4. Dezember 2008

Sperre für einen Spruch


Wenn eine Geschichte Aufmacher-Status bei Pardon the Interruption auf ESPN erreicht, muss sie wirklich eine gewisse Bedeutung haben. Da fällt es schwer zuzugeben, dass sich einem diese mutmaßliche Bedeutung nicht erschließt. Denn wer ist eigentlich Sean Avery und welche Bedeutung hat er für den Sport in Nordamerika? Man könne meinen: die geht gegen Null. Was ist die Relevanz von Eishockey im Medienalltag abseits der Städte, in denen die NHL nach Kräften versucht, wirtschaftlich zu überleben? Auch hierbei dürfte es sich um einen Minimalwert handeln. Aber das Thema schien wohl einfach zu frivol und zu verführerisch, um es nicht mit irgendeiner Zange anzufassen und öffentlich auf den Tisch zu legen. Bei ESPN und anderswo.

Die Vorgeschichte geht so: Sean Avery gehört zu jenen kanadischen Eishockeyspielern, die den technisch besseren und schnelleren Europäern nur in einer Kategorie überlegen sind – beim Faustkampf. Er dürfte allerdings der erste sein, der mit diesem zwiespältigen Charme des Brutalos bei Frauen mit Klatsch-Appeal aus der mittleren Model- und Actricen-Liga ankommt. Rachel Hunter, Ex-Frau von Rod Stewart, hielt es ein Jahr mit ihm aus. Elisha Cuthbert (spielt zur Zeit in der amerikanischen Fernsehserie 24) konnte sich seiner ebenfalls nicht erwehren. Die Kanadiern Cushbert scheint eine besondere Schwäche für Eishockeyprofis zu haben. Derzeit ist sie allerdings mit einem besseren Spieler – mit Dion Phaneuf von den Calgary Flames – liiert.

Nun zur Geschichte selbst. Avery, der inzwischen bei den Dallas Stars sein Handwerk versieht, sah sich vor ein paar Tagen genötigt, vor laufender Kamera und vor einem Match gegen die Flames Phaneuf zu provozieren und die Verflossene schlecht zu machen. Alles in einem Satz und offensichtlich bewusst kalkuliert. Dies ist der Satz: "I'm really happy to be back in Calgary, I love Canada and I just wanted to comment on how it's become a common thing for guys in the NHL to fall in love with my sloppy seconds, I don't know what that's about."

Der wichtigste Teil ist der Slang-Ausdruck sloppy seconds, der bislang noch nicht besonders populär war, aber so krude ist, dass man ihn in den USA nicht mal über den Nachrichtenticker verbreiten möchte. AP zitierte nicht, sondern "übersetzte" die Wendung einfach und ohne besondere Erklärung mit "ehemalige Freundinnen". Ein Akt der Zensur, der um so merkwürdiger wirkt, wenn die Urversion parallel ungefiltert (und ohne weitere Erklärungen) im Fernsehen verbreitet wird. Und doppelt kurios, wenn man bedenkt, das Avery genau wegen dieses Spruchs von der NHL auf unbestimmte Zeiten gesperrt wurde.

Um die Schwere der Tat zu begreifen, muss man erst mal verstehen, was der Ausdruck bedeutet, oder nicht? Zum Glück gibt es ja das Internet. Und dort das Urban Dictionary, das sich zu einem der besten Sammelgefäße für Gossenjargon und Artverwandtes entwickelt hat. Es handelt sich demnach bei dem Begriff um eine Anspielung an ein bestimmtes Sexualverhalten, bei dem eine Frau kurz nacheinander mit zwei verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr hat. Beim Wort sloppy spielt in diesem Zusammenhang dessen Mehrdeutigkeit eine Rolle. Denn es kann so viel heißen wie "nass", aber auch "schlampig" und "schmuddelig". Auch seconds schillert ein wenig. Man denkt an zweite Wahl, aber auch an Nachschlag (beim Essen).

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