Wenn eine Mannschaft wie die New England Patriots von dem strikten Regime der Salary Cap in der NFL in die Mangel genommen wird, dann kommt irgendwann der Tag, an dem man die Auswirkungen mit Händen greifen kann: Raus in der ersten Playoff-Runde, ohne die Spur einer Chance. Ein Team von dieser Güteklasse mit drei Super-Bowl-Erfolgen und einer weiteren Super-Bowl-Teilnahme kann man nämlich nicht ewig zusammenhalten. Genauso wie man nicht den alten Trainerstab bezahlen kann, wenn von anderen Clubs lukrative Angebote an die Assistenten eintreffen. Angebote mit dem hochdekorierten und bestens bezahlten Posten des Head Coach.
Trotz des ständigen Talentabflusses hat der ewige Griesgram Bill Belichick seinen Laden auf erstaunliche Weise jahrelang in Schuss gehalten. In manchen Phasen generierte er die Überlegenheit aus klugem und genau getaktetem Tun, vor allem in der Defensive. Dann griff er nach Spielern, die woanders als untrainierbare Diven in die Ecke gestellt worden waren und nicht halb so viel kosteten, wie sie in seinem gut geölten Spielschema wert waren (man denke an Randy Moss 2007 für einen Viert-Runden-Draftplatz oder an Corey Dillon für einen Zweit-Runden-Pick 2004 oder auch an Wes Welker, der 2007 aus Miami kam und sich seitdem auf Platz eins der Wide Receiver in der Liga in der Kategorie Receptions vorgearbeitet hat).
Und dann waren da noch jene couragierten und konsequenten Entscheidungen gegen den Strich eines konventionellen Football-Wissens. Man kann mit dem Namen Tom Brady das eine Ende der Zeitachse markieren. Und mit dem Namen von Sebastian Vollmer das andere Ende. Niemand gab nur einen Rattenschiss auf Vollmer, als vor ein paar Monaten die Draft anstand. Und niemand, der das Team und den Trainer einigermaßen zu kennen glaubte, konnte sich ausmalen, was Belichick an dem relativ unbeschriebenen deutschen Blatt gesehen hatte. Die Saison der Patriots ging am Sonntag in der kalten Brise des Gillette Stadium zu Ende. Vollmer war die Offenbarung schlechthin. Er spielte absolut fehlerfrei, ließ keinen Ravens-Spieler an sich vorbei und zeigte nach einem von Baltimore abgefangenen Brady-Wurf, dass er im Falle einer Interception nicht den Stecker aus dem mentalen Stromnetz zieht. Er war einer der beiden Tackler, der sich lang machte und sich dem Gegner entgegenwarf, um das Schlimmste zu verhindern.
Ein Vollmer ist natürlich nicht genug. Schon gar nicht an einem Tag, an dem man mindestens zwei gebraucht hätte. Und obendrein einen motivierten Randy Moss, einen gesunden Wes Welker und einen Tight End, der besser blockt. Aber warum sollte Belichick nicht im Frühjahr den einen oder anderen Nachwuchsspieler von Format aus dem Topf ziehen? Wieder mal scheinen die Patriots vorbereitet – auch auf dieses zwangsläufige Formtief einer unabwendbaren zyklischen Entwicklung – mit dem die Buffalo Bills, die Detroit Lions, die Kansas City Chiefs und andere nicht umgehen können. Sie haben für die beiden kommenden Jahre eine ganze Reihe von guten Draftplätzen gehortet. 2010 sind dies zwei zusätzliche Picks in der zweiten Runde. 2011 ist es ein zusätzlicher Pick in der ersten Runde und zwar der von den Oakland Raiders, die noch immer schlecht genug sind, um daraus einen Spitzenplatz werden zu lassen.
Ehemalige Belichick-Assistenten, die sich woanders den Chefposten sichern konnten und die beim letzten Super-Bowl-Erfolg der Patriots 2004 noch zu Belichicks Stab gehörten, wirken nachträglich weniger als Aderlass, wie man das annehmen durfte. Unterm Strich: Alle vier haben ohne Belichick nichts für ihren Ruf tun können. Nur ihr Bankkonto sieht inzwischen sehr viel besser aus.
• Romeo Crennel, vier Jahre bei Cleveland Browns – kein einziges Mal in den Playoffs. Im letzten Jahr entlassen und ersetzt durch
• Eric Mangini, der vorher die New York Jets trainiert hatte, die ohne ihn endlich wieder in Fahrt gekommen sind und am Wochenende gegen die San Diego Chargers spielen.
• Charlie Weis wurde soeben nach vier Jahren in Notre Dame entlassen, nachdem er kein besonders gutes Bild abgegeben hatte. Was nicht an seiner Leibesfülle lag.
• Josh McDaniels, der zu Beginn der laufenden Saison die Denver Broncos übernahm und nach einem Blitzstart aus dem Ruder laufen ließ.
Noch ein paar Namen aus der Zeit, als Belichick in Cleveland amtierte: Dort hatte er Rex Ryan als Linebacker-Coach, jetzt hauptverantwortlich für das Defensivmonster in Grün besser bekannt als New York Jets. Dazu: Jim Schwartz (Detroit Lions) und die College-Cheftrainer Nick Saban (Alabama), Kirk Ferentz (Iowa), Pat Hill (Fresno State) and Al Groh (Virginia).
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