8. März 2007

Michael Jordan: Illusionskünstler mit Ambitionen

Wenn erfolgreiche Sportler nach dem Ende ihrer Karriere feststellen, dass ihr Alltag sehr langweilig dahindämmert, und anfangen, sich nach einer Beschäftigung zu sehnen, die ihnen genug Geld, genug Prestige und genug Gestaltungsfreiheit bietet, kommen sie fast alle auf gleiche Idee. Sie inszenieren sich als Experte ihrer Sportart und landen dann je nach Fähigkeit und Neigung entweder in der Kommentatorenkabine oder auf der Trainerbank. Die wenigsten verfügen über soviel Chuzpe und genügend Ressourcen, sich gleich einen ganzen Club einzuverleiben. Obwohl: Heimlich denken wahrscheinlich viele so wie Michael Jordan - der klassische Go-to-Guy, der am Ende des Spiels den Ball haben wollte und die Punkte machen, die man zum Gewinnen braucht. Seitdem glaubt er ganz stark daran, dass er jeden Ball versenken kann - egal im welchem Bereich des täglichen Lebens. Die Bilanz sieht mittlerweile so aus:
• eine missratene Baseball-Karriere
• eine verpfuschte Laufbahn als Restaurantbesitzer
• eine vergurkte Episode als Chefmanager eines NBA-Teams (Washington Wizards)
• eine an die Wand gefahrene Ehe
plus ein paar vergeigte Wettmillionen auf dem Golfplatz.

Man könnte deshalb durchaus auf die Idee kommen, dass sich Michael Jordan häufig mehr zutraut, als er kann, aber wohl ständig von einem inneren Impuls und seinen Beratern und Freunden darin bestärkt wird, es trotzdem zu probieren. Das ist nicht verwerflich. Der Mann verdient schließlich genug Geld und kann damit machen, was er will. Aber man kommt irgendwann nicht mehr umhin, über die groteske Fehleinschätzung der Person und des Kaufmanns Michael Jordan nachzudenken. Zum Beispiel dann, wenn man seine Ansichten in einem ausführlichen Interview nachliest.

Das wurde unlängst von nba.com ins Netz gestellt und dokumentiert den kuriosen Fall eines Illusionskünstlers, der durchaus in der Lage ist, Dinge von der Bühne verschwinden zu lassen. Der sie aber nie wieder zurückzaubert. Michael Jordan - Hauptverantwortlicher für den Basketballbetrieb der Charlotte Bobcats und Anteilseigner, der sich mit einem erheblichen Investment in den vor drei Jahren aufgemachten Club eingekauft hat - inszeniert seine Illusionen vor allem mit Hilfe von gut klingenden Platitüden, die eine vermeintliche Kompetenz signalisieren (das nichtssagende Wort "Komponente" benutzt er im Interview allein fünfmal). Gewöhnlich hakt niemand nach. Obwohl: Es gäbe so einiges zu besprechen: So musste der Club vor einem Jahr die Preise für die Jahreskarten senken. Und das obwohl man in eine blitzblanke, nagelneue, von der Stadt gebaute Halle einziehen konnte.

Die Stimmung in Charlotte ist nicht gut: Erstens, weil sich der steinreiche Bobcats-Eigentümer Robert Johnson, der einzige schwarze Clubbesitzer in der NBA, nur sehr selten mal in der Stadt sehen lässt (auch Jordan dirigiert ebenfalls gerne von Schaltpulten weit ab vom Schuss). Und zweitens, weil das Produkt "minderwertig" ist, wie Radiomann Mark Packer neulich der New York Times erzählt hat: "Er hat in den letzten zweieinhalb Jahren einfach nicht genug Geld ausgegeben, um eine erfolgreiche Mannschaft auf die Beine zu stellen." Das kann man wohl sagen. Die Salary Cap in der NBA liegt in dieser Saison bei 53,1 Millionen Dollar. Die Bobcats geben 40,3 Millionen Dollar aus und erhalten noch aus dem großen Topf der Luxury Tax, in den Teams wie die New York Knicks und die Dallas Mavericks im großen Stil einzahlen, 2 Millionen Dollar retour. Die Zuschauerzahlen entsprechen dem Tabellenstand drittschlechteste Team der Liga steht auf Platz 27 (von 30 Teams) der Besucherstatistik.

Es wäre falsch, sportliche Wunder zu erhoffen. Die Geschichte der expansion teams in der NBA der letzten 20 Jahre ist eher betrüblich. Von den letzten sechsen schafften es die Orlando Magic einmal ins Finale (damals mit Shaquille O'Neal), waren aber gegen die Houston Rockets chancenlos. Die Miami Heat schafften es im Juni zum ersten Mal und schlugen die Dallas Mavericks. Die Minnesota Timberwolves und Toronto Raptors sind bestenfalls Kanonenfutter in den Playoffs. Und die New Orleans Hornets (früher in Charlotte) und Memphis Grizzlies (in Vancouver auf Kiel gelegt) belegen eher, dass sich die Gründungsväter schon mal mit der Auswahl der Stadt verschätzen und irgendwann den Club in eine andere Stadt verlagern.

Die Vorgeschichte mit den Hornets hätte eigentlich jeden über die Aussichten eines NBA-Clubs in Charlotte skeptisch machen müssen. Die Region mag zwar basketballbegeistert sein. Aber diese Leidenschaft wird ganz gut von den Collegemannschaften absorbiert, die in North Carolina alles überschatten - selbst einen veritablen Stanley-Cup-Sieger wie die Carolina Hurricanes. Und dass Michael Jordan aus North Carolina stammt und dort Collegemeister war, reicht irgendwann auch nicht mehr, um Menschen auf ein NBA-Team neugierig zu machen, bei dem er den Manager gibt.

Die nächste Gelegenheit, die Bobcats zu verbessern, wird er nach dem Ende der Saison haben, wenn er noch mehr Geld unter dem Salary-Cap-Limit zur Verfügung hat, als bisher. Und wenn er noch mehr junge Spieler über die Draft einsammeln kann. Sagt Jordan: "Nun müssen wir sehen, was es alles gibt und wie es in unseren Club hineinpasst." Gut formuliert. Now, stop talking and go and make it happen...
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