17. Juni 2008

Sonderzug nach Leipzig, bitte

In der Kneipe schräg gegenüber kommt Elvis Costello über die Lautsprecher, liegt mexikanisches Essen auf dem Teller, schwappt Weizenbier der Marke Pyramid, gebraut nach bayrischer Art, im Glas und läuft Basketball im Fernsehen. Die Los Angeles Lakers im sechsten Match der Finalserie spielen in Boston. Bei einem solchen Mix von Eindrücken soll man noch wissen, wo man sich eigentlich befindet? Aber das passiert einem bei Reisen an die linke Küste der USA schon mal. Besonders, wenn das Programm dicht gedrängt ist. Gestern war noch Golf in San Diego. Das Stechen bei den US Open über insgesamt 19 Löcher, das Tiger Woods gewann, den wir wegen seines angeschlagenen Knies so schnell nicht wiedersehen werden. Die Zeit zwischendurch in der Wüste in Palm Springs, wo die Temperatur um diese Jahreszeit auf 44,5 Grad steigt und man denkt, man sei in einem Backofen. Interview mit einem der großen Leichtathleten in der Geschichte des Sports (mehr darüber vor den Olympischen Spielen). Dann der Trip nach Carson, was zur endlosen Agglomeration Los Angeles gehört (so ausgedehnt wie das Ruhrgebiet).

Von Carson hat man nur deshalb gehört, weil der gute alte Herr Anschutz hier ein Fußball-Stadion gebaut hat, in dem David Beckham seine Heimspiele austrägt. Eingeklemmt zwischen einer der großen Autobahnen, die hier Freeways genannt werden, und einem IKEA lässt sich einigermaßen preiswert und akzeptabel im Hotel wohnen. 80 Dollar pro Nacht sind wirklich nicht schlecht. Aber man tut sich schwer, sich zu orientieren.

Kollege Chuck Klosterman scheint sich leichter zu tun. Er schrieb für das Monatsmagazin Esquire (Juli-Ausgabe) eine Kolumne aus Leipzig, wohin man ihn als Gastdozenten eingeladen hat. "Seit meiner Ankunft in Leipzig wurde ich ständig daran erinnert, wie Deutsche amerikanische Kultur einschätzen. Sie haben im wesentlichen das Gefühl, dass es nicht existiert." In seinem Text versucht er, diese Betrachtungsweise ad absurdum zu führen. Schwer zu sagen, ob es ihm gelingt. Die Fajita-Pfanne bei Chili's und das Hefeweizen waren überzeugender.

Wenn jetzt noch die Lakers das Spiel in Boston gewinnen, wäre mir noch wohler. Es wäre ein Beleg mehr für die These, dass amerikanische Kultur, künstlich hergestellte Kultur, wie Klosterman das nennt, tatsächlich existiert - auf einer Endlos-Schleife. "Es fühlt sich alles austauschbar an", schreibt der gute Chuck über seine Heimat aus Leipzig, wo sich ganz bestimmt nichts austauschbar anfühlt. Sonderzug nach Leipzig bitte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mit wieviel Promille haben Sie diesen Beitrag verfasst?

Jürgen Kalwa hat gesagt…

LA ist schwer ohne Alkohol zu ertragen. Aber es war wirklich nur ein Bier. Frisch vom Fass und überhaupt nicht schlecht.