22. April 2007

Fähnchen im Wind: Unser Mann Jason Whitlock soll Don Imus ersetzen

Die Fähnchen im Wind drehen sich in New York genauso schnell wie anderswo. Nur sieht es hier meistens weit weniger opportunistisch aus. Weshalb? Schwer zu erklären. Das hat sehr viel mit dem wirtschaftlichen Eigenwicht der Stadt, der überschwappenden Kreativitität vieler ihrer Einwohner und dem Tempo zu tun, mit dem hier Sachen erörtert, umgesetzt oder andernfalls verworfen werden. Hauptstadt der Welt, eben. Und nur so kann man erklären, weshalb der Radiosender WFAN nach ein paar Tagen der abebbenden Kontroverse rund um den abgesetzten weißen Verbal-Rassisten Don Imus einem Mann diesen Posten angeboten hat, der dem Skandal seinen eigenen Stempel aufgedrückt hat: Jason Whitlock, seines Zeichens Kolumnist und Blogger, schwarz und übergewichtig und nicht auf den Mund gefallen. Der hatte die Affäre zum Anlass genommen, Amerikas Hip-Hop-Industrie und ihre kulturellen Ausfallerscheinungen sowie die selbst ernannten Anführer und Sprachrohre des schwarzen Amerikas (Jesse Jackson, Al Sharpton) zu attackieren und damit sogleich sehr viel Echo produziert. Bei Oprah Winfrey, der First Lady of Talk, die jeden Nachmittag Millionen von Zuschauerinnen an die Bildschirme fesselt, saß er inmitten zahlloser Muttchen auf der Bühne und wirkte wie der attraktive, warmherzige Chedideologe einer neuen Bewegung: Schluss mit dem ständigen Gemecker Richtung Weiß-Amerika. Schwarz-Amerika hat mehr als genug eigene schmuddlige Wäsche zu waschen.

Whitlock reagierte zunächst einmal reserviert auf die Offerte. Nicht wegen der Fallhöhe eines solchen neuen Podiums, sondern weil er nicht weiß, ob er wirklich aus Kansas City weg und nach New York ziehen will. "Ihr Jungs", sagte er den zwei Moderatoren, die zur Zeit die Morgensendung betreiben in einem Telefoninterview, "ihr alle denkt, New York ist das Größte. Und wie kann einer nicht dort leben wollen? Ich habe ganz gerne ein normales Leben."

Die Angst vor dem Leben in dieser, unserer Stadt kann man verstehen. Zumindest bei Leuten mit Promi-Bonus. So wie hier die Boulevardblätter arbeiten (und zunehmend auch die Gossip-Blogger) - das kann einem das Gefühl geben, man sei auf eine Zielscheibe gespannt und werde mit tausend Dartpfeilen abgeschlachtet. Aber Kansas City? Das soll eine Alternative sein?
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