5. April 2007

Wo die Zampano-Kultur ihre Blüten treibt

Wenn man die Zahlen nebeneinander legt, gehen einem plötzlich die Augen auf: College-Coaches in der obersten Kategorie der beiden populärsten Mannschaftssportarten Football und Basketball (genannt Division I oder auch I-A) verdienen im Schnitt etwa soviel wie die Trainer in den Profiligen NFL und NBA. Die Absurdität würde jedem Betriebswirtschaftstudenten im ersten Semester auffallen: Nicht nur verdienen die Übungsleiter an den Hochschulen inzwischen fünf bis zehnmal soviel wie die Präsidenten der Universitäten. Die Rechtfertigung für ihre extrem gute Entlohnung - dass sie mit ihren Teams Geld einspielen - hinkt. Der Blog Sports Economist nannte jetzt die Eckdaten, als er zu diesem Thema Andrew Zimbalist zitierte, einer der führenden Akademiker im Bereich Sport und Geld. "Das durchschnittliche I-A Football Team produziert im Jahr etwa 15 Millionen Dollar Umsatz; das durchschnittliche NFL erzielt etwa 160 Millionen Dollar. Wie kann ein College-Coach soviel Mehrwert erzeugen wie ein NFL-Coach?"

Die Antwort ergibt sich von selbst. Er tut es nicht. Sein Gehalt verdient er auf dem Rücken der Studenten, die allenfalls ein Stipendium bekommen (und mit der Hoffnung gefüttert werden, dass sie eines Tages bei den Profis einen gut dotierten Vertrag erhalten).

Spontan würde man denken: Es muss doch einen Weg geben, diesen Wahnsinn zu beenden und die Gehälter der Trainer zurückzufahren (das Geld könnten die Universitäten bestimmt an anderer Stelle gut gebrauchen). Aber dieser Weg wird wohl nicht von oben - von der NCAA - kommen, die den
Collegesport in den USA organisiert. Das käme einem Eingriff in solche Gebiete des bürgerlichen Rechts wie Vertragsfreiheit gleich und würde von jedem Gericht abgeschmettert.

Ein paar Stimmen sagen: Bezahlt den Studenten ein Honorar (und nehmt das Geld aus dem existierenden Topf). Das sorgt für mehr Balance. Aber an den Gedanken will niemand heran: Collegesport gilt als letzte Bastion des Amateurgedankens. Etwas, was das IOC jahrelang ebenso pflegte, bis man irgendwann die Illusion nicht mehr aufrecht erhalten konnte und Wege fand, sich dem Profiwesen zu öffnen.

Die Gehälter für College-Coaches fallen übrigens genauso extrem aus dem Rahmen wie die Entlohnung von Vorstandsvorsitzenden in großen und mittelgroßen amerikanischen Unternehmen. Die sind in den letzten 20 Jahren exorbitant gestiegen, während die Durchschnittsentlohnung von Angestellten kaum mit der Inflationsrate Schritt hält. Die Mechanismen sind ähnlich. Chef-Trainer und Unternehmenschefs profitieren von dieser Zampano-Kultur, die so tut, als wäre vor allem die Personality und die Leistungsfähigkeit an der Spitze der Pyramide für das Resultat zuständig. Wenn das so wäre, müssten Chefs Geld mitbringen, wenn Firmen Verluste machen oder sinkende Aktienkurse verbuchen. Aber das ist nicht der Fall. Solche Fehleistungen werden wegrationalisiert. Dafür werden dann gerne die Ameisen weiter unten im Haufen angeschwärzt. Selten genug, dass Chefs ihrer Posten enthoben werden. An den Colleges ist das ähnlich.

Nun gut, könnte man sagen, so funktioniert Kulturdarwinismus, und mit den Achseln zucken. Wenn man aber gleichzeitig sieht, wie Arbeiter und Angestelle darin sabotiert werden, sich ganz legal in Gewerkschaften zu organisieren (prominente Stichwörter sind hier Wal-Mart und neuerdings auch Starbucks), dann erkennt man, wie schwer es ist für Gegenkräfte, sich zu formieren und den Zampanos etwas wirksam entgegen zu stellen.

An den Universitäten gäbe es durchaus Potenzial für eine Rebellion - wenn schon nicht seitens der Studenten (die oft aus armen Verhältnissen mit schlechten Schulen kommen), dann seitens der Professoren in den anderen Fächern, deren Entlohnung sicher nicht annähernd so gut ist wie die der Trainer. Ein anderer Weg ist auch denkbar: die Absc
haffung von Sportstipendien., um diese Monstermannschaften auf die Beine zu stellen. Das haben die Universitäten, die Amerikas Collegesport erfunden haben - die Ivy-League-Hochschulen Harvard, Yale, Princeton, Dartmouth, Columbia - schon vor einer ganzen Weile getan. Die waren eben klüger als der Rest.

Nachtrag: Wenn sich an dem System nichts ändert, wird es demnächst noch mehr solcher Fälle geben wie in Toledo/Ohio, wo College-Footballspieler aus der Wetterszene ansgesprochen wurden. Für ein paar Geschenke sollten sie dafür sorgen, dass ihre Mannschaft verliert. Korruption wächst dort am besten, wo die Belohnung, relativ gesehen, am größten ist. Spieler, die kein Geld verdienen und stattdessen trotz Stipendium sogar noch draufzahlen müssen, sind sicher sehr leicht zu bestechen.
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Blick zurück: College-Sportler verklagen Unis mit Hilfe von Gewerkschaften

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ist richtig das einige! der Top Coaches am College viel Geld bekommen.
Die meisten Coaches verdienen aber eindeutig einiges an Geld weniger.