Olympische Spiele waren schon immer irgendwie auch Politik. Hitler in Berlin und seine Rassenshow. Die Boykott-Maßnahmen gegen die Veranstaltung 1980 in Moskau und die Revanche der Geschmähten 1984 in Los Angeles. Der Ritterschlag für die chinesische Diktatur 2008.
Da darf man sich nicht wundern, wenn Barack Obama nach Kopenhagen fliegt, um beim IOC-Kongress ein paar Wahlberechtigten tief in die Augen zu schauen und ihnen in wenigen Worten zu bedeuten, dass Chicago den Zuschlag für 2016 zu bekommen habe. Es ist ihm ein Anliegen. Denn Chicago ist die Stadt, in der er sich nach Wanderjahren wirklich zu Hause fühlt und die er zusammen mit dem Staat Illinois im Senat vertreten hat. Sollte er 2012 wiedergewählt werden, wäre er das Staatsoberhaupt, dem es obläge, die Spiele offiziell zu eröffnen.
Die Olympischen Spiele fanden in den letzten Jahrzehnten ziemlich oft in den USA statt: 1980 in Lake Placid, 1984 in Los Angeles, 1996 in Atlanta, 2002 in Salt Lake City. In Südamerika noch nie. Weshalb sich professionelle Deuter, die den Stimmungspegel gerne schon vor der offiziellen Abstimmung ausloten, Rio de Janeiro sehr gute Chancen für 2016 einräumten. Die ursprüngliche Entscheidung von Barack Obama, nur seine Frau Michelle zu schicken und nicht selbst nach Dänemark zu gehen, wirkte wie eine Bestätigung. Die Theorie: Der Mann im Weißen Haus kann es sich nicht leisten, sich auf einer so großen Bühne eine Niederlage einzuhandeln. Also bleibt er lieber zu Hause. Dann kann ihm niemand nachsagen, er habe seine Zeit vertan.
Am Montag wurde in Washington offiziell verkündet, dass der Präsident nun doch nach Kopenhagen reist. Folgt man der dargelegten Logik, heißt das: Er verfügt über hinreichende Informationen, wonach Chicago das Rennen machen wird. Darüber, wie der Meinungsbildungsprozess der IOC-Mitglieder abläuft, kann man nur spekulieren. Sicher ist: Chicago wäre eine bestens ausgerüstete und präparierte Stadt für die Mammutveranstaltung und böte mit ihrer attraktiven Wolkenkratzerlandschaft als Hintergrund den Kanuten, Ruderern, Seglern und Triathleten ideale Bedingungen direkt vor der Haustür. Den letzten Rest Zweifel beseitigten die Ortspolitiker, als sie eine Subventionsgarantie beschlossen, die die finanziellen Risiken der privat finanzierten Veranstaltung ausräumt.
Für Chicago spricht aber auch, dass die Fernsehrechte noch immer nicht vergeben sind. Die dürften hunderte von Millionen Dollar mehr wert sein, wenn die Spiele in den USA stattfinden. Zumal diesmal einem Mitanbieter mit riesigen Taschen die Tür geöffnet wurde. ESPN sollte in der Lage sein, die anderen amerikanischen Sender aus dem Feld zu schlagen und bis zu 1,5 Milliarden Dollar offerieren können. Fände das Ereignis in einer anderen Stadt in einem anderen Land statt, würde das Interesse nicht halb so groß sein.
Das Bild, das das Bewerbungskommittee herausgegeben hat, zeigt übrigens Michelle Obama nach der Landung in Kopenhagen.
Blick zurück: Mein Radiobericht aus Chicago von vor ein paar Tagen im Deutschlandfunk, als Obama beschloss, in Washington bleiben zu wollen.
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