16. November 2009

Das Fourth-Down-Syndrom: Schelte für Belichick

New England Patriots v Indianapolis ColtsMan kann solange über diese Entscheidung diskutieren, bis einem die Puste ausgeht. Sollte man wenige Minuten vor dem Ende eines Football-Spiels beim vierten Down, wenn einem zwei Yards fehlen, den Punter auf den Platz schicken? Oder sollte man seinen Quarterback draußen lassen und die Angriffsformation die Aufgabe lösen? Wir kennen die Alternativen: Es sind zwei.

1. Lösung Punter: Fast hunderprozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Gegner den Ball bekommt, wenn auch nahe an dessen Tor.

2. Zwei-Yard-Raumgewinn mit einem Quarterback wie Tom Brady herausarbeiten: Etwa fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit (dieser Mann sagt sogar: 60prozentige), dass man den ersten Down schafft. Problem: Gelingt einem das nicht, geht das Angriffsrecht an diesem Ort an den Gegner über. Und der steht dann nicht tief hinten auf seiner eigenen Seite, sondern in diesem Fall 30 Yards vor der eigenen Touchdown-Linie.

Bill Belichick hat sich am Sonntagabend beim Stand von 34:28 für die New England Patriots für Möglichkeit zwei entschieden. Er hatte seine Gründe. Denn mit einem First Down hat die Mannschaft den Sieg in der Tasche. Weil seiner Mannschaft am Ende bei dem Spielzug aber ein paar Zentimeter fehlten und sie den Ball abgeben musste, kippen jetzt die Neunmalklugen von der Seitenauslinie den Spott über dem besten Coach der National Football League aus. Denn die Patriots kassierten anschließend den einen entscheidenden Touchdown und verloren die Begegnung gegen die Indianapolis Colts mit 34:35. Ja, ja: Genie sieht anders aus.

Ehe wir uns weiter mit der Belichick-Schelte beschäftigen hier nur am Rande: Das Spiel war hochklassig und zeigte erneut eines: Sebastian Vollmer hat das Zeug zu einem erstklassigen Offensive Lineman, denn er reduzierte auf seiner Seite der Angriffslinie den hoch eingeschätzten Dwight Freeney zu einem Statisten.

Nun zurück zu den Vorwürfen an den Patriots-Trainer, der Tom Brady in dieser Situation einen Spielzug ausriefen ließ, an dem außer einer Kleinigkeit nichts falsch war. Der Pass erreichte Kevin Faulk an einer Stelle, an der man ihm normalerweise den ersten Down geben würde. Da er allerdings beim Fangen vom Verteidiger zurückgedrängt wurde und er den Ball nicht gleich komplett unter Kontrolle bekam, ging der Plan nicht auf. Nun könnte man argumentieren: Warum packen die Patriots nicht ein Running Play aus oder ein Passspiel, bei dem man ein paar Yards Pufferzone einbaut. Aber das wäre auch schon alles. Der Rest an der Kritik ist aufgeblasen. Zumal die Colts danach erst noch die Verteidigung der Patriots bezwingen mussten, um einen Touchdown zu erzielen. Und dass Peyton Manning das gelingt – dafür gab es keine Garantie.

Der Ausgang des Spiels stärkt natürlich wieder all jenen das Kreuz, die im Football immer auf Nummer sicher gehen wollen, obwohl solches Verhalten weder statistisch begründbare Vorteile hat noch den Zuschauern etwas bietet. Die Angst der NFL-Trainer vor risikovollen Entscheidungen ist übrigens legendär und wurde bereits hier ausführlich abgehandelt. Ihre Triebfeder: Furcht vor dem Jobverlust. Zum Glück braucht sich jemand wie Bill Belichick über so etwas keine Gedanken zu machen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ihr Artikel hebt sich sehr wohltuend ab von den Schreibern, die es hinterher natürlich besser wissen (und die B.B. natürlich als Genie gefeiert hätten, wenn´s geklappt hätte)!

Herrmann hat gesagt…

Sehr gute Analyse. Und vor allem sehr angenehm, daß man auf einer deutschsprachigen Seite eine bessere und ausgewogenere Analyse findet als bei vielen us-amerkianischen Meinungsmachern.