7. November 2007

Der Zeitgeist-Clown

Auf das Wort muss man erst mal kommen: urban journalism. Denn das macht wortwörtlich keinen Sinn. Jeder Lokalredakteur aus einer Großstadt praktiziert das. Aber das ist dem furchtbar unbegabten, aber trotzdem immer noch bestens bezahlten amerikanischen Schreiber Scoop Jackson bestimmt egal. Denn er setzt Wörter anders ein. Nicht als Ausdruck von Gedankenketten und Wissensformation, sondern als Codebegriffe, als Attitüdensprache.

Im Grunde ist der Erfolg von Scoop Jackson nicht zu begreifen. Weshalb sich ein gewisser Jason Whitlock bereits darüber öffentlich aufgeregt hat. Aber daraufhin verlor der seinen Job, weil er einen Kardinalfehler der Zunft begangen hat: Man kritisiert nicht einen Kollegen laut und vernehmlich, wenn man sein Honorar vom selben Arbeitgeber bezieht.

Jackson verdankt seinen Aufstieg einem Zeitgeist-Produkt (auf das er vermutlich anspielt, wenn er von urban journalism spricht). Es sind Lifestyle-Magazine, die jenes Publikum bedienen, das sich an der Schnittstelle von Streetball/Basketball/Hip-Hop/Ghetto-Schick/Musik-Video eingefunden hat. An diesen Magazinen und der Musik ist nichts weiter bemerkenswert, außer das in beiden Formaten immer so getan wird, als leiste man einen Kulturbeitrag. Beide bestärken sich gegenseitig in der Illusion, dass die Rapper die Könige der von Drogendealern in Schach gehaltenen Ghettos und als Poeten und Berichterstatter einer Lebenswirklichkeit zu betrachten sind, die dem Rest der Welt die Geschichten aus der totalen gesellschaftlichen Sackgasse serviert (die dann noch ein Schlupfloch offenbart: den Weg ins Gefängnis).

So wie es den Rappern bei ihrer Sprachartistik weniger ums Konkrete geht, sondern hauptsächlich um Entertainment und Plattenumsatz und um eine Starrolle, so ignorieren auch die sie begleitenden Schreiber aus dem Medienumfeld gerne die Kernaufgabe. Sie begreifen sich als kreative Cheerleader, die offensichtlich darauf hoffen, dass sie am Ende selber so etwas wie Stars werden. Vor allem dieser Szene ist es zu verdanken, dass Basketballspieler wie Allen Iverson und Stephon Marbury so populär sind, was in keinem Verhältnis zu ihrer Leistung auf dem Platz steht. Und dass sie sich in Interviews so artikulieren, als hätten ihnen jemand den größten Teil des Verstands herausgeschraubt.

Die Verwirrung ist Teil des Spiels um Popularität, Status und finanziellen Erfolg. Keiner der Multimillionäre (ob im Sport oder in der Musikszene) würde auch nur im Traum daran denken, etwas zu tun, was den unreflektierten mythischen Charakter seiner Entertainment-Persona in eine politisch relevante Bahn lenken könnte. Die Typen könnten tatsächlich Einfluss nehmen auf das Leben im Ghetto. Alles, was sie tun, ist Bojangling, wie Whitlock das nennt. Eine Anspielung an Bill Bojangles Robinson, ein schwarzer Filmschauspieler, der in der dreißiger und vierziger Jahren die Klischeerollen schlechthin spielte: der immer lächelnde, devote Schwarze, der zur Unterhaltung oder als Dienstbote des weißen Mannes existiert.

Keiner verkörpert das Prinzip in den amerikanischen Medien so wie Jackson, der inzwischen bei espn.com eine Kolumne hat - also eine beachtliche Plattform besitzt, mit Lesern, die aber längst nicht so leicht zu beeindrucken sind wie die Käufer von Blättern wie Slam! oder Vibe. "Scoop ist ein Clown. Und die Veröffentlichung seiner vorgetäuschten Ghetto-Pose ist eine Beleidigung schwarzer Intelligenz", meinte Whitlock in seinem legendären Interview mit dem Blog The Big Lead. Die meisten Leute halten sich allerdings gar nicht mehr damit auf, den Mann und seine Texte zu kritisieren. Nur manchmal bricht in jemandem etwas auf - wie hier. Und dann erinnern sich noch ein paar Leser an solche Sachen wie diese, als Jackson sich kreativ bei einem Blog bediente, ohne den auch nur zu erwähnen.

Und so kommen wir zum eigentlichen Auslöser dieses Beitrags - zu Jacksons neuester Arbeit: einem puren PR-Stück, in dem er den halbgottgleichen Michael Jordan, seine neuen bei Nike hergestellten Schuhe und vor allem sich selbst abfeiert. Das kommt davon, wenn man keine wirklichen Geschichten erlebt und deshalb nichts zu erzählen hat. Und wenn man keinen Sinn für eine kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit der Welt hat. Dann entstehen solche Kracher: The Jordan Experience.

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