Die Recherche in den Archiven der größten deutschen Zeitungen hat ein erstaunliches Resultat zutage gefördert: Deutschland hat einen phänomenalen jungen Golfer. Aber keiner schreibt über seine Erfolge. Keiner außer der Wuppertal-Ausgabe der Westdeutschen Zeitung, die ihn als lokale Größe feiert.
Dann wollen wir hier mal den Scoop der Woche loslassen. Der Mann heißt Martin Kaymer, ist ganze 21 Jahre alt und steht auf Platz 148 der Weltrangliste. In Worten: einhundertachtundvierzig!). Er hat damit fast Bernhard Langer übertroffen, der nur 18 Plätze vor ihm liegt und ganz langsam in Richtung Champions Tour der über 50jährigen Profis abdriftet. 148 - das heißt aber auch: 204 Plätze VOR Alex Cejka, der in den USA ebenfalls abdriftet: in die Zweitklassigkeit. Zwar könnte der Münchner auch in diesem Jahr die schwere Q-School bestehen, was schon im letzten Winter gelungen war. Aber das Problem dürften irgendwann die Finanzen werden. Mit 500 000 Dollar an Prämieneinnahmen im Jahr ist das teure Leben auf der Tour (Steuern, Caddie, Trainer, Haus in Las Vegas, Reisen, Hotel, Abstecher nach Europa) kaum noch zu finanzieren. Ganz abgesehen davon kommt man mit dem Lappen auch nicht in jedes Turnier. Die PGA hat ein ausgetüfteltes Startberechtigungssystem, das unter anderem Woche für Woche den aktuellen Stand der Money List in Betracht zieht. Wenn man da unterhalb der 125 steht wie Cejka seit Wochen, dann rutscht man bei attraktiveren Terminen auf die Standby-Liste. Nicht gut fürs Ego.
Aber zurück zu Martin Kaymer und seiner "Saison des Lebens" (WZ). Der 21jährige aus Mettmann fing das Jahr auf der drittklassigen EPD Tour an (European Professional Development Tour), wo noch viele andere deutsche Nachwuchsspieler mitmachen und spielte sich wie in einen Rausch. Vor der Deutsche Bank Players' Championship in Gut Kaden im Juli entdeckte ihn zwar die FAZ und schürte prophylaktisch Hoffnungen. Aber in Alveslohe überstand er nicht den Cut. Und so wurde all das, was danach kam, einfach ignoriert (wenn man von einer Geschichte in der Süddeutschen Zeitung absieht). Der Mann hat (noch) keine Lobby.
Dann wollen wir hier mal den Korken knallen lassen: Kaymer hat sich mit seinen Resultaten auf der Challenge-Tour für die European Tour qualifiziert, wo er im nächsten Jahr auf Marcel Siem treffen wird (Platz 224 der Weltrangliste und mit dem 53. Platz auf der Order of Merit sicher qualifizert). Und zwar in einem Durchmarsch sondergleichen: Im ersten Teil der Saison arbeitete er sich auf der EPD-Tour mit einem Parforce-Ritte nach vorne (dazu gehörte eine 59er Runde, etwas, was noch kein deutscher Spieler bei einem Turnier geschafft hat - siehe Scorekarte). Damit sicherte er sich den Zutritt zu den Turnieren der Challenge Tour, wo er erneut brillierte (siehe Bilanz hier). "Martin beherrscht jeden Schlag, spielt ohne Furcht, aber mit einer jederzeit kontrollierten Aggressivität Er erkennt den richtigen Moment anzugreifen oder defensiv zu spielen", lobt Martin Hasenbein, der Chefcoach des Golf Teams Germany.
Kaymers Biographie zeigt, wie schwer es der deutsche Fußball heutzutage hat, gescheiten Nachwuchs heranzuziehen. Denn er sagte dem Mannschaftssport ade, obwohl er mit 14 Jahren in der B-Jugend von Fortuna Düsseldorf Nordrhein-Westfalen-Meister geworden war. Die Entscheidung sei "schon ungewöhnlich" gewesen, sagt er. Aber sie hat sich als klug herausgestellt.
2 Kommentare:
Nicht ganz zutreffend, denn heute gibt es auch im TAGESSPIEGEL eine längere Geschichte zu Kaymer:
http://www.tagesspiegel.de/sport/archiv/11.10.2006/2827311.asp
Vielleicht hat da gestern jemand meinen Blog gelesen? Nicht wahrscheinlich, aber wer weiß?
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