Als vor ein paar Tagen die drei Begriffe "Washington Nationals", "Dominikanische Republik" und "FBI" in einer Meldung zusammen auftauchten, war das Signal für viele US-Medien, sich zum ersten Mal etwas gründlicher mit einer der wichtigsten Fabrikationsstätten des amerikanischen Baseball-Nachwuchses zu beschäftigen. Denn jeder weiß: Das FBI untersucht den Profisport nicht aus Daffke. Wenn dessen Agenten einen Sportler oder einen Manager oder - wie in diesem Fall - die Mittelsleute vernehmen, die den jungen Spielern Knebelverträge aufzwingen, dann haben sie bereits einiges in der Hand.
Sportinteressierte außerhalb der USA und der Karibik haben es nicht ganz leicht, die Sachlage auf Anhieb zu verstehen. Selbst wenn es um einen im Grunde eher simplen Verdacht auf Wirtschaftsstraftaten wie Betrug und Unterschlagung geht. Also sollte man vielleicht erst einmal erwähnen, dass die Dominikanische Republik, gemessen an der Bevölkerungszahl (10 Millionen Einwohner) vermutlich derzeit das beste Baseball-Reservoir der Welt ist. Eine Zahl aus dem Jahr 2005 unterstreicht das ganz gut. Da kam jeder achte All-Star aus der DomRep und jeder neunte Profi in der Liga.
Dieses Reservoir wird von Major League Baseball sehr konsequent ausgeschöpft. Wahrscheinlich hätte die Liga lieber ihre Finger in Kuba, um dort die fertig ausgebildeten Talente abzuschöpfen, die man dort permanent mit hervorragenden Trainern und aufgrund einer hochstehenden Spielkultur ausbildet. Aber der Nachwuchs eine Insel weiter ist durchaus eine gute Alternative. Denn der ist billig zu haben. Die Spieler sind anpassungsfähig bis unterwürfig (aus Angst, die Aussicht auf ein gutes Einkommen zu vermasseln). Und der Selektionsprozess der Farm Teams von den Rookie Leagues über die Minor Leagues hinauf bis in die Majors existiert bereits. Man muss also für die jungen Spieler aus der Karibik – abgesehen vom Auffinden der attraktivsten Talente – keinen großen Extra-Aufwand treiben.
Die Zahlen auf dieser Seite mögen der Zeit ein wenig hinterherhinken. Aber sie deuten den wirtschaftlichen Effekt an, den die Anbindung an den Profi-Baseball in den USA für die DomRep bedeutet: Um die 75 Millionen Dollar pro Jahr stecken die Clubs zusammen vor Ort in ihre Arbeit. Sie unterhalten sogenannte Academies, zahlen Boni bei Vertragsabschlüssen (um die 40.000 Dollar pro Kandidat) und betreiben eine Summer League. Die Verlockungen sind für die Einwohner eines armen Landes ziemlich groß. Weshalb immer wieder Spieler, die nach den US-Regeln eigentlich schon zu alt sind, mit gefälschten Geburtsdaten antreten.
Zurück zu den Washington Nationals, die so etwas wie die Dominikanische Republik unter den Baseball-Clubs Amerikas sind. Ein armes Kind, das vor ein paar Jahren aus Montreal in die US-Hauptstadt verpflanzt wurde, nachdem sich in Kanada kaum jemand für die Mannschaft – genannt Expos – interessierte. In diesem Jahr sollte das alles ganz wunderbar werden, mit den Nationals. Sie bekamen von der Stadt ein nagelneues Stadion spendiert. Aber die Menschen in Washington reagierten nicht wie erhofft. Neulich zeigte Washington-Post-Blogger Dan Steinberg die ganze Dimension des Dilemmas auf. Nicht nur bekommt die Mannschaft die Arena nicht voll. Ganze 9000 Haushalte schalten im Schnitt die Live-Übertragungen im Fernsehen ein. Aber das ist noch nicht alles: Die Club-Leitung schuldet der Kommune 3,5 Millionen Dollar Miete und hält das Geld mit der Behauptung zurück, das Stadion, das die Nationals fleißig benutzen und an dessen Kassenhäuschen sie ordentlich Eintritt verlangen, sei noch nicht komplett fertig.
In diese Gemengelage platzte die Nachricht von den FBI-Aktivitäten (Hinweis: Herunterscrollen bis Stichwort Baseball). Sie kam den Verantwortlichen sicher höchst ungelegen. General Manager Jim Bowden bestreitet allerdings nicht nur, irgendetwas über die mutmaßlichen Machenschaften zu wissen. Er erklärte nach dem Besuch der Bundespolizei, dass sie sich für ihn persönlich gar nicht interessiert habe. Das ist gut möglich. Ein Teil der Recherchearbeit des FBI besteht aus der Beschaffung von Grundlageninformationen. Besonders bei komplexeren Sachverhalten, die nicht zum Alltag der Ermittler gehören. Und da die Zentrale in Washington ist, werden sie vermutlich immer erst einmal im engeren Radius mit der Arbeit anfangen. Auffällig ist allerdings, dass Bowden der Öffentlichkeit nicht alles erzählen will, was bei der Befragung auf den Tisch kam. Man sollte davon ausgehen, dass er mehr über das Untersuchungsverfahren weiß, als er zugeben möchte.
Übrigens arbeitet nicht nur das FBI an der Aufklärung der Angelegenheit, sondern auch die Liga selbst. Der Ausgangspunkt für die Ermittlungen muss ein Hinweis gewesen sein, der vor ein paar Monaten aus den Reihen der Chicago White Sox kam.
Einige der berühmtesten Spieler von der Insel sind: Sammy Sosa, Albert Pujols, Pedro Martínez, David Ortiz, Manny Ramírez, Miguel Tejada und Alfonso Soriano.
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