27. März 2007

Der letzte Maske-Ball - ein Meer von Tränen

Der letzte Maske-Kampf ist lange her. Aber die beteiligten Personen, die sich am Samstag in der Münchner Olympiahalle gegenüberstehen, sind noch immer die gleichen. Mit einem Unterschied: Sie haben körperlich den Zenit überschritten. Weshalb sollte deshalb die erneute Begegnung zwischen den beiden eigentlich anders verlaufen und attraktiver werden? Zur Einstimmung ein Blick zurück:

VOR DEM KAMPF

Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung vom 12. November 1996:
"Ein paar Schläge in die Luft, ein paar an den Körper des Sparringspartners, ein bisschen Hüpfen mit dem Seil, dann versammelt sich die Pressemeute und reckt Mikrophone an Stativen in den Ring. Maske spricht herab zum Volk wie ein Prophet zu den Pilgern; ein Prophet in Radlerhosen, der keine frohe Botschaft verkünden kann. Der Kampf werde sein letzter sein, keine Verlängerung, keine Draufgabe. Ich habe gesagt, 1997 stehe ich nicht mehr im Ring. Dabei wird es bleiben, sagt er, und dass halt irgendwann für jeden die Zeit gekommen sei, ade zu sagen."
Hans-Joachim Leyenberg am 21. November 1996 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
"Erst signierte Maske ein Porträt von sich in Öl, dann erzählte er von Hill, "der mir schon über zehn Wochen im Kopf herumschwirrt". Er horche in sich hinein. Die wahren Antworten auf alle Fragen werde er am Samstag praesentieren. Alle Gedanken, die sich um den Abschied vom Ring ranken, "schiebe ich von mir. Irgendwann muss das Ende kommen, ich habe es fuer mich gewählt. Wenn du einen Ring betrittst", so gab er eine alte Boxerweisheit zum besten, "bist du den Titel los." Die Fortsetzung sparte er aus: Du kannst ihn dir in spätestens zwölf Runden wieder holen. Maskes Manager Wilfried Sauerland, der in den vergangenen Tagen mit interpretierbaren Äußerungen zum bevorstehenden Rücktritt zitiert worden war, rückte mit einem Satz alle Spekulationen zurecht: "Ich bin mehr als glücklich, dass er diesen Zeitpunkt gewählt hat." Es wird die zwölfte Weltmeisterschaft seines Zugpferdes. Sauerland sagt: "Wie man einsteigt, soll man aussteigen." Mit einem Sieg also. Wie damals, als Maske im März 1993 "Prince" Charles Williams entthronte. Hill hörte amüsiert zu, mit der Tochter auf dem Schoß. Natürlich sei er gekommen, um den Weltmeistertitel mit in die Vereinigten Staaten zu nehmen. Wenn dem anders wäre, "hätte ich meinen Beruf verfehlt." Als er gefragt wurde, ob das nicht arrogant sei, belehrte er den Fragesteller: "Das Boxen ist Business.""
Peter Unfried in der TAZ vom 23. November 1996:
"Rechtsausleger Maske hat im Sparring versucht, seine Stärken auf Hill "einzustellen". Hills Stärke ist der linke Jab, mit dem er seine Kämpfe zu diktieren pflegt. Das weiß Maske. Das Periodikum Boxing Monthly rät Hill, gegen Maske gelegentlich auch die rechte Schlaghand zu bringen. Das ahnt Maske natürlich auch. Fragen zum Kampfverlauf blockt er, wie immer, ab. "Sie können nicht kalkulieren", sagt der Kalkulator, "sie können nicht sagen, in Runde 3 mach'ich dies, in Runde 5 das." Aber: Gedanken hat er sich doch gemacht? Sofort drückt er den Kopf des Fragenden herunter und schießt eine Rechte ab: "Habe ich den Eindruck erweckt, dass ich mir keine Gedanken mache?" Dann setzt er nach: "Er macht sich ja auch Gedanken."

NACH DEM KAMPF

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 24. November 1996:
"Hill blieb aber ein jederzeit gefährlicher Gegner. Das bekam Maske am Ende der neunten Runde zu spüren, als ihn der Amerikaner empfindlich traf. Verbissen wurde der anfangs stilistisch einwandfreie Kampf zu Ende weitergeführt. Hill suchte immer wieder seine Chance im Clinch, um die Reichweitenvorteile von Maske nicht zur Geltung kommen zu lassen. Dies behagte dem Deutschen hingegen nicht. Am Ende der elften Runde waren beiden die Strapazen deutlich anzumerken. Nicht schün - so dies bei einem Boxkampf überhaupt möglich ist - aber spannend blieb der Kampf, in dem sich die beiden Weltmeister manchmal wie in einem Ringkampf beharkten. Über den möglichen Sieger schienen sich nicht nur die Kämpfer nicht einig zu sein - zwei der drei Ringrichter entschieden sich zum Ärger der Zuschauer für Virgil Hill."
NZZ am 25. November 1996:
"Der deutsche Vorzeigeboxer - das wurde bereits in der Vorbereitungsphase klar - wollte seinen bereits vor geraumer Zeit bekanntgegebenen Rücktritt mit einem großen Kampf krönen. Im Ring selber aber wirkte Maske vom ersten Moment an verkrampft. Er fand nie die richtige Einstellung, blieb statisch, ergriff zu selten die Initiative und ließ fast jede Aggressivität vermissen. Und er tat seinem Namen Gentleman Henry jede Ehre an: Auf die kleinen Fouls seines Herausforderers wirkte er hilflos und amateurhaft."
Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung vom 25. November 1996:
"Dann entschuldigt er sich, und seine Stimme schlingert ein wenig, dann sagt er, dass es auch ohne ihn weitergehen werde mit dem Boxen in Deutschland, obwohl die Amerikaner die Deutschen jetzt ja wieder dort haetten, wo sie ihrer Meinung nach hingehörten: in der boxerischen Zweitklassigkeit. Das ist ein dummer Vorwurf an die Offiziellen, aber ein schlechter Verlierer ist er deshalb nicht. Manchmal fällt es leichter, eine Niederlage anzunehmen, wenn man sich erstmal von ihr entfernt, indem man anderen die Schuld daran gibt.

Danach trottet er durch den Ring, ein paar Tränen laufen ihm die Wangen herunter, der ganze Mann ein Bild des Jammers. Er setzt sich auf den Boden, das Mikro noch immer in der Hand, fast verschwindet er im weiten Boxermantel, wie ein Kind, das nicht mehr weiter weiß und die Bettdecke ueber sich zusammenzieht. Es bebt ein wenig unter dem Mantel. Henry Maske weint. Vorm Ring heulen Männer und Frauen."
Focus 2. Dezember 1996:
"Der Tränenfluss beim letzten Maske-Ball war schnell versickert. Wer in der Münchner Olympiahalle leise live mitgeschluchzt oder daheim vor seinem TV-Geraet feuchte Augen hatte, war tags darauf wieder ganz realistisch. Es war nämlich ein "furchtbares Gewürge und Gerangel", kommentierte beispielsweise Graciano Rocchigiani.

Maskes Abschiedsvorstellung gegen den Amerikaner Virgil Hill sei eines WM-Fights nicht würdig, sondern allenfalls geeignet gewesen, bei der Kandidatenkür fuer den Friedensnobelpreis weit vorn zu liegen, spotteten viele Boxfans. Außerdem habe Henry im Einzeltraining bei Sponsorin Margarethe Schreinemakers gelernt, wie man dekorativ flennt. Sogar drei Männer aus Maskes engstem Umfeld ließen ihren langjährig verhätschelten und umjubelten Star im Tal der Tränen allein. Manager Wilfried Sauerland und sein Technischer Leiter Jean-Marcel Nartz sowie Trainer Manfred Wolke verkündeten noch Tage nach dem Münchner Spektakel nahezu wortgleich, so schlecht, so schwach und so einfallslos habe ihr Henry noch nie geboxt. Das Kapitel Maske war für sie abgehakt, nachdem sie mit dem Mann aus Frankfurt/Oder in den vergangenen Jahren viele Millionen verdient hatten."

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