10. Mai 2008

Sportblogs in den USA: Zeit für Qualitätsdebatten und Kritik

Dies ist eine Einladung zu einem geistigen Spagat für alle, die sich für die Sportbloggerei interessieren und die wissen wollen, was unsere amerikanischen Vorreiter erleben. Um die Übung gut hinzubekommen, sollte man ein paar Eckdaten kennen:
Deadspin ist der erfolgreichste Sportblog der USA, sein Hauptschreiber und Vorturner heißt Will Leitch. Er hat vor ein paar Monaten ein Buch herausgebracht und sich damit noch einen Hauch stärker profiliert.
HBO ist ein Pay-TV-Sender, der im Laufe der Jahre viele gute neue Serien (Sopranos, Sex and the City) und Fernsehformate entwickelt hat und auf eine eklektische Weise auch Sport-Themen serviert.
Bob Costas ist ein Sportfernsehmoderator mit einem guten Namen und bei NBC unter Vertrag. Bei HBO geriert er sich als Medienmann, der in seiner Talk-Show über allem zu stehen versucht. Mit Bloggern kann er nichts anfangen - wie so viele approbierte Journalisten von altem Schrot und Korn.
H. G. "Buzz" Bissinger galt dank eines Pulitzer-Preises als überdurchschnittlich begabter Sport-Autor. Seit seinem Auftritt bei Costas gilt er eher als schlecht informierter Meckerfritze, dessen Probleme man gar nicht richtig versteht.

Wer wissen will, was da neulich bei Costas passiert ist, möge über diese Seite einsteigen und sich erst einmal die Videoaufzeichungen anschauen. Für den zweiten Gang empfehlen wir diese Betrachtung vom Blog The Big Lead, die die seltsame Attacke gegen Leitch (“[Blogging] really pisses the shit out of me. It is the dumbing down of our society.”) in einen erhellenden Zusammenhang stellt. Aber man muss Leitch nicht unbedingt einen Freispruch aushändigen. In den letzten Tagen wurde dieses Radio-Interview mit ihm wieder hochgespült, das einen Mann zeigt, der zwar gerne so tut, als habe er ein durchdrungenes Verhältnis zur Beschäftigung mit Sport. Aber vermutlich ist er nicht mehr als der Protyp des spätpubertierenden Energiebündels, der schnell schreibt und schnell Witze reißt und erst, wenn alles publiziert ist, entdeckt, wie unreflektiert er dabei arbeitet.

Leitch hat viele Fans, vor allem unter anderen Bloggern, die eine enorme Menge an Besuchern abstauben, wenn er einen Hinweis auf eine Geschichte gibt. Viele Kritiker unter Gleichgesinnten hat er nicht. Umso bemerkenswerter war der Text von Jason Whitlock, der nach der Sendung nicht nur das Gesehene durchkaute, sondern einen neuen Gedanken in die Debatte einführte: Es sei an der Zeit, dass sich Sportblogger mal etwas kritischer miteinander beschäftigen – etwa nach der Art wie der bildblog mit der Bild-Zeitung verfährt. Und in einem Interview mit dem Blog Fanhouse erläuterte er die Konstellation noch etwas genauer.

Neben seinen kritischen Anmerkungen sagte er noch folgendes: "Die Zeitungsindustrie hasst alles, was anders ist. Und die Manager von Zeitungen haben keine Ahnung, wieso Blogger Erfolg haben ... Blogger sind eine gute Sache. Sie sind großartige Wachhunde für die etablierten Medien."

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

1/ Vor einigen Tage hinterfragte irgendein US-Blog das Standing von Deadspin. Im Grunde genommen ist Deadspin nach all dem PR-Zeug das Leitch für sein Buch gemacht hat, ebenso wie AOL Fanhouse nicht minder "Mainstream Media" als ESPN

2/ Deadspin ist im letzten Jahr schwach geworden, immer mehr zur Freakshow für Sportfans geworden. Selten das ich mehr als die Headline im Feed-Reader lese. Leitch ist zu Perez Hilton des Sports geworden.

3/ Ich hab vor einigen Wochen eine kleine Diskussionsrunde mit einer Sportredaktion gehabt. Hier wurden die Eindrücke von der Sportjournalisten-Konferenz in Dortmund bestätigt. Der (Sport)journalist an und für sich kennt das nicht, aus eigenem Antrieb, aus eigener Motivation kleine Stücke zu schreiben. Das "ich schreibe etwas, weil es mich bewegt" wird mit großen Augen bestaunt.

Sowas wie das Liveblogging beim Guardian vom Fernseher aus, ist für die aus einer anderen Dimension. Es fiel sogar der Ausdruck "Betrug am Leser".

Das Bild in der Redaktion war nicht ganz so homogen und vielleicht wird da was passieren. So wie es aussieht, könnte die EURO 2008 zu einem Lackmus-Test werden, inwieweit Redaktionen Blogs oder andere kleine Stücke einsetzen werden.

Anonym hat gesagt…

Meine jüngste Erfahrung mit deutschen Online-Sportredaktionen: Fotostrecken sind gaaanz wichtig. Am besten viel nackte Frauenhaut.

Gut, tut mir leid, ich erzähle Euch nichts neues.