19. September 2006

Ein einig Volk von Golfern

Es sieht so aus, als zu all den vielen kulturellen Unterschieden zwischen Europa und den USA auch diese sportliche Facette gehört: Dafür, was ein Team ist und wie man es formt, scheint es unterschiedliche Ansätze zu geben. Das kann man alle zwei Jahre beim Ryder-Cup studieren, der zu einem Weltereignis geworden ist, bei dem die Amerikaner erstaunlich schlecht abschneiden, wenn man die Weltranglistenplätze der Teilnehmer betrachtet.

Das kuriose am Ryder-Cup ist, dass er einer Einzelsportart ein Mannschaftskonzept aufstülpt, in dem sich die Einzelspieler ganz alleine zurechtfinden müssen. Golf als Teamsport kennt keinen Angriff und keine Abwehr, keine taktisch geprägten Formationen, keine Synchronitätsbedürfnisse. Der Ball ist rund (und sehr klein). Und jeder nächste Schlag und jeder Schwung von den insgesamt tausenden ist - um Herberger abzuwandeln - der schwerste.

Stichwort Einzelsportler: Wir reden von reichen, egozentrischen Golfspielern, die ihr Leben lang nichts anderes wollten, als jeden anderen auszustechen. Die Amerikaner sind da extremer drauf als die Europäer. Die sind nicht halb so selbstverliebt und verstehen sich als Kumpel.

Beim Ryder-Cup gibt es eine Figur, die die chemischen Prozesse ein wenig beeinflussen kann. Die Betonung liegt auf "wenig". Der Captain kann ganze zwei Spieler nominieren (von insgesamt zwölf). Und er kann die Paarungen auswählen, die er an den ersten beiden Tagen in den Wettbewerb schickt. Er weiß jedoch nicht im voraus, gegen wen von der anderen Seite sie antreten werden. Denn beide Captains legen unabhängig voneinander fest, wer in welchem Match spielt. Mit anderen Worten: Alles was ein Captain spielstrategisch wirklich einbringen kann, ist nicht mehr als Intuition. Die notwendige Golfintelligenz müssen die Teammitglieder schon selber haben. Genauso müssen sie von vornherein voneinander wissen, ob sie einander respektieren und schätzen, um in den vier Stunden da draußen auf dem Platz jene Harmonie zu entwickeln, ohne die es nicht geht. Zu den Finessen des Foursome (jeder schlägt abwechselnd, es ist nur ein Ball pro Team im Spiel) etwa gehört es, sich auf eine Ballmarke zu einigen. Denn jeder Spieler hat einen Exklusiv-Vertrag mit einer der Ausrüsterfirmen.

So gibt es von Anfang an kleine Knackpunkte zu umschiffen, bei denen ein Captain mit Feingefühl und natürlicher Autorität seine Rolle spielen kann. Der Amerikaner Tom Lehman glaubt, er weiß, wie das geht. Neulich bei einem Ausflug mit seinen Spielern nach Irland hat er nachts Ferienlagerspiele mit den Stars gespielt. Tatsächlich hat er es so leicht wie noch keiner seiner Vorgänger. Nach der Katastrophe vor zwei Jahren in Detroit, als Hal Sutton am Ruder saß, kann es nur noch besser werden.

Ich war damals drei Tage lang vor Ort und schrieb hinterher für die Schweizer Golfzeitschrift Drive:

Während der eisenharte Langer, ein wiedergeborener Christ, der jeden Tag mehrmals betet, ein Musterbeispiel an Konzentration war, fiel sein amerikanischer Widersacher von Anfang an durch kleine merkwürdige Irrtümer auf. Als er bei der feierlichen Eröffnung des Wettbewerbs das Mikrofon in die Hand nahm, dankte er seiner Frau Ashley und seinen "drei Kindern". Sutton hat vier und korrigierte das denn auch sofort. Ashley ist übrigens seine vierte Frau. Ein Umstand, der einen defätistichen amerikanischen Journalisten nach der schwachen Vorstellung von Woods und Mickelson zu der Feststellung verleitete: "Was versteht ein Mann, der viermal verheiratet war, von Paarungen?"

Oder was versteht er von Psychologie? Sutton wartete bis zur letzten Minute, ehe er seine Spieler darüber informierte, wer mit wem zusammen gespannt würde. Seine Theorie: Sie sollten sich ganz und gar mit sich selbst beschäftigen und nicht mit den Mannschaftskollegen.

Lehman hat ein anderes Problem: in seine Mannschaft haben sich aufgrund des Qualifikationsmodus gleich vier unerfahrene Leute gespielt, die weder die Atmosphäre noch das Match-Play-Format kennen. Und ob die Versuche von einigen erfahrenen Spielern, sie zu integrieren, funktionieren, ist schwer zu sagen. Immerhin: Tiger Woods hat die vier Neulinge vor ein paar Wochen am Rand eines Turniers zum Essen eingeladen.

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