Wer die Angelegenheit nur aus der Perspektive dieser Geschichte kennt, mag sich zwar gut informiert fühlen und versteht vermutlich vor allem die Logik des Württembergischen Fußballverbandes in Stuttgart. Der bemüht sich darum, nicht von ihnen autorisierte oder lizensierte Videobilder von Spielen aus den unteren Spielklassen im Verbandsbereich aus dem Internet herauszuhalten. Die Berufsfunktionäre (gewählt und bezahlt von Leuten, die als Delegierte das Vereinsleben ganz unten repräsentieren) fühlen sich offensichtlich mächtig genug, um es auf einen Rechtsstreit anzulegen, um diesen Anspruch durchzusetzen. Man fragt sich unweigerlich, ob das womöglich nur ein erster Torpedoschuss ist, angeschoben von den vom Leben gezeichneten Honoratioren beim Dachverband in Frankfurt, die sich selbst nicht so gerne unbeliebt machen wollten und für den Präzedenzfall lieber ein paar Freiwillige vorgeschickt haben.
Als praktizierender Alltagsjurist ohne Examen und ohne Kanzleierfahrung hat man es schwer, die Rechtsrelevanz der Zivilklage nachzuvollziehen. Und ohne Lektüre der entscheidenden Papiere lässt sich nur mutmaßen, auf welch dünnem Eis der Verband daherkommt. Ein Blick in die Satzung zeigt allerdings einiges: Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, nicht um ein Unternehmen. Dessen eigentlicher Zweck ist "die Förderung des Sports, insbesondere des Fußballsports". Nach außen vertritt er die Interessen von Vereinen und deren Mitglieder aus dem Verbandsgebiet qua Satzung nur gegenüber einer Instanz - gegenüber den Behörden. Mit anderen Worten: das Streben dieses Vereins ist ausdrücklich als gemeinnützig angelegt. So will er denn auch "die Allgemeinheit selbstlos... fördern". Man muss angesichts dieser Klage allerdings annehmen: Die Allgemeinheit fördert man in Stuttgart wohl nur ganz allgemein, konkret fördert man erst mal nur sich selbst.
So hat sich der WFV einen Satzungsparagraphen gegeben, in dem er sich das Recht zuerkennt, "für Fernseh- und Hörfunkübertragungen von Verbands- und Freundschaftsspielen ... Vergütungen ... für die Vereine treuhänderisch zu vereinnahmen und an diese zu verteilen" und diesen Denkansatz auf "die Rechte bezüglich aller anderen Bild- und Tonträger gegenwärtiger und künftiger technischer Einrichtungen jeder Art und in jeder Programm- und Verwertungsform – insbesondere über Internet und andere Online-Dienste" ausgeweitet.
Klingt nach viel. Ist es aber nicht. Ich bin mir ziemlich sicher: Die Satzung eines Vereins kann allenfalls die Rechtsverhältnisse der betreffenden Mitglieder untereinander regeln ("treuhänderisch vereinnahmen und...verteilen"). Einen rechtlichen Anspruch gegenüber Nichtmitgliedern können die dort hingeschriebenen Sätze nicht erzeugen. Solche Wahnvorstellungen entstehen zwar immer wieder und sind nicht strafbar. Aber das ändert nichts an der Realität. Und die besteht daraus: Tatsächlich steht in der Satzung kein Wort davon, ob der Verband überhaupt derartige Rechte jemals erwerben wird oder sie durch irgendeinen internen Vorgang bereits besitzt. Wie kann er verwerten, was er nicht hat? Aber das ist noch nicht alles: Kann ein Verein wie dieser aufgrund seiner Rechtsstellung und Rolle solche Rechte überhaupt besitzen oder verstößt er damit gegen die Grundidee des steuerbefreiten Gemeinnützigkeitsgedanken, weil er ja plötzlich wirtschaftlich tätig wird? Wenn ja, gibt es überhaupt Vereinbarungen zwischen den Sonntagskickern auf den Hartplätzen im Südwesten und dem Verband über die Verwertung von Persönlichkeitsrechten und mit den Vereinen über die Verwertung von Markenzeichenrechten?
Ich vermute mal: nein in allen Punkten. Warum? Sonst hätten sich die Rechtsanwälte des WFV sicher nicht gedacht, sie werfen lieber mit einer anderen Keule und basteln sich eine Theorie (siehe oben), die ihren Rechtsanspruch aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ableitet. Man ignoriert also die Kernfrage (Darf der Verband überhaupt Rechte verhökern? Hat er sie überhaupt?) und konstruiert einfach mal eine Wettbewerbssituation, in der die Hartplatzhelden dem WFV angeblich eine Ware beziehungsweise eine Dienstleistung streitig machen, die ihm angeblich gehört. Vielleicht haben sie Paragraph 8, Absatz 4 des UWG überlesen:
"Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen."Eines ist klar: Der Grat ist schmal, auf dem ein Projekt wie Hartplatzhelden in Deutschland operiert. Und er wird nur breiter, wenn dieser schnöde Versuch von Funktionären, ihre Arbeit klammheimlich umzufunktionieren - von Gemeinnutz zu Eigennutz - auch politisch gestoppt wird. So steht in der Satzung des WFV jene interessante Bestimmung in Paragraph 4:
"Der Verband darf keine anderen als die in § 3 der Satzung bezeichneten Zwecke verfolgen."Tatsächlich stellt die Attacke gegen die Hartplatzhelden nichts anderes dar als ein Verstoß gegen diesen Paragraph 4. Denn von Vermarktung, Verwertung, Geld verdienen und Inkasso ist in Paragraph 3 mit keinem Wort die Rede. Vermutlich aus gutem Grund. Sonst wäre das mit der Steuerbefreiung und dem Gemeinnützigkeitsstatus schnell zu Ende. Vielleicht sollte sich das Finanzamt mal mit den Machenschaften in Stuttgart beschäftigen.
Nachtrag: Inzwischen gibt es ein Reihe von Berichten und Stimmen zum Thema:
SpOn
stern.de
Nachspiel
Bolzplatz
3 Kommentare:
Zum Thema "Kommerzialisierung des Amateur-Fußballs" habe ich hier Stellung genommen:
Der Sport der Gesellschaft
MfG
Enno Aljets
Ich finde diese Verbandsreaktion einfach nur dumm. Das ist traurig, das macht mich wütend, wie hier persönliches Engagement ausgebremst werden soll. Zum Glück haltend die Hartplatzhelden dagegen.
So, am 18.12.2008 steht nun also die Urteilsverkündung im Fall WFV gegen die Hartplatzhelden.de an. Wollen wir mal hoffen, dass der Richter diesmal im Sinne der Helden entscheidet.
Viele Grüße, Thomas
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