28. Juli 2008

"Der Wahrheit ins Auge"


Wir leiden mit. Und zwar mit niemand anderem als Karl-Heinz Rummenigge (der für solche Darbietungen wie in diesem Video verantwortlich ist). Wie sagte er doch neulich so richtig? "Der Tag ist gekommen, wo wir der Wahrheit ins Auge sehen müssen." Wir leiden unter anderem, weil er tatsächlich sagte, "der Tag..., wo..." (wir nehmen mal an, weil er die herrschenden Knebelungen der Grammatik nicht mag.). Und weil er sagte, dass diese Wahrheit auch noch weh täte. Und dann ließ er das so stehen und überließ dem werten Fußballvolk, diese Erkenntnis richtig einzuordnen. Was er wohl meinte, aber nicht so klar sagte: Dass das Kartellamt den Fußball-Clubs das Geldverdienen erschwert.

Es war hübsch zu sehen, dass da seit Neuestem ein Mann auf der Trainerbank beim FC Bayern München sitzt, der sich auf eine solche billige Weise nicht die Motivationsaufgabe kaputt reden lassen will ("Ich akzeptiere das Argument der finanziellen Diskrepanz zu den Großen nicht. Die Top-15-Vereine in Europa sind alle mit lauter Nationalspielern bestückt. Und letztlich ist die Atmosphäre, ist die Arbeitsphilosophie wichtiger als ein Hundert-Millionen-Transfer"). Aber das Problem sitzt tiefer: Solange ein Mann wie Karl-Heinz Rummenigge über die Grundsätze der Finanzierung von Club-Fußball in Deutschland mitreden darf, wird es keine Fortschritte geben. Nicht im Vergleich mit jenen – wenigen – Ländern, hinter denen man leistungsmäßig und finanziell hinterherhinkt. Und nicht in jenem Bereich, der ganz konkret seit langem per Gesetz geklärt werden muss: der kartellrechtliche Sonderfall von kommerziell betriebenen Sportligen.

Die einzige Wahrheit, die sich übrigens im Zusammenhang mit diesem Thema aufdrängt: Leute wie Rummenigge tun immer so, als könnten sie sich trotz so vieler ungeklärter Präzedenzfälle durchwurschteln und dabei hinreichend schlau den eigenen Nutzen mehren. Ans große Ganze denken sie nicht. Und weil sie dazu ganz offensichtlich nicht in der Lage sind, entstehen keine verbindlichen, sinnvollen, neuen Rahmenbedingungen. Stattdessen kommt es zu fehlgesteuerten Mikroeingriffen von Institutionen wie dem Kartellamt, das eigentlich nach Lage der geltenden Gesetze nur eines tun dürfte: die Bundesliga als einen wettbewerbswidrigen Geschäftszusammenschluss auseinanderschlagen. Weil sich darüber aber jeder Fußball-Fan aufregen würde, tut man so, als gäbe es rechtlich vertretbare Alternativen. So kam es – ohne Sinn und Verstand – zu einem absurden Eingriff in die Vertragsfreiheit des Kartells und der Auswertung jener wirtschaftlich ertragreichen Rechte, die es meistbietend verhökern möchte.

Die Absurdität dieser Anmaßung wird noch größer, wenn man sich ausmalt, dass dieser Präzendenzfall bedeutet, dass eine Behörde darüber entscheidet, wer wann was im Fernsehen sehen kann. Das kann doch nicht wahr sein, oder? Eine Behörde macht das Fernsehprogramm in Deutschland?

Ich sagte: Eigentlich müsste das Kartellamt die Bundesliga auseinanderschlagen. Oder wenn es das vermeiden will, muss es sich an den Bundestag wenden und erklären: Hallo, Parlament, ihr seid am Zug. Wir halten den eingebauten Grundkonflikt – eine Liga braucht den kartellartigen Zusammenschluss um überhaupt funktionieren zu können, aber gleichzeitig wird hier der Markt außer Kraft gesetzt – nicht für lösbar. Warum auch nicht? Nur der Gesetzgeber kann allumfassend das löchrige und den neuen Entwicklungen hinterherhinkende Wirtschaftsrecht modernisieren, um uns für die Zukunft klare Richtlinien zu geben.

Gesetzliche Rahmenbedingungen werden auch deshalb gebraucht, weil sich der nicht geregelte neue Wirtschaftszweig "Mannschaftssport" andernfalls seine eigene Ethik und seine eigenen Prinzipien schafft. Etwas, was wir bereits beim IOC (mit seinem Herz für ein Kuddelmuddel an Einzelsportarten) sehen. Die alten Grundwerte der Olympischen Spiele sind da längst den Bach runter. Stattdessen entscheidet seit Jahren nur ein Mechanismus über den Betrieb: das Geld, das ein ganz bestimmter amerikanischer Fernsehsender für das Spektakel bezahlt. Wer sich für Ethik oder den Rest der Idee interessiert, die dereinst die Spiele möglich machte, muss auf Spurensuche ins Museum in Lausanne gehen.

Eine Beschäftigung des Bundestages mit einem konstruktiven, neuen – nennen wir es mal der Einfachheit halber Sportrecht – könnte viele anhängenden Fragen auf einmal anpacken und klären. Das betrifft nicht nur das Thema Kartell. Sondern auch die Frage, ab wann ist Doping als Betrug und damit als kriminell zu betrachten? Was ist mit der Rolle des Staates in der Sportförderung, Stichwort Bundeswehr? Weshalb geben wir für den privaten, kommerziellen Erfolg einzelner Athleten Steuergelder aus? Was davon zahlen die von ihren Werbeverträgen und ihren Leistungsprämien an den Bundeshaushalt zurück? Welche Rechte haben Zuschauer im Stadien, wenn sie für den eigenen Bedarf fotografieren oder Videos aufnehmen wollen? Und wie weit können Landesverbände gehen, die den unterklassigen Sport organisieren, wenn sie, obwohl gemeinnützig ausgerichtet und steuerlich befreit, anderen Leuten das Recht auf Berichterstattung streitig machen? Was ist mit dem Arbeitsrecht? Das Bosman-Urteil kann wirklich nicht das letzte Wort zu dem Thema Freizügigkeit gewesen sein. Warum sollten Clubs in der Bundesliga zum Beispiel nicht – ganz freiwillig – eine Absprache miteinander treffen können, wonach sie deutschen Spielern eine bestimmte Menge von Kaderplätzen garantieren? Es kann doch auch kein EU-Ausländer einen Platz in der deutschen Nationalmannschaft einklagen? Oder doch?

Und wenn wir schon dabei sind – wie wäre es mit einer Antwort auf die Frage: Wem gehört eigentlich der kommerzielle Sport? Dem einzelnen Athleten (weil er seinen Körper zu Markte trägt), dem Club (weil er die Kohle ranschafft) oder dem Verband/Kartell (weil er den Geschäftsbetrieb organisiert) oder gar der Allgemeinheit, also uns allen? Und wenn die Allgemeinheit nur als zahlende Schafsherde gebraucht wird, welche Schadensersatzansprüche kann sie oder können einzelne Mitglieder der Gemeinschaft gelten machen, wenn sie um eine Leistung gebracht werden, die ihnen qua Eintrittskarte, Decoder-Miete oder was auch immer zugesichert wurde?

Je eher dieses ziemlich dicke Paket von ungelösten, dahinschwelenden Problemen in eine gesamte, logische und sinnhafte Form gegossen wird, desto besser. Einen Mann wie Karl-Heinz Rummenigge sollte man angesichts solcher Wahrheiten lieber nicht behelligen. Er hat schon des öfteren durchblicken lassen, dass er nicht der Lage ist zu sehen, was das das große Ganze mit Bayern München zu tun haben könnte und wie sein Laden von mehr Rechtssicherheit und einer Ausgewogenheit im Spiel der Kräfte profitieren könnte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diese Obrigkeitshörigkeit. Und das von jemandem, der in den USA lebt! Gibt es in Deutschland wirklich zu wenig Gesetze, soll noch mehr vom Staat geregelt werden? Die Vermarktung des Profifußballs, gestzlich geregelt, mit Quoten versehen und "gerecht" auf die Bevölkerung verteilt.

Außerdem: Sie sollten das von Ihnen gern verwendete Wort "Wahrheit" nicht mit Ihrer eigenen Meinung verwechseln!

luderschmidt hat gesagt…

@love11

es gibt in deutschland (und vielleicht sogar in der ganzen welt) für jeden pups gesetze und vorgaben. nur lustigerweise nicht für den sport, wo sinvollerweise das gewohnheitsrecht ("das haben wir schon immer so gemacht…") zu gelten scheint. das führt dann zu so absurden gestalten wie joseph blatter, die hinter dem deckmäntelchen des "spitzensports" eine gelddruckmaschine installiert haben, die sie mit zwielichtigen figuren zu bedienen gedenken.

wenn du als legitimes gegenmittel zu "obrigkeitshörigkeit" eine steuerhinterziehungsmentalität verstehst, die einem südländer das gesicht erröten ließe, dann hast du sicherlich recht, dass hier keine gesetzlichen grundlagen von nöten sind.