Es ist selten genug, dass Sportler Bücher schreiben. Schreiben im Sinne von selbst verfertigen, sich hinsetzen und vor einem Text sitzen und brüten und sich fragen, ob das überhaupt Sinn hat, was man formuliert. Fast alle greifen auf Ghostwriter zurück. Leider. Das sorgt für eine langweilige Gleichförmigkeit in der Herangehensweise und im Stil. Also sollte man jeden Selbstversuch zuerst einmal gut heißen und neugierig sein. Und man sollte die New York Times loben, wenn sie jemandem anschließend die Chance gibt, noch einmal seine Gedanken zu sortieren und zu pointieren. Ungefiltert und umfassend. Aber das heißt nicht, dass man dann auch noch dem Resultat applaudieren muss. Schon jenes Buch hat Leute geärgert, weil es im Titel (Inside the Postal Bus: My Ride With Lance Armstrong and the U.S. Postal Cycling Team) ziemlich viel von der Realität verbiegt und dann sehr dünn bleibt. Michael Barry war damals so etwas wie ein B-Team-Fahrer. Und das Jahr, mit dem er sich hauptsächlich beschäftigt, war er auch nicht bei der Tour de France in der Mannschaft. Sein bisher größter Erfolg: Neunter auf der Straße bei den Olympischen Spielen in Peking.
Zum Timing des Barry-Textes darf man annehmen, dass es etwas mit dem Auftritt von Lance Armstrong morgen in New York zu tun hat. Weshalb wohl auch das Wort Doping mit keiner der zwei Silben erwähnt wird. Genauso wie verschwiegen wird, dass Barry Kanadier ist und sich als solcher gar nicht so platt mit dem US-Radsport identifizieren müsste, wie er es tut. Aber er ist ja auch mittendrin. Was ebenfalls unterschlagen wird: dass er für Columbia fährt. Dafür erfahren wir erstmals, dass es eine besondere Mentalität und eine Verhaltenskultur im amerikanischen Radsport gibt, für die man aber keine vernünftige Begründung bekommt und die auch auch nicht damit abgeglichen wird, dass die amerikanischen Top-Fahrer wie Greg LeMond und Lance Armstrong gar nicht in das Profil passen. Aber was soll's, man möge den ganzen Text selbst lesen und nach dem Korn suchen, in dem die Wahrheit steckt. Hier eine Kostprobe: "Radfahrer in den Vereinigten Staaten sind schwerer und massiver, verlassen sich auf Muskelkraft und den Sprint, um zu gewinnen. Sie haben weniger Angst, sich mit den Ellenbogen, den Lenkern und den Hüften an ihren Rivalen zu reiben, um kurz vor dem Ziel für eine bessere Ausgangsposition zu kämpfen. Stilistisch ist das wie der Unterschied zwischen NASCAR und der Formel 1 in Europa."
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