13. September 2008

Repressiv meets depressiv

Man sollte annehmen, dass die Verantwortlichen im College-Football andere Sorgen haben. Man denke nur an die grotesken Entwicklungen bei der Vergabe von Stipendien an Studenten, die vermutlich nicht mal richtig lesen und schreiben können, aber trotzdem von den Universitäten zugelassen werden. Aber wahrscheinlich ist das Problem wirklich lesen und schreiben. Sonst hätte das Athletic Department der University of Virginia nicht das Ausbreiten von selbst produzierten Schrifttafeln, Bannern, großen Zetteln etc. bei Spielen der Football-Mannschaft im eigenen Stadion verboten. Repressiv meets depressiv. Oder so.

Zum ersten Thema empfiehlt sich die Lektüre dieses Artikels im Indianapolis Star und das Herunterladen der dort verlinkten pdf-Datei. Denn sie zeigt das ganze Ausmaß der verkappten Manipulation, mit dem mit Steuergelder finanzierte Bildungseinrichtungen den eigenen Auftrag mit Football-Füßen und Stollenschuhen treten. Die Entschuldigung für das Verhalten ist überall die gleiche: Footbal produziert angeblich Überschüsse für den gesamten Sportbetrieb an den jeweiligen Division-I-Universitäten. Und wenn nicht Überschüsse (bei den Trainergehältern, Stpendien, Reisekosten, Baukosten für Stadien und Trainingsgelände sowieso ziemlich unwahrscheinlich), dann eben Prestige. Football-Universitäten sind berühmt und haben höheren Zulauf von High-School-Absolventen, lautet die Kalkulation, die zwar im Prinzip sicher stimmt, aber nirgendwo genau über eine ehrliche Buchhaltung durchgerechnet wird.

Die Football-Stipendiaten, die nicht genug in der Birne haben, um die eingeschlagenen Studiengänge abzuschließen, sind in dieser Maschine nur billiger Treibstoff. Sie kommen und schnüren die Stiefel, weil sie hoffen, von den NFL-Scouts entdeckt zu werden und irgendwann ihre Knochen für Geld hinzuhalten. Tatsächlich ist das Nadelöhr für den Nachwuchs ungeheuer klein. Keine zehn Prozent bekommen einen Profivertrag in einer Liga, die wiederum überhaupt kein Interesse daran hat, dass sich etwas ändert. Die NFL kann sich das Geld für jede Form des Unterbaus und der Nachwuchsarbeit sparen. Das Förderband finanzieren die Hochschulen, also der Steuerzahler und die Nicht-Sport-Studenten mit ihren inzwischen extrem hohen Gebühren.

Dass diese Manipulation kaum jemanden weiter aufregt und nicht mal die Professoren in den anderen Fakultäten auf die Straße und mit Protestbannern in die Stadien bringt, ist der eigentliche Skandal. Denn intellektuell hätten diese Hochschullehrer durchaus die Kapazität, den Mechanismus und die epidemische Systemerkrankung zu analysieren und zu desavouieren. Aber unter denen kommt es bestenfalls hin und wieder zu Einzelaktionen. Der Status Quo ist nun mal der Lieblingszustand der Mehrheit. Eine Haltung, die nur so lange funktioniert, wie das Schiff nicht Leck schlägt, auf dem man sitzt.

Dazu passt die jüngste Übersicht aus dem Wall Street Journal mit den Gehältern der College-Footballtrainer. Die Liste wird angeführt mit Boob Stoops von Oklahoma, der 3,6 Millionen Dollar im Jahr verdient. Sie stellt übrigens einen ziemlich kruden Versuch dar, die Gehälter für die Trainer gegen ihre Erfolgsbilanz aufzurechnen (man nimmt die Zahl der Stimmen aus dem AP-Poll als Rechengrundlage). Diese vermeintlich so neutrale Betrachtungsweise stellt jedoch überhaupt nicht den Wahnsinn in Frage, der als Grundströmung heutzutage College-Football beherrscht: Nämlich: Was soll das Ganze? Und wie kann es weitergehen?

Aus der Liste lässt sich folgende Hitparade der teuersten Fachkrâfte destillieren:

1. Bob Stoops, Oklahoma, 3,6 Millionen Dollar
2. Urban Meyer, Florida, 3,25 Millionen Dollar
3. Mack Brown, Texas, 2,8 Millionen Dollar
3. Pete Carroll, USC, 2,8 Milionen Dollar
5. Tom Tuberville, Auburn, 2.6 Millionen Dollar
5. Jim Tressel, Ohio State, 2,6 Millionen Dollar
7. Phillip Fulmer, Tennessee, 2,05 Millionen Dollar
8. Frank Beamer, Virginia Tech, 2,008 Millionen Dollar
9. Mark Richt, Georgia, 2.0 Millionen Dollar
10. Mike Bellotti, Oregon, 1,9 Millionen Dollar

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Zu dem Thema hatte 2003 Brian L. Porto (Anwalt und damals Professor am Community College of Vermont)ein Buch namens "A New Season: Using Title IX To Reform College Sports" verfasst.

www.amazon.de/gp/product/0275976998/ ref=sib_rdr_dp

Zitat dazu aus dem ehrwürdigen Boston Globe: "Succesfully questions the extent to which athletic teams benefit a university, demonstrates various ways in which athletic programs subvert the integrity of the institutions they represent, and makes imaginative suggestions towards reform"

Das Buch (in Engl.) gibt es u.a. auch zur Ausleihe an der Sporthochschule Köln. Sehr zu empfehlen.

Auch interessant fand ich folgenden Blog-Eintrag auf latimes.com über USC's bestbezahlte Angestellte:

http://latimesblogs.latimes.com/ allthingstrojan/2008/08/uscs-top-paid-e.html

Pete Carroll (Head Coach Football) verdient jährlich mehr als viermal so viel wie der eigentliche Präsident der Uni, Steven Sample

...UNBELIEVABLE