Irgendwann zwischen all den Elogen auf den Ritter der Landstraße und den unablässigen Versuchen, ihn vor den schwersten Angriffen in Schutz zu nehmen, muss dem amerikanischen Autor und Radsportexperte Martin Dugard doch noch ein Licht aufgegangen sein. Kein großes. Denn dazu war er viel zu lange von den verwinkelten Facetten der klassischen Aufsteiger-Biographie von Floyd Landis gefangen. Aber ein kleines. Und also beschloss er, einen Artikel zu schreiben, der letzte Woche, nur wenige Tage vor dem Beginn der Berufungssverhandlung in der Dopingsache Floyd Landis in einem Lifestyle-Magazin in Kalifornien erschien und in der Radszene für Aufsehen sorgte.
Der Text enthält keine sensationellen Erkenntnisse. Außer vielleicht jenem hingeworfenen Zitat, mit dem Dugard zum ersten Mal andeutet, dass Landis wohl schon immer mehr über illegale Substanzen gewusst hat, als er öffentlich zugibt: “Nur dass du es weißt, Marty”, hat der 32-jährige Sportler seinem Bewunderer mal in einem achtlosen Moment in einem Restaurant in Kalfornien gesagt. “Lance hat gedopt.” Es war denn auch weniger der Mangel an handfesten Informationen, der die große Fangemeinde des berühmtesten Manipulateurs in der Geschichte der Tour de France in Wallung brachte. Sondern dass er am Ende erklärte, dass ein Mann mit seinem Wissensstand auf gar keine andere Schlussfolgerung als diese kommen kann: “Denkst du, dass er es getan hat? Ja.”
Das Schiedsmännergremium des Court of Arbitration of Sports (CAS), das ab Mittwoch in einer Anwaltskanzlei in New York mit einer auf sechs Tage angesetzten Beweisaufnahme den Fall Landis noch einmal aufrollt, könnte durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Denn das Sportgericht wird sich nicht darauf beschränken, die rechtmäßige Abwicklung des erstinstanzlichen Verfahrens zu bewerten, das im September des letzten Jahres mit einem Schuldspruch und einer Sperre bis zum Januar 2009 endete. Bei der neuerlichen Verhandlung wird alles ganz genau ein zweites Mal durchgenommen, um zu bestimmen, ob Landis auf der 17. Etappe der Tour 2006 nach Morzine synthetisches Testosteron im Körper hatte und ob das französische Labor, das den Nachweis führte, korrekt gearbeitet hat.
Der größte Unterschied zum ersten Verfahren in Santa Monica vor knapp einem Jahr, das mehr als eine Woche dauerte und eine 84 Seiten starke Urteilsbegründung produzierte: Die Öffentlichkeit ist diesmal, so wie sonst auch, ausgeschlossen. Und sie ist darauf angewiesen zu spekulieren. Immerhin wollen die CAS-Juroren am Ende der Beweisaufnahme in New York einen verbindlichen Termin dafür nennen, wann sie ihre Entscheidung verkünden wollen.
Während dessen hat Dugard erfahren dürfen, was es heißt, “der Prügelknabe dieser Quasi-Radsportfans” zu sein, die glauben, dass “Fahrer aus jedem anderen Land dopen, nur nicht aus Amerika”. Früher hat er von dieser engstirnigen Haltung durchaus profitiert. Sein Buch “Chasing Lance”, das den siebten Tour-de-France-Erfolg von Armstrong im Jahr 2005 unkritisch beschreibt, verzichtet auf die Auseinandersetzung mit dem Kernthema des Radsports.
Dabei signalisiert die wetterwendische Neuorientierung des Autors nicht mehr als einen Stimmungswandel im ganzen Land. Der geht vor allem auf die Meineidprozesse zurück, die als Ausläufer der BALCO-Ermittlungen Sportler wie Marion Jones ins Gefängnis gebracht haben. Ein ähnliches Schicksal versucht übrigens derzeit in San Francisco die ehemalige Radfahrerin Tammy Thomas abzuwenden. Sie war ebenfalls am Rand der staatsanwaltlichen Untersuchungen gegen Victor Conte und das von ihm vertriebene THG ins Räderwerk der Justiz geraten. Sie bestitt unter Eid, Mittel aus der Fabrikation des inzwischen ebenfalls verurteilten Steroid-Designers Patrick Arnold genommen zu haben. Inzwischen wurde im Rahmen der Anklageerhebung bekannt, dass sich bereits ihre Ärztin im Jahr 2000 besorgt darüber geäußert hatte, dass sich bei der Bahnradfahrerin der Bartwuchs eines Mannes eingestellt hatte und ihre Stimmlage in ein tieferes Fach gesunken war.
Thomas, die im zweiten Semester Jura studiert, bekannte sich im ersten Verfahrensgang erneut nicht schuldig. Die Beweisaufnahme beginnt am 24. März. Der Prozess wird vor allem von den Anwälten des Baseballprofis Barry Bonds mit großem Interesse verfolgt. Denn ihr Klient - ebenfalls im Rahmen der BALCO-Ermittlungen unter den Verdacht des Meineids geraten – ist als nächster an der Reihe. Die Verteidiger erhoffen sich Einblick in die taktische Vorgehensweise der Anklagevertreter, die bislang noch in keinem Fall ihr Arsenal auf den Tisch legen mussten. Alle Fälle endeten bislang mit Teilgeständnissen der Beschuldigten.
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