Vor einem Jahr wurde Meleanie Hain zu einem Symbol für den Waffenwahnsinn in den Vereinigten Staaten. Die Frau trug eine geladene Pistole der Marke Glock im Holster, während sie am Spielfeldrand stand und ein Fußballspiel ihrer fünfjährigen Tochter verfolgte. Die Szene, die sich aufgrund besorgter anderer Eltern in den Medien niederschlug, spielte sich auf dem platten Land in Pennsylvania ab – zig Kilometer von der nicht ganz ungefährlichen Millionenmetrople Philadelphia entfernt – in der Nähe des Landstrichs, in dem die Amish leben, die friedfertigen Nachfahren einer strenggläubigen Einwanderergruppe aus Deutschland, die Strom, Autos und andere Errungenschaften der Moderne ablehnen.
Es gibt in den USA viele kuriose Argumente, mit denen die Waffenlobby den Besitz von Handfeuerwaffen aller Art rechtfertigt. Zu ihnen gehört, dass Menschen, die geladene Pistolen tragen, sich auf diese Weise jeder Zeit gegen gefährliche Übergriffe verteidigen können. Die Tatsache selbst soll eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Gewalttäter haben. So gibt es Leute in diesem Land, die in Diskussionen zum Thema ernsthaft behaupten, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nur deshalb nicht von Hitlers Armeen überfallen wurde, weil jeder Eidgenosse in seiner Rolle als wehrpflichtiger Milizionär ein Gewehr im Schrank hat. Das Risiko, von diesen Soldaten zurückgeschlagen zu werden, war den Nazis angeblich zu groß. Dieselbe Wehrmacht, die in die Sowjetunion einmarschierte, Polen und Frankreich trotz beachtlichen Widerstands im Eiltempo besetzte, in Norwegen und Nordafrika landete und tausende von Fallschirmjägern über Kreta aus dem Flugzeugen kippte, besaß demnach vor niemandem Respekt außer vor den Schweizern und ihren Karabinern.
Natürlich brauchen Amerikaner im Grunde überhaupt keine Rechtfertigung für ihre Ballermänner, denn die Verfassung garantiert den Bürgern dieses Privileg im Second Amendment. Das wurde zwar damals kryptisch formuliert, aber neulich vom Obersten Gerichtshof im Kern noch einmal so ausgelegt: Eine Stadt wie Washington, D. C. kann selbst, wenn die Gewalt- und Waffenkriminalität ins Unkontrollierbare steigt, nicht per Beschluss der politischen Organe den Besitz von Pistolen und Gewehren pauschal verbieten.
Und so könnte nach dem Willen des Supreme Court keine Stadt und kein Bundesstaat verhindern, was Meleanie Hain vorgestern zugestoßen ist. Sie wurde in ihrem eigenen Haus von ihrem eigenen Ehemann erschossen. Der brachte sich anschließend mit einer Schrotflinte um. Die drei Kinder waren aus dem Haus geflüchtet. Meleanies Glock hing im Holster an der Tür.
2 Kommentare:
Durchatmen.
Ein Glück, daß die Kinder flüchten konnten.
Ohne jetzt die Hintergründe der Geschichte zu kennen: Wahnsinn! Und zwar in jederlei Hinsicht wahnsinnig.
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