10. September 2009

Golf: Das 10-Millionen-Dollar-Duell

Wenn der Sommer zu Ende geht und die wichtigsten Turniere gespielt sind, gibt es für die besten Golfer auf der amerikanischen Tour nur noch eine Ambition: Sich möglichst weit oben in der Punktewertung für den FedEx Cup festzusetzen. Denn damit steigen die Chancen auf einen warmen Dollarregen am Ende der Saison. Der Wettbewerb um den Silberpokal, der den Charakter eines Play-offs hat und jede Woche reihenweise Spieler aussiebt, ehe schließlich bei der Tour Championship die letzten 30 das Rennen unter sich ausmachen, wird sportlich zwar nie ganz den Rang der Majors erreichen. Aber in einem Jahr, in dem Tiger Woods ungewohnte Schwächen zeigt und schon mal am Cut scheitert, verbreitet er einen eigenen Reiz. Und sei es nur für jene Zuschauer, die jemandem wie Steve Stricker die Daumen halten.

Der 42-jährige Amerikaner, der eine Woche zuvor im Weichbild der Skyline von Manhattan knapp einen Putt verpasst hatte, mit dem er in das entscheidende Stechen gekommen wäre, hatte am Montag mit zwei Birdies auf der 17 und der 18 die Deutsche Bank Championship in Boston gewonnen und sich damit in der FedEx-Cup-Wertung vor Woods an die Spitze geschoben. Seine konstant gute Form schlägt sich auch in der Weltrangliste nieder. Dort kletterte er mit dem Sieg auf den zweiten Platz. So weit oben stand er noch nie.

Der Mann, den seine Kollegen sowohl wegen seiner stillen, bedachten Art als auch wegen seines Feingefühls beim kurzen Spiel schätzen, könnte dieser Tage denn auch keinen besseren Ort finden als den Cog Hill Country Club vor den Toren von Chicago. Denn der Mittlere Westen der USA mit seinen welligen Parkland-Plätzen ist im weitesten Sinne die Heimat von Stricker. Er wuchs im Nachbarstaat Wisconsin auf und lebt auch dort noch und nicht etwa wie soviele Profigolfer im Steuerparadies Florida. Außerdem verbrachte er seine Studienzeit im Rahmen eines Golfstipendiums an der University of Illinois, dem Bundesstaat, in dem die Metropole Chicago liegt.

Mit einer Einschränkung allerdings. “Sie haben ihn verändert. Keiner ist wirklich mit ihm vertraut”, sagte Stricker über den Platz, an dem im Wechsel mit dem Belle Rive Country Club in St. Louis und dem Crooked Stick Country Club in Carmel/Indiana die BMW Championship ausgetragen wird. Die kosmetische Operation wurde dem für seine Renovierungsarbeiten an klassischen anspruchsvollen US-Open-Schauplätzen wie Bethpage und Torrey Pines bekannten Architekten Rees Jones übertragen. Der durfte vier Millionen Dollar ausgeben und schuf neue, welligere Grüns, tiefere Bunker und zog das Layout auf 6900 Meter in die Länge. Trotz der Veränderungen glaubt Stricker, dass er sich wie zuhause fühlen wird: “Ich habe hier 1996 gewonnen und bin sehr erfreut, wieder hin zugehen. Ich habe viele Fans dort.”

Die werden heute von Anfang an erleben können, ob er die Nerven hat, um in der Aura des besten Golfers der Welt seine Form zu halten. Die Turnierverantwortlichen haben ihn mit Tiger Woods und seinem Landsmann Heath Slocum in einer Gruppe gesteckt. Stricker, der sich in Boston ganz bescheiden vor dem Weltranglistenersten verneigte (“Er ist der Mann. Es seine Welt, in der wir unseren Platz einnehmen.”), spielt bei solchen Gelegenheiten aber womöglich ein kluges taktisches Spiel. Er inszeniert sich als Außenseiter, der “langsam wieder mehr Selbstvertrauen” hat. Auch so kann man Druck abbauen.

Stricker gehört übrigens zu jenen Figuren, die das Achterbahn-Gefühl einer Karriere im Profigolf besonders krass erlebt haben. Nachdem er in den neunziger Jahren zahlreiche Achtungserfolge erzielte, knickte er weniger später psychisch ab und wirkte wie ein Mann auf der Suche nach dem verlorenen Schwung. Vor vier Jahren fand er ihn wieder und schaffte etwas, was niemand vor ihm erreicht hatte und kaum jemand jemals wiederholen wird: Er wurde sowohl 2006 als auch 2007 zum Comeback-Spieler des Jahres der PGA Tour gewählt. 2008 belegte er in der FedEx-Cup-Wertung den 14. Platz.

Der von Tiffany produzierte Pokal wird in diesem Jahr zum dritten Mal ausgespielt. Während nach jeder Saison zahlreiche kleinere Facetten am Regelwerk geändert wurden, blieb die eigentliche Idee intakt: Der Spieler mit den meisten Punkten am Ende der Tour Championship erhält ein Preisgeld von zehn Millionen Dollar. Auch die Nächstplatzierten werden noch hervorragend bezahlt: Der Zweite bekommt drei Millionen, der Dritte zwei Millionen Dollar.

Keine Chance auf das Geld hat Vijay Singh, der 2008 den Wettbewerb in Abwesenheit des verletzten Tiger Woods überlegen gewonnen hatte. Er schaffte es am Wochenende nicht bis in die Top 70 der Punkteliste.

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