30. September 2006

Baseball-Playoffs: Eine kleine Einstimmung

Dies ist die Zeit im Jahr, wenn ich anfange, mich nach Monaten einer gewissen Gleichgültigkeit ernsthaft für Baseball zu interessieren. Oder sagen wir: ernsthaft für die Meisterschaft. Denn meine Neugier auf das Spiel ist davon nicht betroffen. So war ich in diesem Jahr im Rahmen einer Recherche für das Männer-Magazin FELD auf den Spuren von James Fenimore Cooper in der Stadt die seinen Namen trägt: Cooperstown. Und diese Stadt ist Sitz der Baseball Hall of Fame, die ich bei dieser Gelegenheit sehr gerne besucht habe - und zwar stundenlang und ausgiebig. Hier ein Ausschnitt aus dem Text, den ich später für die FAZ anlässlich des Induction-Wochenendes geschrieben habe:
Heute ist die Einrichtung eine Institution und hat den Standard für jedes andere Sportmuseum gesetzt, von denen es mittlerweile quer über die Vereinigten Staaten verstreut für fast jede Disziplin - sei es Golf, Tennis, Basketball, Schwimmen oder Boxen - mindestens eines gibt. So besitzt sie mehr als 35 000 Objekte wie Bälle, Schläger und Trikots, rund eine halbe Million Fotos und zwei Millionen Schriftstücke in ihrem Archiv. Das Kernstück der Ausstellungsräume ist die sogenannte Gallery mit den Bronzetafeln von mehr als 250 Spielern, Trainern, Managern und Schiedsrichtern, die für würdig befunden wurden, die Geschichte der Sportart zu repräsentieren.

Die Gründung der Hall of Fame geht auf eine Idee aus dem Jahr 1936 zurück, als Baseball dank der Spieler der New York Yankees wie des legendären Babe Ruth seinen ersten wirtschaftlichen Boom erlebte. Anfänglich kam man in Cooperstown mit zwei Stockwerken aus. Nach der letzten großen Renovierung, die 2005 abgeschlossen wurde und 20 Milllionen Dollar kostete, kann man auf insgesamt drei Etagen die Geschichte nachempfinden. Das tun rund 350 000 Besucher jährlich. Das Verhältnis der Amerikaner zu Baseball ist ungebrochen - trotz Anabolika-Skandalen und den langen Spielerstreiks der Vergangenheit. Zur Mythologisierung tragen die Filmfabrik Hollywood bei, die sich immer wieder Geschichten aus der Geschichte des Spiels greift und sie auf publikumswirksame Weise zurechtmacht, Musicals, Theaterstücke und Schriftsteller. Aber kaum jemand hat die Faszination so gut auf den Punkt gebracht wie die fiktive Hauptfigur in dem Film "Annie und ihre Männer": Sie habe alle großen Religionen ausprobiert, sagt sie in ihrem Monolog zu Beginn. Aber wirklich glücklich geworden sei sie nur mit einer: "Ich glaube an die Kirche Baseballs."

Der Schrein für die Pilger dieser Glaubensgemeinschaft könnte an jedem Ort stehen. Aber für Cooperstown sprachen zumindest ein paar Indizien. Hier soll nämlich der Armeeoffizier Abner Doubleday im Sommer 1839 das erste Spielfeld abgekreidet und einen Teil der Regeln kodifiziert haben. Inzwischen ist diese Darstellung umstritten. Aber sie genügte einem einflußreichen Erben des Singer-Nähmaschinen-Imperiums. Er trieb die Idee voran, dem heruntergekommenen Städtchen am Lake Otsego, Geburtsort von James Fenimore Cooper und Schauplatz eines Teils seiner Lederstrumpf-Geschichten, eine neue Attraktion zu verschaffen.
Das soll es erstmal als Einstimmung gewesen sein. Mehr über die Playoffs in den nächsten Tagen. Hier noch zwei Links für Menschen, die nicht warten können: Bei Volk ohne Raumdeckung fabuliert Rob Alef über die "geheimnisvolle Schönheit" des Spiels. Bei Wortwelt gibt es viele harte Fakten und Einschätzungen zur aktuellen sportlichen Lage. Zur Hall of Fame gibt es keinen besseren Roman als Unabhängigkeitstag von Richard Ford, die Fortsetzung seines Buches Der Sportreporter, in der die Hauptfigur Richard Bascombe seinen Sohn auf eine Reise nach Springfield/Massachusetts (Basketball Hall of Fame) und Cooperstown mitnimmt. Bascombe ist in diesem Buch kein Journalist mehr, sondern hat den Beruf an den Nagel gehängt und ist Immobilienmakler geworden. Der dritte Band erscheint übrigens in den nächsten Tagen in den USA.

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