfach nur den Cadillac spazierenfahren? Oder ein Kaltgetränk am Convenience Store kaufen? Der gleiche Tiger Woods, der gewöhnlich früh abends ins Bett geht und morgens um 6 Uhr Richtung Fitness-Studio marschiert?

P.S. Inzwischen gibt es mehrere Stellungnahmen von Rachel Uchitel, die zur gleichen Zeit im selben Hotel in Melbourne war wie Tiger Woods, in denen sie eine Affäre mit dem Golfer kategorisch dementiert.
Blick zurück: Die Nachricht über den Verdacht auf Seitensprung
Blick zurück: Familienangelegenheit – Tiger nicht zur Taufe

27. November 2009

NASCAR laufen die Zuschauer davon

Nascar
Es sieht weiterhin eher trübe aus in der NASCAR-Welt. Vor allem bei den Fernsehübertragungen, wo der Abschwung in den Einschaltquoten querbeet durch alle Sender, die Rennen live übertragen (Fox, TNT, ABC) anhält. Es sind keine dramatischen Zuschauerverluste, aber sie sind deutlich genug, um den Verdacht zu nähren, dass diese uramerikanische Automobilserie den Zenit überschritten hat. Jahrzehntelang standen alle Zeichen auf Wachstum. Das galt für die Zahl der Schauplätze, das Fassungsvermögen der Rennstrecken, die geographische Ausdehnung aus dem Süden in alle Himmelsrichtungen und für die Einnahmen aus den Sponsorentöpfen. Es schien so, als hätten sie in Daytona im Hauptquartier des Familienunternehmens das von einem Otto-Motor betriebene Perpetuum mobile gefunden. Tatsächlich hatten sie nichts anderes gefunden als das Patentrezept, um einem vorwiegend weißen Publikum eine Sportart zu offerieren, in dem die Protagonisten anders als im Basketball und Football nicht schwarz sind.

Aber solches Wachstum sorgt für Sättigung. Besonders wenn der populärste Fahrer – Dale Earnhardt jr. – nicht gewinnt und wenn die Autos einen technologischen und stilistischen Standard repräsentieren, der irgendwo zwischen den siebziger und den achtziger Jahren stehen geblieben ist. Alle auflackierte Farbenpracht der Fahrzeuge mit ihren Firmenlogos und alle noch so große Bereitschaft der Fahrer und ihrer Teams, sich Fans und Medien gegenüber stets freundlich und zuvorkommend zu verhalten, reicht irgendwann nichts mehr aus, zusätzliches Interesse anzustacheln. Und natürlich hilft es NASCAR nicht, wenn die amerikanische Autoindustrie so aussieht, als ob sie die Fabriken zumachen muss, weil sie keine ansprechenden Fahrzeuge entwickelt. Gute Metakommunikation ist das nicht.

Die ersten Anzeichen für die Baisse kamen mit den exorbitanten Benzinpreisen des Jahres 2008, als es viele Zuschauer zuhause hielt, weil sie sich die Trips zu den Rennstrecken nicht mehr leisten konnten. Was die eigentliche Ironie der Geschichte ist, dass ausgerechnet die Mineralölfirmen und die Spekulanten hinter ihnen als Steigbügelhalter eines Trends arbeiteten, die ihren eigenen Interessen zuwider läuft. Aber das sehen wir in diesem Wirtschaftssystem häufiger, dass die Profiteure nie wissen, wann sie auf die Bremse treten müssten, um nicht selbst zu Schaden zu kommen (Stichwort: die an Wall Street hochgekochte jüngste Finanzkrise). Das Minus beim Live-Publikum hätte den Abfall der Einschaltquoten der Fernsehsender aufhalten können. Fans, die zuhause bleiben, würden ja normalerweise die Glotze einschalten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Das mag so sein. Wenn ja, dann haben sich andere Publikumsgruppen abgewendet. Vermutlich also jene Peripherie- und Schönwetter-Zuschauer, die sich nicht wirklich für eine Sportart interessieren, sondern nur für den Unterhaltungswert, den sie abwirft.

Die werden vielleicht für kurze Zeit wiederkommen, wenn Danica Patrick am Steuer eines NASCAR-Autos sitzt. Denn sie wird jene vordergründig interessante Medienaufmerksamkeit auslösen, die sich kurzfristig in eye balls auswirken wird. Aber wenn die Frau genausowenig an Erfolg auf die Beine stellt wie in der Vergangenheit, normalisiert sich das schon bald wieder.

26. November 2009

Happy-Gilmore-Golfschwung vor Gericht


Adam Sandler hat in seiner Komödie Happy Gilmore einen Abschlag beim Golf vorgeführt, der verheerend aussieht, aber dem Ball durchaus mehr Fahrt mit auf den Weg geben kann. Getestet wurde diese Hypothese schon vor einer Weile von einem Team der amerikanischen Fernsehsendung Sports Sciene, die dafür den Iren Padraig Harrington gewinnen konnte. Sein Fazit: Ja. Mit dem Anlauf steigt das Schwungtempo. Der Distanzgewinn liegt bei etwa zehn Prozent. Harrington will die Technik trotzdem nicht in sein Spiel einarbeiten. Er macht sich Sorgen vor einem Verlust an Präzision. Die Fairways bei den Profi sind schließlich gertenschlank.

Und was ist mit den Amateuren? Zu der Frage hat sich ein kanadischer Richter in der Provinz Nova Scotia zu Wort gemeldet, der einen Fall zu verhandeln hatte, bei dem es um die Verletzung eines Mitspielers und Schadenersatz ging. Die Antwort: Amateure sollten, besonders dann, wenn sie auf dem Platz auch noch sehr dem Alkohol zusprechen wollen, es lieber beim klassischen Schwung belassen, weil sie andernfalls das Risiko für andere größer wird. Verboten ist der Gilmore-Schlag übrigens nicht. In den Regeln des Golfspiels wird nur festgelegt, dass sich der Ball vor dem Kontakt mit dem Schläger nicht bewegen darf. Wie sich der Spieler bewegt, um den Ball zu bewegen, ist ihm freigestellt (via Huffington Post)

Eitel ja, Freude nein

Rund um die Entscheidung von Allen Iverson, seine Karriere als NBA-Spieler zu beenden, kreiste gestern eine hübsche Petitesse aus dem von vielen eitlen Menschen durchsetzten amerikanischen Sportmedienalltag. Im Mittelpunkt des Vorgangs: der Sportjournalist Stephen A. Smith, der einst als Kolumnist beim Philadelphia Inquirer unter Vertrag war und seinen beruflichen Aufstieg weniger seiner – eher beschränkten – Kapazität als Schreiber zu verdanken hat, sondern seinen hervorragenden Beziehungen zu den Philadelphia 76ers während der Iverson-Periode.

Seine Laufbahn, die viel damit zu tun hat, dass Smith im Fernsehen mit seiner scheinbar beredten Art und seinem ungebrochenen Selbstbewusstsein ganz gut einen scheinbar durchblickenden Experten gibt, katapultierte ihn von dort aus bis in die höheren Hemisphären von ESPN. Dort bekam er seine eigene Talk-Show (Quite Frankly With Stephen A. Smith), die allerdings aus Mangel an Zuschauerinteresse wieder eingestellt wurde. Parallel lieferte er beim Inquirer immer noch Texte ab, wenn auch zunehmend aus der Ferne und offenbar hauptsächlich auf dem Blackberry getippt. Weil der Inhaltsquotient gegen Null ging, die Fehlerquote aber stieg, trennte sich die Zeitung abrupt von Smith, nachdem sie ihn zunächst zu einem normalen Reporter herabgestuft hatten.

Weil dieser Abschied nicht von den Tarifvereinbarungen mit der zuständigen Journalistengewerkschaft gedeckt war, musste der Verlag seinen teuersten Mann wieder einstellen. Aber seitdem streitet man sich über die Details des Arbeitsverhältnisses. Und so stellte Smith seinen Iverson-Scoop einfach auf seiner eigenen Webseite ins Schaufenster und ließ den Inquirer im Dunkeln.

Fernsehzuschauer einer Kabelsendung, in der er immer wieder Meinungsmacher für alles mögliche inklusive Politik und Barack Obama auftritt, erfuhren immerhin, dass Smith vermutet, dass Iverson sich das alles noch mal überlegt und vom Rücktritt zurücktritt. Allen ist schließlich erst 34 Jahre alt.

Smith über sich selbst in einem Flickr-Video.
Blick zurück: Ein erster Hinweis auf den "am meisten verlachten Sportschreiber des Landes"

Problemfall: Leistungsdruck

Womit junge Eishockeyspieler aus Europa zu kämpfen haben, wenn sie nach Nordamerika gehen: Leistungsdruck. Zitat aus einem Interview von Spox mit Sascha Goc, der inzwischen für die Hannover Scorpions spielt:

SPOX: Sie sprechen aus eigener Erfahrung. Sie wurden früh von den New Jersey Devils gedraftet, konnten sich aber nie richtig durchsetzen.

Goc: Stimmt, ich habe das alles am eigenen Leib erfahren. Ich war 19 Jahre alt, als ich rüber gegangen bin. Im Nachhinein denke ich mir, dass ich vielleicht lieber noch zwei Jahre hätte warten sollen. Der Schritt in die USA ist schon gewaltig. Da gibt es so viele gute Spieler, die in die Mannschaft wollen. Einen derartigen Leistungsdruck ist man als junger deutscher Spieler überhaupt nicht gewöhnt. Die Kanadier kennen das schon aus der Jugend. Um dagegen anzukommen, sollte man schon eine gewisse Reife besitzen

25. November 2009

Tiger Woods: Wo die Liebe hinfällt

California v Stanford
Der National Enquirer hat es am liebsten, wenn er schmuddelige Enthüllungen auftischen kann. Was wohl daran liegt, dass die Zielgruppe des wöchentlich erscheinenden Blatts in die Millionen geht und sich an den Schmuddelgeschichten der Prominenz ergötzt. Immer nach dem Motto: Sind auch nur Menschen. Die meisten Meldungen verweisen auf anonyme Quellen, aber sie haben besonders bei richtigen Stars eine ziemlich hohe Trefferquote. Will sagen: die Pikanterien werden durch aufwändige Recherchen abgesichert.

Und mit dieser Vorbemerkung widmen wir uns ganz kurz dem Privatleben des besten Golfers der Welt, dem die Klatschpostille eine außereheliche Affäre nachsagt. Mit Bildern von der anderen Frau. Er heißt – natürlich – Tiger Woods (oben mit der angetrauten Elin und Tochter Sam neulich in Stanford). Und sie heißt Rachel Uchitel. Die Dame kommt viel herum. Hier wird ihr erst neulich ein Verhältnis mit einem Fernsehschauspieler nachgesagt. Hier verbreitet sie sich als Fachfrau fürs Nachtleben von New York. Hier lernen wir sie als Verlobte eines Mannes kennen, der am 11. September 2001 im World Trade Center sein Leben verloren hat ("Ich hatte keine Chance, mich von ihm zu verabschieden. Ich habe ihm zuhause keinen Abschiedskuss gegeben, weil ich Lippenstift aufgetragen hatte.")

Warum soviel Aufmerksamkeit für eine Klatschmeldung? Weil man gespannt sein darf, welches Format diese Geschichte in den Medien haben wird. Wir reden schließlich nicht nur von Ms. Uchitel, sondern vom reichsten Sportler der Welt. Für Menschen von diesem Kaliber werden Scheidungen meistens ziemlich teuer (siehe Michael Jordan, Greg Norman und Shaquille O'Neal).
Blick zurück: Das Leben in Manhattan – wenn man Nachbarn hat, die jeder kennt

Mehr NBA-Schiedsrichter in Wettskandal verwickelt?

Im Schatten der umfangreichen Ermittlungen über den organisierten Betrug im Fußball wirken die Anschuldigungen eines der Gangster, die im NBA-Schiedsrichter-Skandal eine entscheidende Rolle spielten, fast schon harmlos. Aber der Vorwurf steht seit kurzem im Raum: Angeblich wurden damals 13 Referees in die Affäre hineingezogen. Die bestand nach dem bisherigen Wissensstand wohl nicht hauptsächlich daraus, den Ausgang von Spielen zu manipulieren, sondern Informationen von Unparteiischen zu erhalten, durch die sich das Resultat leichter voraussagen lassen kann. Die berühmteste Figur – Tim Donaghy – hat inzwischen die Gefängnisstrafe abgesessen und versucht ein Buch auf den Markt zu bringen. Der erste Verlag bekam allerdings kalte Füße, nachdem Auszüge aus dem Manuskript in der Öffentlichkeit auftauchten. Eine Reaktion seitens der Liga steht noch aus.
Blick zurück: Die erste Geschichte über die Anklage gegen Tim Donaghy in der FAZ
Blick zurück: Der jüngste Bericht über Donaghys Versuch, sein Enthüllungesbuch zu publizieren – ebenfalls in der FAZ
Blick zurück: Die American-Arena-Beiträge zu Stichwort Donaghy

Catch as catch can

FC Barcelona spielt am Wochenende nur 1:1 unentschieden bei Athletic Bilbao, gibt die Tabellenspitze an Real Madrid ab und verliert Leo Messi wegen einer Verletzung. Alles schlecht, oder? Aber nicht für alle Zuschauer. Die sahen einen der besten Anti-Flitzer-Einsätze aller Zeiten in der Kategorie "in Bekleidung". Wenn man auf diese Weise auch die Wettbetrüger einfangen könnte...

(via The Offside)

23. November 2009

Denver feiert die Uwe-Krupp-Nacht

Avalanche v Panthers
Für Denver war es ein besonderes Ereignis, die Nacht im Juni 1996 in Miami, als Uwe Krupp das Tor schoss, mit dem die Colorado Avalanche den Stanley Cup gewannen. Das kann man verstehen. Und irgendwie auch nicht. Denn wenn eine Mannschaft einen Gegner in einer Best-of-Seven-Serie so dominiert wie damals das Team von Krupp die Florida Panthers beherrschte, dann sollte einem der Verstand sagen: Alles nur eine Frage der Zeit. Irgendeiner der Jungs wird es schon hinbekommen. Bitte um etwas Geduld. Und wenn es bis zur dritten Verlängerung dauert.

Aber die Projektionen, mit denen Fans und Sportreporter ihr Leben füttern, um sich an der "schönsten Nebensache der Welt" zu delektieren, bestehen meistens nur aus Scheinrationalität und aus Scheinargumenten. Im Prinzip suchen sie sich das Objekt ihrer Fixierung am liebsten frei Schnauze. Im Zweifel ist das Objekt dann eben jemand wie Uwe Krupp, der damals dank seiner hervorragenden, aber unauffälligen Arbeit im Gefüge dieser Mannschaft so oder so mit guten Worten hätte überschüttet werden müssen. Warum mochte ihn der Reporter der Denver Post? Weil er "sehr intelligent" war und man sich mit ihm auch über andere Themen unterhalten konnte als Eishockey. Weil er eine zynische Ader hatte und keine Furcht hatte, mit seinen Auffassungen gegen den Strich zu bürsten.

Heute abend werden sie diesen Kerl und die Erinnerungen an ihn in der Halle in Denver noch einmal zelebrieren. Das hat was (via gamesmustgoon). Und wir wollen auch gar nicht zynisch sein und vermuten, dass diese kleine Feier etwas damit zu tun haben könnte, dass die Avalanche die Halle nicht mehr voll bekommen. Kein Regen auf diese Parade. Nicht von von dieser Stelle aus.

Nachtrag: Die Denver Post hat über den Abend ein paar Zeilen verloren. Eine Kleinigkeit am Ende der Meldung fiel auf: Krupps Sohn Björn, der in Kalifornien geboren wurde und im Nachwuchsprogramm der USA-Nationalmannschaft gefördert wurde, hat einen entry-level-Vertrag bei den Minnesota Wild unterschrieben. Er spielt noch in Kanada in der Ontario Hockey League.

Als sei der Rasierapparat ausgerutscht

MLS Cup - Los Angeles Galaxy v Real Salt Lake
Von all den Frisuren, mit denen David Beckham im Laufe der Jahre seinen Sinn für überkandidelten gestalterischen Wagemut angedeutet hat, wirkt die Kreation “Herbst/Winter 2009” am ausgetüfteltsten. Links und rechts in der Nähe der Schläfen hat der Rasierapparat Löcher hinterlassen, die so aussehen, als sei dem Coiffeur die Hand ausgerutscht. Und oben wippen Büschel in der Signalfarbe blond, die nach hinten kürzer werden und den Schopf in einer kolorierten breiten Strähne auslaufen lassen.

Man könnte das Ganze einen “angedeuteten Irokesen” nennen. Genauso wie man David Beckham einen unvollendeten Fußballspieler nennen könnte. Aber eher wir uns in dieser Skizze verlieren, lieber der Hinweis auf den jüngsten Beitrag über ihn in der aktuellen FAZ – aus Anlass der Niederlage von Los Angeles Galaxy gegen Real Salt Lake im MLS Cup. Beckham geht zunächst wieder nach Mailand. Der Köder dafür, dass er in die USA zurückkehrt: Er soll Besitzer des 20. zu gründeten Clubs in der Liga werden. Wir sind zur Zeit bei 15.

21. November 2009

Lecker Mädchen

Wenn man als erster Sportler von einem erstklassigen Eiskrem-Hersteller mit einer eigenen Sorte geehrt wird, muss schon irgendetwas an diesem Athleten dran sein. Zumindest kann Hannah Teter Gedichte schreiben. Und sie hat auch keine Probleme, sie zu rezitieren. Mit solchen und anderen Auftritten, bei denen sie immer so aussieht, als könnte sie keiner Fliege etwas antun, macht sie seit dem Olympiasieg von Turin in der Halfpipe hervorragende Geschäfte. Teter und die besagte Eiskremfirma Ben & Jerry's kommen übrigens beide aus dem kleinen Bundesstaat Vermont. Genauso wie die erfolgreiche Snowboard-Company Burton. Was zeigt, dass in den USA auch abseits der ausgetretenen Pfade bemerkenswerte Erfolge entstehen.

Das Gedicht hat den Titel Wise Eyes. Die Eiskremsorte hat den Namen Hannah Teter's Maple Blondie. Was auf eine weitere Errungenschaft von Vermont hinweist: Auf den Ahorn-Syrup, den man in dem Landstrich jeden Winter in rauhen Mengen abzapft und verarbeitet.
Blick zurück: Die Nackedei-Bildchen auf den Brettern von Burton