Es wird Zeit, die Uhr zu stellen. Nicht nur weil Sommerzeit bald vorbei ist. Sondern weil demnächst die Klinsmann-Euphorie offiziell zu Ende geht. Der Termin? Der Tag, an dem der wackere Schwabe die US-Nationalmannschaft übernimmt.
Offiziell ist gar nichts bekannt. Außer, dass der Chef des amerikanischen Fußballverbandes, ein studierter Mann und Volkswirtschaftsprofessor aus New York durch die Welt tingelt und mit einer Reihe von Kandidaten spricht, von denen fast keiner ernsthaft in Frage kommen dürfte. Die Namen Pekerman (kann kein Englisch) und Eriksson (kann nicht kommunizieren) wurden zwar in die Runde ge- aber auch gleich wieder verworfen. Das waren die Blendgranaten, mit denen Sunil Gulati hantiert, damit man ihm nicht hinterher vorwerfen kann, er habe nicht hinreichend recherchiert. Andere Namen in der Auswahl - wie Carlos Queiroz (Assistent bei Manchester United) oder Gérard Houllier (früher Frankreichs Nationalcoach, dann Liverpool, jetzt Lyon) - wirken eher so, als ob sie sich selbst ins Gespräch bringen wollten.
Das kann man verstehen. Der Posten wird nach internationalem Maßstab zwar nicht extrem gut bezahlt, aber er ist gemütlich. Der neue Mann hat vier Jahre Zeit, eher er sich einer wirklich kritischen Bewertung unterziehen muss. So etwas wird jeden stressgeplagten Vereinstrainer reizen. Natürlich sind auch Amerikaner als Kandidaten im Gespräch. Aber niemand bezweifelt, dass Klinsmann nur zu nicken braucht und die Sache ist erledigt. Im November soll die Entscheidung offiziell bekannt gegeben werden.
Zwar gibt es Klinsmanns offizielle Aussage, er habe kein Interesse an dem Job. Aber dieses Statement stammt aus dem Juli, als sein Freund Bruce Arena noch offiziell amtierte. Dem wollte er nicht von hinten in die Hacken treten. Weshalb auch? Manche Dinge erledigen sich von alleine. Den ersten Hinweis auf einen Stimmungswandel gab er vor ein paar Tagen, als er einer Trainerkonferenz über Video zugeschaltet ungenötigt folgendes mitteilte: "Wer weiß, vielleicht bin ich bei der Weltmeisterschaft 2010 wieder Trainer?" In einem E-Mail-Interview mit Sports Illustrated im September wich er der Frage lieber aus. Er hätte sein Desinteresse bei der Gelegenheit nochmals klar und deutlich bekräftigen können. Er tat es nicht. Die Weichen scheinen gestellt.
Das dürfte bedeuten, dass Klinsmann bei seinen finanziellen Forderungen nachgegeben hat. Arenas Bezüge lagen nach Informationen der New York Times bei 600.000 Dollar plus Prämien. Der Schwabe sieht seinen Marktwert angeblich eher bei 2 Millionen Dollar im Jahr, was immer noch ein Schnäppchen wäre verglichen mit den 5 Millionen Dollar, die Eriksson beim englischen Verband erhalten haben soll.
Bild: Klinsmann mit dem designierten Assistenten Sigi Schmid (gefunden auf SoCalSoccerNews)
1 Kommentar:
Bei mir ist trotz aller Dementis auch nie das Gefühl geschwunden, dass sich da zwei suchen und finden könnten. Einen idealeren Job gibts für Klinsmann gar nicht - direkt vor der Haustür und abseits der Medienlandschaft. Genau das, was die einzigen Nachteile an seinem bisherigen Job waren. Und wenn man die Wahl zwischen Klinsmann und Erikson hat, muss eigentlich keiner lange überlegen. Obendrauf kommt noch die amerikanische Mentalität, die wohl deutlich eher einem impulsiven, hemdsärmeligen Ex-Torjäger entgegenekommt als einem unterkühlten Gentleman-Coach.
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