Die erste Reaktion von Menschen, die sehen, mit was für einer läppischen Beschwerde ein studierter Jurist wie DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger (Bild) einen Journalisten vor Gericht zerrt, pendelt zwischen Überraschung und Verständnislosigkeit. Es liegt hauptsächlich an dem Streitpunkt: der Interpretation eines Begriffs, den der ehemalige CDU-Politiker und Steuerinspektor Zwanziger auf Teufel komm raus mit der Geschichte des Dritten Reichs verbindet.
Dieser Teil der Geschichte ist allerdings schon vor einer Weile passiert und wäre im Prinzip längst abzuhaken. Aber seit ein paar Tagen hat die Angelegenheit ganz andere Dimensionen erhalten. Die Chronologie:
In einem ersten Durchlauf wurde dem Fußball-Funktionär von zwei von ihm angerufenen gerichtlichen Instanzen ausführlich erklärt, dass er falsch liegt. Nicht nur habe er das Recht von Jens Weinreich (Bild links) zu akzeptieren, ihn als "unglaublicher Demagoge" zu bezeichnen. Sondern vermutlich auch noch sehr viel mehr: Ein Kritiker dürfe im öffentlichen Meinungskampf einer freiheitlichen Demokratie "seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für 'falsch' oder für 'ungerecht' halten", schrieb das Landgericht Berlin, als es den Antrag auf eine einstweilige Verfügung ablehnte. Weinreichs Charakterisierung sei eine "zulässige Meinungsäußerung..., die keinen schmähenden Charakter hat".
Diesen Rückschlag kann Dr. Zwanziger nicht akzeptieren. Weinreich soll gefälligst zu Kreuze kriechen oder einen Prozess in Kauf nehmen und mit beidem in die Enge getrieben werden. Das wissen wir, weil der DFB-Präsident Oliver Fritsch (Bild rechts), dem Betreiber des Blogs Direkter Freistoß, auf dessen Seiten der Kommentar publiziert wurde, ein ausführliches Interview gegeben hat. In dem gab der Fußball-Funktionär deutlich zu erkennen, dass er rechts- und beratungsresistent ist. Was viele Gründe haben kann, nicht nur den, dass er trotz allen behaupteten Nachschlagens nicht herausfand, wie der von ihm zitierte Duden den Begriff "Demagoge" tatsächlich erklärt (mehr dazu bei Stefan Niggemeier).
Man ist geneigt zu sagen: Dr. Zwanziger muss ein schrulliger Typ sein. Doch irgendetwas an seinem Verhalten gibt einem das Gefühl, dass da mehr im Busch ist. Es gibt Hinweise darauf, dass er als Inhaber eines Prestigeamtes ein Exempel statuieren möchte, das mit der vorliegenden Sache gar nichts zu tun hat.
Indiz eins: Seine Anwalts- und Prozesskosten übernimmt der DFB, auch wenn er den Rechtsstreit verliert. Er trägt also nur ein Risiko, und das ist klein: dass er sich lächerlich macht. Wogegen er sich prophylaktisch schon mal mit dem Fritsch-Interview zu schützen versuchte. Wie? In dem er sich selbst zum Opfer stilisierte und als großzügiger, ehrenwerter Herr. Schuld an allem sei der Journalist, suggerierte Zwanziger: "Wenn Herr Weinreich nicht will, dass ich mich von ihm als Volksverhetzer denunziert verstehe, dann soll er mir zwei Zeilen schreiben, dann ist die Sache vom Tisch. Und dann können wir uns gerne zum Interview treffen, und er kann mir die kritischsten Fragen stellen." Anmerkung: Einen Volksverhetzer hatte Weinreich den DFB-Präsidenten überhaupt nicht genannt. Was soll also die Aufforderung zum Kniefall?
Indiz zwei: Dr. Theo Zwanziger weiß, wie Medien funktionieren. Sonst würde er nicht mit dem Begriff der "Kommunikationsherrschaft" herumhantieren, den er in diesem Sommer offensichtlich zum ersten Mal eingesetzt hat ("Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer.") Er hat im Fritsch-Interview die erbetene Erläuterung sehr schwammig formuliert. Und wir dürfen also auch weiterhin annehmen, dass er mit dem Begriff "Herrschaft" eine Deutung verbindet, wie sie der Soziologe Max Weber formuliert hat: "Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden." Gehorsam wäre mithin der Gegenentwurf von Herrschaft.
Ich schrieb dazu in einem Kommentar im Oktober im Direkten Freistoß: "Wir haben es hier übrigens nach meiner Einschätzung mit der Geschäftspolitik von Oligarchen und ihrer Anmaßung zu tun, unbotmäßigen Kritikern und Kreativen das Leben schwer zu machen, damit die irgendwann die Lust verlieren." Und malte schon mal schwarz an die Wand: "Da es so viele unterbeschäftigte Anwälte gibt, sollte man davon ausgehen, dass da über die juristische Schiene noch viel mehr kommt." Ich bin kein Hellseher. Aber ein paar Tage später wurde die Prophezeiung wahr: Der Doktor der Jurisprudenz will weiter prozessieren.
Indiz drei: Das Verhalten und das Verhältnis von Dr. Theo Zwanziger zur Person Dietmar Hopp, in dessen Bundesliga-Club sein Sohn Ralf beschäftigt ist und dessen noch zu bauendes Stadion in Sinsheim bereits den Zuschlag für die Frauen-Fußball-WM 2011 erhalten hat. Es gibt in der Öffentlichkeit keine Belege für unsaubere Absprachen. Aber das Geflecht beginnt einer Interessensgemeinschaft zu ähneln, wie sie für machtpolitisch gefestigte Oligarchien bezeichnend ist. Was der Rest der Welt zu den gegenseitigen Gefälligkeiten sagt, wird kommunikationsherrschaftlich plattgebügelt. Und sei es mit einer Gegenfrage: "Warum eigentlich diese Unterstellung?"
Ja, warum eigentlich? Warum muss sich ein gütiger Oligarch, der einen steuerbefreiten Verband leitet und sich selbst für eine reine Seele hält (Zitat: "Ich bin ein Mensch, der seine Aufgaben gewissenhaft angehen möchte.") eigentlich vor der Öffentlichkeit rechtfertigen – über die Redlichkeit seines Tuns, über seine Erwerbstätigkeit, über seine Ansichten zur Meinungsfreiheit und seine Rolle auf dem Verschiebebahnhof millionenschwerer Sportbusiness-Interessen? Wie konnten wir so anmaßend werden, ihm andere als die von ihm postulierten Absichten zu unterstellen? Warum kann er nicht von uns allen ohne jede Skepsis auf dem Schild getragen werden, auf dem sich Oligarchen der eigenen Standortbestimmung nach so gerne häuslich einrichten wollen (bis der geriatrische Super-GAU oder der Tod sie aus dem Amt befördert)?
Auf Dr. Theo Zwanziger, der als Fußball-Funktionär immer hübsch nach oben gerutscht ist, muss die ganze Geschichte erheblich Eindruck gemacht haben. Er hat nämlich laut einem Zeitungsbericht, der von Anwesenden im Kern bestätigt wurde, bei einer Podiumsdiskussion am 6. November in Gießen Fragen des Moderators, Deutschlandfunk-Sportredakteur Herbert Fischer-Solms, mit einem Wort belegt, dass er als Anspielung an die Nazi-Zeit versteht. Mit dem Wort "demagogisch". Der Vorgang wäre Indiz vier für die Arbeitshypothese, die wir uns seit ein paar Tagen zusammenbasteln: Dr. Theo Zwanziger, der ambitionierte Kommunikationsherrscher, möchte Worte als ehrverletzend einstufen lassen, wenn er von anderen kritisiert wird, aber sie jeder Zeit nach eigenem Gutdünken benutzen. Das Muster kennen wir schon. Es ist so ähnlich wie die „verlogene Argumentation des deutschen Fußballkartells“ (Weinreich) in Sachen Fernsehrechte.
1 Kommentar:
Die Thesen werden empirisch überprüft. Das wird der Lauf der Zeit zeigen. Und ich bin zuversichtlich, dass sich ein schlüssiges Gesamtbild zeigt, dass Zwanziger als demagogisch-kompetenten Verbandsoligarchen darstellen wird.
Es stellt sich nur die Frage, ob die Bezeichnung als Oligarch nicht auch schon wieder prozessrelevant wird. Was ließen sich da in assoziationsbegeisterten Hirnen nicht alles für feine Verbindung zu finsteren Zeiten in Russland denken. Oh wei, oh wei. Da kann einem ja ganz anders werden.
Dennoch bin ich optimistisch, dass Theo - der Oligarch - Zwanziger sich lang machen wird und eine satte Bauchlandung hinlegt. Denn vor Gericht wird er nicht durchkommen. Aber es ist halt der DFB und dort wird traditionell nicht viel davon gehalten, die Führung auszutauschen, wenn sie sich öffentlich läscherlich gemacht hat. Eher das Gegenteil scheint für ein Amt beim DFB zu qualifizieren, wenn man an die Thronfolge denkt (um im Bilde zu bleiben...).
P.S.: Warum ist das Kommentieren nur noch möglich, wenn man ein Google-Konto hat? Schade...
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