Am 1. September hat dogfood von allesaussersport ein bisschen Mediengeschichte geschrieben. Und "geschrieben" ist in dem Zusammenhang nicht nur im übertragenen Sinne gemeint. Sein ausführlicher Blogbeitrag mit dem Titel Wie JAKO anderen Leuten das letzte Hemd auszieht bestand aus mehr als 2000 Wörtern und war damit dreimal so lang und dreimal so ausführlich und dezidiert wie ein herkömmlicher Artikel in einer Tageszeitung. Der Text begann so:
"Die Art und Weise wie der Sportartikelhersteller JAKO AG und die Rechtsanwaltskanzlei Horn & Kollegen derzeit gegen den Fußballblogger Trainer Baade vorgehen, stellt für mich einer der Tiefpunkte dar, die ich in meinen 8-9 Jahren Bloggerei und Schreiberei über Blogs erlebt habe. Es ist einer der Momente wo man ein Gefühl der Ohnmacht bekommt."
Heute stehen unter diesem Post mehr als 800 Kommentare. Und von einem Gefühl wie Ohnmacht ist vermutlich nicht mehr die Rede. Denn dogfood trat mit seinen Informationen über die Abmahn- und Abstrafaktivitäten der besagten Firma ein kleineres Lawinenbrett los. Das Thema wurde von mehr als hundert Blogs aufgegriffen, landete kurzfristig bei Twitter in den Top-Tags und erlangte auf diese Weise jenen Stellenwert, den klassische Medien für hinreichend hoch erachteten, um darüber zu berichten. Die Auseinandersetzung "mittelgroße Firma gegen kleinen Blogger", "Rechthaberei gegen gutes Recht" schlug sich innerhalb weniger Tage auf den Seiten des Handelsblatt, der Süddeutschen Zeitung, der taz, auf Spiegel Online und am Ende sogar in einem Hörfunk-Bericht des Bayrischen Rundfunks nieder. JAKO hatte sich den Streisand-Effekt eingehandelt und ruderte denn auch langsam wieder zurück. Wer sich einen Überblick über die Angelegenheit verschaffen möchte: probek.net hat die Links archiviert.
Während sich Blogger und ihre Leser über den Ausstatter des Bundesliga-Clubs Eintracht Frankfurt entrüsteten, bekam Trainer Baade auf seiner Seite sehr viel Besuch. Die Zahl seiner Twitter-Follower stieg rapide. Und das obwohl er mit keinem Wort auf die Angelegenheit einging. Er hatte beschlossen, nicht auch noch Öl ins Feuer zu gießen, wie er sagt, auch wenn er sich im Prinzip gar nichts vorzuwerfen hatte. Den beanstandeten Beitrag hatte er aus dem Netz genommen, als er von der Abmahnung der Firma erfuhr. Dafür, dass ein tschechischer Newsaggregator den alten Text noch immer im Speicher hatte, konnte man ihn nicht verantwortlich machen. Genausowenig wie für das Echo aus dem Netz, das den Abmahnwahn deutscher Unternehmen und Rechtsanwälte mit Grausen erlebt und eine heftigere Tonlage erreicht, je ungerechfertigter und vermessener die Anwaltschreiben klingen.
Trainer Baade ist eine Kunstfigur. Hinter ihr verbirgt sich Frank Baade, der seit ein paar Jahren im Netz schreibt und die besten Fußball-Glossen in Deutschland verfasst. Seine Sprache und sein Humor liegen – leider – nicht jedem. Was hauptsächlich mit dem Milieu der klassischen Sportberichterstattung zu tun hat. Dort wird wenn überhaupt, eher nur nach Gutsherrenart gewitzelt. Selbstironie ist so gut wie unbekannt. Sprachliche Klischees und angebliches Expertenwissen bestimmen das Bild.
Über all das und den Fall JAKO haben Frank Baade und ich uns neulich ausführlich unterhalten – in seinem ersten Interview überhaupt seit dem besagten 1. September. Hier ein Vorgeschmack auf den Mitschnitt des Gesprächs.
Die ausführliche Fassung von rund 30 Minuten Länge gibt es als Teil der neuen und siebten Ausgabe des Ballpodder-Podcasts, eine Gemeinschaftsproduktion einer Gruppe von Fußballbloggern, die seit ein paar Monaten alle zwei Wochen veröffentlicht werden. Hier geht's zum Podcast. Kommentare auch bitte gerne dort bei probek.
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