Jedes Mal, wenn in Deutschland das Feuerwerk der Berichterstattung über amerikanische Promis explodiert, ziehe ich – im Geiste – die Baseball-Kappe tiefer ins Gesicht. So wie neulich bei den Nachrichten über Madonna und ihrer Scheidung von Guy Ritchie. Vielleicht liegt es daran, dass man in New York eine ganz andere Beziehung zu diesem Paparazzi-Phänomen entwickelt. Nicht nur leben hier mehr berühmte Leute als anderswo. Man sieht sie auch gelegentlich. Das sind die Momente, in denen jeder echte New Yorker sein wahres Gesicht gezeigt: Er ignoriert die Figuren aus der Welt der Klatsch-Postillen und halbseidenen Entertainment-Magazine im Vorabendprogramm des Fernsehens. Das ist gewiss die gesündere Einstellung als das ständige Lugen in die bunten Wochenblätter, die in den USA vor fast jeder Kasse im Supermarkt hängen und in unmissverständlichen Schlagzeilen auf eine voyeuristische Weise ohnehin nur eine sehr schlichte Botschaft wiederkäuen: Promis sind auch nur Menschen wie du und ich. Ja, wer hätte das gedacht?
Madonna wohnt zwei Straßen weiter am Central Park. Gesehen habe ich sie noch nie. Was viele Gründe haben kann, unter anderem, dass ich nicht vor ihrer Haustür herumhänge und warte, dass sie herauskommt. Dafür sind mir im Laufe der Jahre andere Figuren über den Weg gelaufen: Demi Moore, der man nachsagte, sie sei eng mit Madonna befreundet. Woody Allen, als er noch regelmäßig seine einstige Lebensgefährtin Mia Farrow besuchte, deren Wohnung ebenfalls in der Nähe liegt. Abgesehen von den Filmleuten, die man manchmal wie Jim Jarmusch sogar in der U-Bahn erspähen kann, sieht man Fernsehleute, die in den USA jeder kennt. Der ehemalige Clinton-Berater George Stephanopoulos, der jeden Sonntag eine Politik-Sendung moderiert, wanderte neulich durch unsere Straße und fummelte an seinem Blackberry herum. Lesley Stahl von 60 Minutes bediente sich am Bankautomaten um die Ecke. John McEnroe mit Kindern im Fitness-Center ein paar Häuser weiter. Und dann und wann hält einem einer von CNN ein Mikrofon ins Gesicht, und man erklärt ihnen, "Nein", man habe ihnen nichts zu sagen. CNN und ABC haben ihre Studios in unserer Gegend, die wir die Upper Westside nennen, was ein ziemlich langweiliger Name für ein Viertel ist, in dem sich die Metropolitan Opera befindet und das Museum of Natural History und jenes Stück vom Broadway, an dem sich drei hervorragende Feinkostläden um uns bemühen (in einem faszinierenden Konkurrenzkampf, in deren Rahmen alle drei immer größer und immer besser geworden sind). Nicht wegen Madonna, sondern wegen Leuten wie uns.
Seit gestern geht das Gerücht, dass auch Madonna-Freund Alex Rodriguez in die Nachbarschaft ziehen wird. Eine Geschichte, an der nur eines bemerkenswert ist: dass sie von einer Zeitung in London groß recherchiert und ausgewalzt wurde. Was könnte die Leser in London ernsthaft an der Geographie von Manhattan interessieren? Ich komme fast jeden Tag an dem Apartmentgebäude vorbei. Ich weiß noch, wie der alte Kasten aussah, der an der gleichen Stelle stand und vor ein paar Jahren abgerissen wurde. Und wie der World Gym im zweiten Stock, in dem sich damals der Verleger Si Newhouse von Conde Nast (New Yorker, Vanity Fair, Vogue) auf dem Laufband abrackerte. Seit heute weiß ich, dass auch noch Sting in dem Hochhaus lebt. Nur warum mich diese Information interessieren sollte, weiß ich leider nicht.
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