Vor ein paar Tagen hat ein Vergleich, den die Stadt Seattle und die Eigentümer der Seattle SuperSonics geschlossen haben, einen Rechtsstreit um sehr viel Geld beendet und den Weg frei gemacht für die Umzugslastwagen, die in den nächsten Wochen das Mobiliar des Clubs nach Oklahoma City (Bild) transportieren werden. Die Stadt hatte eine starke Position in dieser Auseinandersetzung. Nicht nur weil sie Steuergelder ausgegeben hatte, um die Halle zu bauen und in den neunziger Jahren zu modernisieren, in der das Team seine Heimspiele austragen konnte. Sondern weil es einen verbindlichen, langfristigen Vertrag gab, aus dem der Club aalglatt herausschlüpfen wollte. Aber so etwas kostet. Die Stadt erhält 45 Millionen Dollar Garantie und weitere 30 Millionen Dollar obendrauf, wenn innerhalb der nächsten fünf Jahre kein neues NBA-Team nach Seattle kommt. Das Geld kommt von den neuen Besitzern des Clubs, die sowieso nie etwas anderes geplant hatten, als Oklahoma City, der boomenden Öl-Metropole, ein Ausstellungstück zu verpassen, ohne das man sich dort so unbedeutend vorkommt.
Angesichts der Vorgeschichte ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass man sich innerhalb der kommenden fünf Jahre in Seattle um ein Team bemühen wird. Denn dort haben die Kommunalpolitiker und die Wähler nach dieser Episode endgültig die Lust daran verloren, die seit 30 Jahren in den USA praktizierte Subventionspolitik für wohlhabende Sport-Clubs fortzusetzen. Diese Form von Sozialismus in einem Land, das gewöhnlich mehrheitlich und mit Nachdruck jede Form von ausgleichender sozialer Gerechtigkeit verschmäht (siehe das extrem teure, aber total kranke Gesundheitswesen) wird inzwischen immer stärker als jene Lüge entlarvt, die es schon immer war. Egal, was Mannschaften in den vier am stärksten beachteten Ligen NFL, Major League Baseball, in der NBA und in der NHL für den Lokapatriotismus tun: Wirtschaftlich bringen sie einer Stadt gar nichts. Bei den Umsätzen, die Sport-Teams generieren, handelt es sich nur um ohnehin herumfließendes Geld, das in einen anderen Kanal umgeleitet wird (und die enormen Gehälter der Spieler und die Profite der Club-Eigentümer finanziert). Es würde andernfalls von den Zuschauern für andere Formen der Freizeitgestaltung ausgegeben. Dass Clubs neue Arbeitsplätze schaffen, ist denn auch eine Fata Morgana. Und dass durch die von ihnen produzierte wirtschaftliche Aktivität neue und zusätzliche Steuereinahmen generiert werden, die dann in die Kassen der investiv tätigen Städte wandern, ist ein Märchen. 50 bis 60 Heimspiele trägt eine NBA-Mannschaft je nach Güteklasse in der "eigenen" Halle pro Jahr aus. Ein Jahr, das immer noch 365 Tage hat.
Das begreifen intelligente Menschen, ohne lange herumzurechnen. Weshalb es niemanden überraschen sollte, wie die Bevölkerung von Seattle denkt. Es ist ihr mehrheitlich völlig egal, wo die SuperSonics spielen und wie sie heißen (in Oklahoma City werden sie einen neuen Namen bekommen).
Vielleicht darf man an dieser Stelle daran erinnern, dass das mit den Stadien und Hallen mal ganz anders war. Sie befanden sich im Privatbesitz und die Eigentümer waren die Betreiber der Clubs. Große Hallen gab es einst nur wenige und auch nur in wirklich großen Städten, zum Beispiel in Boston, New York, Philadelphia und Detroit, den vier Orten in den USA, die in den frühen Jahren eine Mannschaft in der NHL hatten, in der damals nur sechs Teams spielten (die anderen waren Montreal und Toronto). Die Besitzer dieser Hallen waren die Inspiratoren und Wegbereiter für die NBA – nicht irgendwelche Stadtverwaltungen. Denn sie wollten ihre Hallen stärker auslasten. Die Entwicklung blieb aber nicht stehen. Und so ließen beide Ligen irgendwann immer mehr Clubs in den abgelegensten Städten zu. Und zwar unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich überleben konnten oder nicht. Die Ausdehnung der Ligen in die Fläche zusammen mit den über die üppigen Fernsehverträge nach oben gekitzelten Spielergehältern sind die zwei Hauptgründe dafür, dass die Kosten für Clubs so sehr anstiegen, dass sie nach neuen Einkommensquellen fahnden mussten. Eine – versteckte – Quelle: Man baut keine Arena, sondern nötigt einer Stadt auf, sie zu errichten und immer wieder zu modernisieren. Das altbewährte Druckmittel: Wenn man nicht bekommt, was man haben will, zieht man in eine andere Stadt. Andere Städte, die Clubs unabhängig von den Kosten für die Steuerzahler importieren wollen, gibt es immer wieder. Zur Zeit buhlt Kansas City um Teams, weil man eine nagelneue Halle besitzt.
Dabei geht es ganz glänzend auch ohne. Das beste Beispiel ist Los Angeles, wo man seit der Rückkehr der Oakland Raiders nach Oakland kein NFL-Team mehr hat (Die Rams waren schon vorher nach St. Louis abgewandert). Das muss man sich mal vorstellen: ein Einzugsgebiet von mehr als 10 Millionen Menschen muss sonntags im Herbst und Winter ohne Identifikationssymbol auskommen. Wie schaffen die das bloß? Unter anderem dadurch, dass sie sich samstags mit den beiden College-Football-Teams beschäftigen – UCLA und USC, die direkt und indirekt hinreichend Rivalität ausstrahlen. Und dadurch, dass sie ganz cool diese Pseudo-Lokalstolz-Debatten aus anderen ziemlich armen und erbarmungswürdigen Städten an sich abperlen lassen. Man denke nur an Cleveland, dem Sitz der größten Sportvermarktungsagentur der Welt, und an das viele Geld, dass die Steuerzahler dort in den Bau in ein Baseball- und ein Football-Stadion gesteckt haben. Cleveland ist eine sterbende Stadt. Die Fixierung auf Sportclubs kaschiert dieses Gefühl zwar ganz gut, ändert aber nichts an den Realitäten.
Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang zwischen Verfall und Aufstieg, den noch niemand richtig untersucht hat. Seattle ist eine Stadt, die wirtschaftlich brummt und kulturell den einen oder anderen Ton angibt. Dort geht es aufwärts. Dort braucht man keine künstlichen Identifikationssymbole. In Cleveland, Cincinnati, St. Louis, Kansas City, Pittsburgh, Buffalo, den alten Industrie-Metropolen, nagt der Zahn der Zeit. Die wollen sich an etwas festhalten. Und sei es an einem Umzugslaster, der demnächst vorfährt und ihre Sport-Devotionalien abtransportiert.
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