11. Mai 2007

NASCAR: Was die Leute alles stiefmütterlich behandeln

Man fragt sich oft im Rahmen der Überlegung, welche Themen einen besonderen Stellenwert haben und welche nicht, weshalb die Medienarbeiter-Herde überwiegend in eine Richtung rennt. Es gibt so viele Futtertröge. An jeder Ecke der Weide. Aber einer scheint die schmackhafteste Mischung zu versprechen: der, auf dem "Klatsch und Tratsch" steht. Die Ausscheidungen dieser Fütterungen langen zwar in den Tageszeitungen klassisch in einem engen Getto namens "Vermischtes". Aber die Ausdünstungen schrecken nicht ab. Ganz so wie in dem alten Spruch "Fresst Scheiße, Milliarden von Fliegen können nicht irren." Dieser Blog ist bestimmt nicht fleckenrein. Also, bitte, keine Retourkutschen und Ätsch-bätsch-Kommentare, nur weil ich an dieser Stelle auf eine seltsame Konstellation aufmerksam machen möchte, die zeigt, wohin die Vergelblichung des sportjournalistischen Impetus auf die Dauer führt.

Nehmen wir NASCAR, diese aufstrebende publikumswirksame Automobilrennserie mit Fahrzeugen, die keiner aus 20 Metern unterscheiden könnte, wenn sie nicht bunt beklebt wären. Da hat doch tatsächlich vor kurzem einer der besten Fahrer gesagt, dass die Rennen so manipuliert werden wie Wrestling. Und zwar weil irgendjemand ganz oben Regie führt. Der Vorwurf von Tony Stewart zielte auf den Kern der Glaubwürdigkeit der Veranstaltungen, an denen Leute wie der Kolumbianer Juan Pablo Montoya teilnehmen, die schon mal gerne ihren eigenen Teamgefährten ruppig aus der Bahn drücken. Der Vorwurf gehört untersucht. Und zwar von seriösen Medien wie der New York Times oder Sports Illustrated mit dem Geld und der Zeit für die Recherchen. Aber dann machte Stewart einen Rückzieher, und schon verschwand das Thema vom Radarschirm.

Statt dessen greifen alle den Familienstreit im Hause Earnhardt auf, bei dem es abgesehen von ein paar Eitelkeiten um gar nichts geht. Erstens hat Dale jr. noch nie den Cup gewonnen, der früher Winston hieß und jetzt Nextel genannt wird. Will sagen: Ein klangvoller Name aus der Erbmasse allein sorgt nicht für Prestige und Statur. Zweitens braucht er in seiner Lage nicht zwingend den Mehrheitsbesitz an einem Team (in diesem Fall das seines toten Vaters, auf dem dessen Witwe - seine Stiefmutter - sitzt wie eine Glucke, die nicht begreift, dass all ihr Brüten keine Küken produzieren wird). Denn das Geld verdient man als Fahrer ohnehin ganz anders: mit Werbeverträgen, mit Merchandise-Verkäufen. Die Piloten müssen sogar traditionell ihre Gewinnprämien in den Team-Topf werfen, weil es sonst nicht reicht.

So ist es nur konsequent, dass er geht und die Nummer 8 an seinem Auto zurücklässt. Denn sein wichtigster Partner, die Biermarke Budweiser mit der Brauerei Anheuser-Busch hält ihm die Treue. Aber in den Zeitungen unter beim World Wide Leader of Sports, der Sportnachrichtenmaschine ESPN, ist man schier aus dem Häuschen. Sein Weggang werde quer durch den ganzen NASCAR-See Wellen schlagen, behauptete etwa die New York Times, werde eventuell das Gehaltsgefüge der Fahrer, die Verkäufe von Merchandise-Artikeln und sogar die Einschaltquoten beeinflussen, "ganz zu schweigen vom Kräfteverhältnis zwischen den Teams". So mächtig soll einer sein, der nicht zum Clan der Familie France gehört, die NASCAR von oben nach unten beherrscht? Der nicht dauernd gewinnt, sondern auf Platz 12 der aktuellen Punktewertung steht, während ein Mann wie Jeff Gordon - zugegeben nicht halb so populär - zur gleichen Zeit die Karriereleistung des Vaters relativiert.

Frage: Was trinken Leute bei einem Pressetermin bei Dale jr.? Zuviel Budweiser? Oder atmen sie die Auspuffgase seines Chevrolets ein?

Dale Earnhardt BLVD
Originally uploaded by Jym Ferrier

Foto: flickr.com/creative commons/jymferrier

1 Kommentar:

DonDahlmann hat gesagt…

Naja, so ganz falsch sind die Annahmen der NYT nicht. Junior hat eine Fanbase, die ungefähr die Hälfte der NASCAR Fans ausmacht. Allein das Merchendising, dass jetzt durch die neue Startnummer kommen wird, dürfte dem Bruttosozialprodukt eines mittleren afrikanischen Staats entsprechen.

Bisher war er in einer Art Warteposition. Das Team seiner Stiefmutter war schlecht geführt und zu klein, um ganz nach vorne zu fahren. Deswegen die mögliche Machtverschiebung. Seit etlichen Jahren ist Childress Racing nicht mehr gut unterwegs, dafür Hendrick Motorsport, die glaube ich 6 der letzten 11 Meisterschaften gewonnen haben. Wenn Junior wirklich der überragende Fahrer ist, und das bei seinem neuen Team umsetzen kann, dann wird es eine Neuordnung in der NASCAR Hackordnung geben. Aber das muss erstmal beweisen. Bekannt ist, dass er auf den Superspeedways schnell ist, bei mittleren Ovalen, die viel häufiger gefahren werden, sieht seine Siegbilanz nicht so gut aus.