Auf seine eigene hässliche Weise ist Randy Couture eine Legende. Das liegt nicht an seinem Namen. Der erinnert an weiche Stoffe und feminine Züge und wäre deshalb in seinem Milieu eher ein Grund zum Spott. Es liegt an der Art, wie er andere Männer behandelt. Wie etwa im August, als er nach wenigen Minuten in einem Kampf einen jüngeren Gegner hochhob und als sei er ein kraftstrotzender Kerl aus einem Videospiel einfach zu Boden schleuderte und gleich noch mit einem Kopfstoß die Nase brach. Der Amerikaner, der einst als Ringer im Griechisch-Römischen Stil angefangen hatte, ist zwar bereits 44 Jahre alt. Aber mit seiner Technik und seiner Kraft wirkt er auch heute noch in der Auseinandersetzung mano-a-mano so gut wie unbezwingbar.
Den Eindruck muss auch sein Promoter Dana White gewonnen haben. Sonst hätte er nicht vor kurzem vor einem Gericht in Las Vegas eine Klage gegen seinen besten Mann eingereicht. Couture hatte sich öffentlich darüber beschwert, dass er nicht genug Geld bekommt, wenn er sich für den erfolgreichen Manager und dessen Ultimate Fighting Championship in den Ring begibt. Und wenn es einen Grund gibt, weshalb sich Randy Couture im Training quält, dann ist es dieser: Dollars und zwar im großen Stil. Bei dem Streit geht es aber nicht nur um Millionen, sondern auch um die Wahrheit. Und um das Image von Ultimate Fighting, einem Phänomen, das am dunklen Rand des Sportgeschäfts in den USA einen erstaunlichen Erfolg erlebt.
Ein Teil der Wahrheit lautet: Allein im vergangenen Jahr schalteten bei den UFC-Veranstaltungen, bei denen riesige und bärenstarke Männer in einem achteckigen Drahtkäfig aufeinandertreffen, im Schnitt mehr als 800 000 Amerikaner aus der von der Werbewirtschaft so begehrten Altersgruppe der 18- bis 34-jährigen ihre Fernsehapparate ein, um die blutigen Prügeleien zu verfolgen. Ein Wert, der vergleichbare Zahlen der National Basketball Association aus der regulären Saison übertrifft.
Ein anderer Teil der Wahrheit ist: Die genaue Bezeichnung der Disziplin ist nebulös. Die meisten nennen sie Mixed Martial Arts oder auch kurz MMA, weil in ihr eine eigenartige Mischung von Kampfstilen zusammenkommt: Boxen, Kickboxen, Judo und Ringen. Schläge und Tritte sind genauso erlaubt wie Würgegriffe. Seit seinen kruden Anfangen vor knapp 20 Jahren wurden die Regeln präzisiert (kein Beißen, keine Attacken auf Augen, Fingergelenke und die Genitalien). Und es wurden Gewichtsklassen eingeführt, um Chancengleichheit herzustellen. So ist Couture der amtierende Schwergewichtsweltmeister.
Aber an der Prämisse hat sich nichts geändert. Das Risiko, das einem der Gegner mit seinen fingerlosen leichten Handschuhen die Zähne einschlägt oder einen Arm auskugelt, ist nachwievor groß, und sicher einer der Gründe, weshalb immer mehr Neugierige Eintrittskarten kaufen und vom Boxen abwandern, das seit langem in den USA eine wirtschaftliche Durststrecke erlebt. Wie stark die zehrt, zeigte sich am Samstag beim Kampf von Wladimir Klitschko im Madison Square Garden von New York. Nicht nur war die Arena nicht ausverkauft. Der Ukrainer aus Deutschland hatte mal wieder so geboxt, "ohne dass ihm auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre", berichtete Boxkenner Hans-Joachim Leyenberg in der FAZ aus New York unter der Überschrift "Pfiffe und Buhrufe für den Weltmeister". Auch diese Zuschauer wandern demnächst sicher in Richtung Ultimate Fighting ab. Denn dort wird noch richtig zugeschlagen.
Der Erfolg erinnert viele Beobachter an den Boom der Automobilrennserie NASACR. Was jedoch bei solchen Vergleichen gerne verschwiegen wird: Mixed Martial Arts bietet ähnlich wie NASCAR vor allem weiße Protagonisten auf. Die amerikanische Boxwelt hingegen ist das Zuhause von schwarzen Kämpfern - und in den unteren Gewichtsklassen von Latinos.
Es gibt mittlerweile drei Verbände - Ultimate Fighting Championship (UFC), Bodog Fight und die International Fight League. Die bekannteren Kämpfer verfügen über hinreichend Renommee, um ihre eigenen Nahrungsergänzungsmittel oder Bekleidungslinien auf den Markt zu bringen. Aber trotz des wachsenden Publikumszuspruchs hängt der Disziplin noch immer ein schlechter Geruch an. So weigert sich etwa die New York State Athletic Commission die Duelle offiziell zu sanktionieren. Und Boxexperten schauen von ihrem hohen Ross auf den vermeintlich kleinen Bluts-Bruder herab. Weltmeister Floyd Mayweather Jr. prahlte neulich, dass jeder begabte Boxer einen Ultimate Fighter K.O. schlagen würde. “Die können nicht boxen. Deshalb sind sie in der UFC.”
Die Betroffenen nehmen solche Kommentare meistens mit einer erstaunlichen Gelassenheit. “Kurioserweise betrachtet man MMA oft als unkomplizierten Sport”, sagt Greg Jackson, der in Albuquerque eine Gruppe von Kämpfern managt. “Es ist eher so etwas wie dreidimensionales Schach.” Worauf er anspielt, sind die Grundlagen, die austrainerte Ultimate Fighter besitzen müssen. Matt Hughes, ein ehemaliger UFC-Weltergewichts-Champion, beschreibt das Training so: “Man läuft einen Marathon, während man auf einem Stier reitet." Die besten verfügen über enorme Ausdauer, Zähigkeit, Furchtlosigkeit und ein explosive Schlagkraft. Selbst einflussreiche Politiker wie Harry Reid, der Senator aus Nevada, der im Senat in Washington als Fraktionsvorsitzender der Demokraten amtiert und einst als Amateurboxer im Ring stand, entwickeln Sympathien für die Ausübung solch roher Gewalt: “Das ist besser, als ich dachte”, sagte er letzten Sommer, nachdem er in der ausverkauften Arena des Mandalay Bay Casino-Hotels in Las Vegas zusammen mit 11 000 Zuschauern zum ersten Mal einen Kampf verfolgt hatte.
Die UFC-Promoter wollen angesichts der wachsenden Popularität denn auch neue Märkte in Europa erobern. Der Boden dafür scheint bereits mancherorts gut gedüngt. So hat eine aus Japan stammende Variante der Schlag-Show namens “Shidokan” in Deutschland Fuß gefasst. Sie produziert sogar Weltmeister wie Peter Angerer, ein ehemaliger Polizeibeamter aus Baden-Württemberg. Der hatte mit Taekwondo und Karate angefangen und sich anschließend in Japan und den USA getummelt. Inzwischen versteht er sich als Missionar der Disziplin, baut Trainingszentren und fördert Talente. Seinen Titel verlor er im letzten Sommer.
Dass der Vorzeige-Kämpfer Randy Couture allerdings bei dieser Kampagne dabei sein wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Nicht weil er und die UFC-Leute zur Zeit zerstritten sind. So etwas gehört zu den rohen Sitten des Milieus und kannn jederzeit gekittet werden. Doch in seinem Alter stoßen selbst die Stärksten irgendwann an die Grenzen der Biologie.
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