3. Juni 2008

Wo das Herz von Sönke Wortmann erblüht

Über die Dächer von Berlin fegt bisweilen schon mal der Wind. Aber von dort oben sieht man mehr: den Alex, den Sönke und den Dunst. Man sieht auch mehr, weil man auf einem solchen Dach natürlich viel mehr Platz hat, um gleich zwei Kameras einzusetzen (oder waren es sogar drei?) und hektisch hin- und her zu schneiden, wie das diese Stil-Epigonen vom KDD - Kriminaldauerdienst so gerne machen, weil im Drehbuch eher wenig Dialog und Action vorgegeben sind.

Aber reden wir von dem Sönke, dem Chefideologen des deutschen Fußballgemütszustands, Wunder-Tüte und Märchen-Onkel in einem. Denn den zu interviewen, einfach mal nach Strich und Faden zu interviewen, das hat etwas – über den Dächern von Berlin. Etwas Erhellendes hat es. Das ist zum Beispiel gut für das Üben von Umgangsformen. So wechseln die Gesprächspartner charmant zwischen dem vertrauten "Du" und einem sehr viel förmerlicheren "Sie", ohne auch nur den Anflug von Begründung. Vielleicht hätten Sie das auch gerne rausgeschnitten. Aber was wäre dann noch von dem Video übriggeblieben?

Denn wir lernen tatsächlich noch mehr: dass nämlich die Welt, weil sie groß ist, und dass Europa, weil es etwas kleiner ist, einen proportionalen Einfluss auf die Intensität unserer Empfindungen haben. Deshalb kann es nicht alle zwei Jahr ein Sommermärchen geben. "Der Film hieß zwar so", sagt Sönke Wortmann und streicht sich oft und sanft durch die unbändigen Haare, die der Wind so penetrant zersaust, "aber es hat natürlich ein Lebensgefühl ausgedrückt. Ich glaube nicht, dass das jetzt wiederkommen kann – in dem Maße – weil es ja nicht in Deutschland stattfindet, sondern in Österreich und der Schweiz. Es ist keine Weltmeisterschaft, sondern nur eine Europameisterschaft. Was auch schön ist, aber ist doch halt 'ne Nummer kleiner. Und das sind dann die großen Unterschiede."

Man spürt es: Dass dieses Lebensgefühl nicht wiederkommen kann, ist eine traurige Erkenntnis. Noch trauriger allerdings, weil es der Sönke sagt, der ja von nichts anderem lebt als von den wiederkommenden Lebensgefühlen. Man macht sich Sorgen um so einen. Auf was soll sich der jetzt freuen? Allen Ernstes auf solch ein Projekt, wie das, das er mit Lesern der Bild am Sonntag produziert? Vielleicht freut er sich schon ein bisschen: "Welche Videos würden Ihr Herz erquicken und erblühen lassen?" fragt der Reporter, der wohl innerlich hofft, dass ein Erblühen des Wortmann-Herzens noch ein weiteres Märchen oder gar ein Wunder produziert, ehe es irgenwann mangels neuer Themendüngung verwelkt. "Der Fantasie freien Lauf lassen, wäre mal 'ne Empfehlung", sagt der Sönke und schaut dem Reporter so nett in die Augen, dass die beiden – Du, Sie, whatever – wissen: über Dinge von einer solchen Tragweite kann sich der Genie-Darsteller so früh noch nicht verbindlich äußern.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hoffentlich verschont uns Herr Wortmann von einem weiteren Machwerk über Fußball. Mir wird heute noch schlecht, wenn ich an den unglaublichen Mist "Das Wunder von Bern" denke.

Anstatt aus der eigentlichen Geschichte, nämlich dem völlig unwahrscheinlichen Gewinn der WM, einen packenden Sportfilm zu machen und sich auf die eigentlichen Protagonisten (Fußballer!) zu konzentrieren, kitscht Wortmann mit Ruhrgebietsromantik und einer tränenrührenden Heimkehrerstory herum. Die Fußballszenen sind zudem noch auf erbarmungswürdig schlechtem technischen Niveau.

Schon mal "Ali" von Michael Mann (mit Will Smith) gesehen? Da wird ein Sportthema umgesetzt, indem man an der Geschichte bleibt. Technisch weltklasse (Wortmann ca. Bezirksliga).