15. Dezember 2009

Pfuschen mit der Zentri-pfui-ge

Das hübsche an gründlichen Recherchen über die Arbeit von Ärzten: Sie werfen Licht auf ganz erstaunliche Reflexe, wie sie vermutlich auch in anderen Branchen existieren. Aber dort geht es meistens nicht um Leben und Tod. Man nehme den Fall des kanadischen Arztes Dr. Anthony Galea, der sich im Laufe der Jahre im Sportbereich eine beachtliche Reputation erarbeitet hat. Zur Zeit steht die vor allem aus einem Grund auf der Kippe: Er soll den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in seinem Heimatland zufolge den schmalen Grat zwischen gerechtfertigter therapeutischer Intervention und unmoralischer Leistungsmanipulation bei seinen Patienten überschritten haben.

Einen Tag später allerdings liest man in der New York Times, dass der Mann seinen guten Ruf womöglich gar nicht verdient hat. Denn zum Beispiel einer Reihe von Major-League-Baseballspielern, die sich bei ihm in Behandlung befunden haben, konnte er offensichtlich gar nicht helfen. Wir gehen aber mal davon aus, dass er seine teuren Rechnungen trotzdem liquidiert hat.

Wie wird ein Mann, der Leuten Blut abzapft, es durch eine Zentrifuge jagt und es als mit Plättchen-angereichertes Plasma in die verletzten und operierten Sehnen, Bänder und Muskeln injiziert, eigentlich zum Wunderdoktor? Wieso bestellt jemand wie Tiger Woods den Mann ins Haus und lässt ihn für teures Geld monatelang immer wieder einfliegen, wenn seine Methoden ganz offensichtlich keinen dauerhaften Erfolg produzieren konnten? Die Antwort auf eine solche Frage hat sehr viel mit dem Wirkungszusammenhang von Angebot und Nachfrage und dem von Public Relations und Reputations-Management zu tun. Es gibt keine Ärzte, die jedem bei jedem Leiden helfen können. Aber es gibt den Mythos des weißen Kittels, die bestens eintrainierte Verkaufsmasche von Medizinern, die nie allen alles versprechen, aber immer betonen, wie sehr sie es trotzdem versuchen.

Welche Alternativen hat der Hochleistungssportler denn auch, wenn er nicht seinem Körper mehr Zeit und vernünftige Ernährung gönnen will, um die im biologischen Bauplan verankerten Heilungsprozesse zu fördern? Soviele vermeintliche Wunderheiler gibt es selbst in den USA nicht. Und dort gibt es sehr viele ausgewiesene Spezialisten. Also lässt man sich bei der Entscheidung für den Sportarzt von anderen Dingen leiten. Zum Beispiel von einer Liste von Patienten, die ein erfolgreicher Arzt auf Anfrage vermutlich immer gerne Preis gibt. Dr. Galea zum Beispiel hat Alex Rodriguez betreut, ist der Mannschaftsarzt der Toronto Argonauts in der Canadian Football League, und er hat einen Praxispartner, der als Chiropraktiker in der Sportbranche einen Ruf wie Donnerhall genießt. Der kann einem notfalls auch Patienten ins Haus holen, so wie das im Fall von Tiger Woods geschehen sein muss, wenn die New York Times nichts falsch verstanden hat. "Enttäuscht von den Fortschritten bat im Februar Dr. Lindsay Dr. Galea, sich Woods anzuschauen. Der litt unter Larsen-Johansson-Krankheit [eine schmerzhafte Entzündungsreaktion des Ursprungs der Kniescheibensehne an der Spitze der Kniescheibe] und hatte Narbengewebe im Muskel entwickelt." Das sei üblich nach einer Außenband-Operation, meinte Dr. Mark Lindsay, der übrigens mit einer ehemaligen kanadischen Weltcup-Skifahrerin verheiratet ist und aus dem Teil der Welt sicher eine Menge über kaputte und geflickte Knie weiß. Und angeblich half der Schuß aus der Zentrifuge ja auch. Bis dann... irgendwann... doch nicht mehr.

Auch so etwas ist üblich: Denn tatsächlich gibt es für ärztliche Maßnahmen so gut wie keine Garantien. Erstens, weil die Diagnose oft nicht greift. Und zweitens, weil die Natur aus irgendeinem komischen Grund den Wissenschaftlern noch immer irgendwelche Schnippchen schlägt. Das wird dann meistens nur so gut wie nie den herumdokternden Ärzten aufs Butterbrot gestrichen. Weshalb es oft Jahre dauert, bis Kurpfuschern und Scharlatanen die Kundschaft davonläuft.

Immerhin scheint die Eigenblut-Injektion bestimmte Wirkungen zu haben, wenn auch womöglich nicht in dem Bereich der Gelenktherapie, in dem Dr. Galea sich seinen Namen gemacht hat. Sondern im Bereich der akuten, aber betrügerischen Form der Leistungsteigerung, die man aus Sicht der Sportethik gerne als Doping bezeichnet. Galeas Zentrifugalkräfte (und die seiner Kollegen) werden deshalb von der WADA beäugt.

Für 2010 gilt darum übrigens folgendes: Blood Spinning, wie die Behandlungsmethode üblicherweise genannt wird, ist verboten, wenn intramuskulär gespritzt wird. Andere Formen der Anwendung verlangen, dass die Sportler und ihre Ärzte der Dopingaufsicht dies mitteilen ("declaration of use"), um sich eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen ("therapeutic use exemption"). Eine solche Regelung besagt nichts anderes als: ja, die Methode wirkt – um zu dopen.

Das hat man auch von Tiger Woods vernommen, der sich dem gestrigen Bericht der Times nach der ersten Fixe ins linke Knie zufolge derart stark vorkam, dass er auf einen Tisch hätte springen wollen. Geheilt war er nicht, aber Energie hatte der Junge im großen Stil.

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