5. August 2007

Durch die Vereinsbrille

Aufgeschreckt durch einen Hinweis von Trainer Baade habe ich mir gestattet, die deutschsprachige Wikipedia-Seite über Los Angeles Galaxy durchzulesen, und habe beschlossen, angesichts solcher Karteileichen so etwas in Zukunft lieber bleiben zu lassen. Das mit den deutschen Seiten. Während der Trainer offensichtlich nur zu beanstanden schien, dass der Fußballclub der Anschutz Entertainment Group als "Fußballverein" bezeichnet wurde, was er aufgrund der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse nicht sein kann (Vereine werden im deutschen Vereinsrecht definiert und haben als eine Besonderheit eine Gemeinnützigkeitverpflichtung). Galaxy ist die Filiale eines Unternehmens und Anteilseigner von Major League Soccer, einer kartellartigen Wirtschaftsgruppe, die nur von einem Motiv beseelt ist: Geld verdienen. Es handelt sich auch genau genommen nicht um einen Club aus Los Angeles, wie man behauptet, sondern aus Carson, was eine selbständige Stadt im Los Angeles County ist.

Und so geht es weiter: Bei Wikipedia hat man nur das alte Logo in petto, obwohl eine Reihe von Textinformationen darauf hindeuten, dass der Eintrag in diesem Jahr wegen David Beckham überarbeitet wurde. Die Anlehnung an die englische Textvorlage ist nachvollziehbar, aber auch kurios. So wird der Hinweis, dass der Club schon einmal eine Saison mit Profit abgeschlossen hat (was für die Liga und ihre bislang angehäuften Millionenverluste durchaus bemerkenswert ist, folgendermaßen hingeschludert:
Der Verein war der erste MLS-Club, der eine Saison mit einem Gewinn abgeschlossen hat. Neben sind die Galaxy die einzigen US-amerikanischen Vereine, die den gewinnen konnten.
Gewinn (Geld) und Gewinnen (Sport) in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Sätzen: Wer soll das auseinanderhalten? Wie konfus das Thema für den deutschen Übersetzer sein muss, ergibt sich aus einem hineingestrickten Hinweis, der den Aspekt Rivalität zwischen Clubs in der noch jungen Liga erklären will, aber daneben geht:
"Für viele Fans geht es bei dieser Rivalität mehr um Marketing als um Sport."
Es handelt sich hierbei um eine völlig verkorkste Interpretation von Fanverhalten, das sich im Sport heutzutage oft durch den Kauf von Trikots und anderer Souvenirs artikuliert. Aber wieso sollte es den Anhängern um Marketing gehen? Und falls ja, wessen Marketing?

Man kommt auch nicht gut mit der Grammatik zurecht. So wird der Club Deportivo Chivas USA, der sich mit Galaxy das Anschutz-Stadion in Carson teilt, in einem geschlechtlich nicht nachzuvollziehenden Plural definiert ("die seit 2005 in der MLS spielen"). Eine Eigenart, die sich auch im Eintrag über den Club wiederfindet ("die Chivas").

Wenn man durch die anderen fußball-spezifischen Einträge geht, findet man einen Bolzen nach dem anderen. So wird etwa im MLS-Kapitel behauptet, dass die neuen kleinen Stadien der Grund für verbesserte Gewinnaussichten sei. Das ist natürlich Humbug. Dies sind die wichtigsten Punkte: Konsequente sparsame Lohnpolitik auf dem Rücken der Spieler. Aufnahmegebühren ("expansion fees") aus den Taschen von neu gegründeten Clubs wie Chivas, Real Salt Lake und Toronto FC (weitere werden folgen). Das Geld aus dem Verkauf von Fernsehrechten, der Deal mit Ausrüster adidas, Ablöseummen für amerikanische Spieler, die nach Europa wechseln. Das läppert sich zusammen. Der Eintrag ignoriert die Existenz einer (relativ machtlosen) Spielergewerkschaft und macht keinen Versuch, das wirtschaftliche Liga-Konstrukt mit seinen Investoren hinreichend zu beschreiben.

Mit anderen Worten: Finger weg vom deutschen Wikipedia, wenn es um amerikanischen Fußball geht. Die englische Version ist genauer, kompetenter, durchdachter und informativer.

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