10. Dezember 2009

Die Moral der Tanz-Clowns

Die Tiger Woods Webseite tigerwoods.com wird ganz offensichtlich nicht von ängstlichen Betreibern überwacht. Sonst würden sich nicht seit Tagen unter einem älteren Beitrag über ihn und seine Reisen hunderte von Leuten mit hässlichen Kommentaren verewigen dürfen. Der Auslöser war die Frage eines Menschen und die Antwort dazu, in der Tiger Woods sich wie ein Briefkastenonkel gibt. "Ich kann mir vorstellen, dass es hart ist, von ihnen so weit weg zu sein, wo du jetzt Kinder hast", schrieb ein Rupert aus Houston. Worauf der Golfer mit den Worten reagierte: "Du hast total recht. Es ist sehr schwer geworden, Elin und die Kinder zurückzulassen. Und ich denke, das wird nur noch schwieriger." Solche Sätze sind ein gefundenes Fressen für ein Publikum, das jedes Wort des ehemaligen Mister Clean Image auf die Goldwaage legt.

Tiger Woods hat nicht viele Apologeten. Aber zumindest einer ist darunter, der wortmächtig genug ist, die gesamte amerikanische Medienmaschinerie zu attackieren. Jason Whitlock, der schon häufiger den Antagonisten heraushängen ließ, weist in einem ellenlangen und nicht wirklich kohärenten Text darauf hin, dass die Tatsache, dass Woods als Repräsentant des schwarzen Amerika (durch die Abstammungslinie seines Vaters, die Mutter kommt aus Thailand) vor allem darunter leiden muss, dass er eine weiße Frau und dazu noch eine Blondine geehelicht hat. Andernfalls wären seine Verfehlungen auf dem Niveau von Mike Tyson und seiner ersten Frau Robbie Givens abgehandelt worden und schnell abgehakt gewesen.

Wo Whitlock gut auf den Punkt kommt, ist in dem Vorwurf an die Adresse irgendwelcher selbsternannter Moralapostel aus den Medien, darunter auch Herm Edwards (Sohn eines schwarzen Armeeangehörigen und einer deutschen Mutter), die so tun, als gehe es wirklich darum, einem Menschen wie Woods das Gelöbnis zur Monogamie abzuverlangen (während der Rest der Welt nicht die Bohne nach diesem Standard lebt). Ganz zu schweigen von jenem völlig verzerrten Blick auf das Leben von Stars.

"Zu dem Zeitpunkt, als das Geld des Fernsehens und das Scheinwerferlicht dafür sorgte, dass ein 20-jähriger Athlet auf einen Schlag ein Millionär, ein Prominenter und eine Marke werden kann, wurden die Jordans, Peyton Mannings, Le Bron James, Roger Clemens, Tiger Woods und die Michael Phelps dieser Welt so etwas wie Jon Bon Jovi, Mick Jagger, George Clooney, LL Cool J, Brad Pitt, Britney Spears, Elizabeth Taylor und Robert Redford. Mit wievielen Frauen hat deiner Meinung nach Jagger in seiner besten Zeit gepennt? Sein Reichtum, sein Ruhm und sein Aussehen sind blass im Vergleich zu dem von Tiger." Mit anderen Worten: "Der typische Rock- oder Filmstar würde über Tiger lachen und seinen Sexualtrieb in Frage stellen, wenn der Golfer sich auf eine Zahl von 50 [Frauen] oder weniger seit seiner Heirat beschränlen würde und auf 500 in seinem gesamten nachpubertären Leben."

Wer hat hauptsächlich Schuld daran, dass so gut wie niemand in den amerikanischen Medien das Thema Woods auf eine kluge Weise bearbeitet? Der world wide leader in sports? "ESPN hat den Sportjournalismus umgebracht. Es hat unsere Besten und Intelligentesten angestellt und sie überbezahlt und sie mit Ruhm überschüttet und dabei viele von ihnen in Tanz-Clowns verwandelt, die nicht darauf vorbereitet sind, die Sportwelt zu analysieren, die sie angeblich behandeln."

Und dann zitiert Whitlock einen Soziologen, der sich an den Fall O. J. Simpson erinnert fühlt, in dem die weiße Ex-Frau eines der beiden Mordopfer war. Der meint, dass sich das weiße und das Geschäfts-Amerika sich betrogen fühlt, wenn ein Schwarzer mit Wohlstand und Privilegien versorgt worden ist und dann doch nicht dem übermenschlichen Image entspricht, dass seine Sponsoren von ihm entworfen haben.

1 Kommentar:

Kid hat gesagt…

Alles, was ich über Tiger Woods lese, lese ich hier. Ich fühle mich dennoch nicht mit Informationen unterversorgt. :-)

Natürlich spielt es eine entscheidende Rolle, wer was und wieviel schreibt. Es ist jedoch nicht unwichtig, was Menschen lesen (wollen) und worüber sie reden.

Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Es ist einerlei, Journalisten und Publikum befeuern sich gegenseitig und alle bekommen, was sie wollen.

Nun ja, fast alle. Manch einer wendet sich ab oder ingnoriert gewisse Schlagzeilen einfach, damit er sich nicht erst abwenden muss. :-)

Ob Tiger Woods Hautfarbe eine Rolle bei der Art und Weise der Berichterstattung spielt? Möglich ist das. Es ist auch möglich, dass sein vorher gepflegtes Image die mediale Welle verstärkt, die nun über ihn hereinbricht. Seine Popularität allein kann der Grund jedoch nicht sein, wie mir scheint.

Gruß vom Kid