Heute abend dürften wir und der Rest der Welt wissen, wer - mit aller größter Wahrscheinlichkeit - der nächste Präsident der USA wird. Klingt vermessen? Ja und nein. Wir werden ja im November sehen und können dann noch mal zurückblättern.
Was wir jetzt schon wissen:
Teil eins: Heute finden in mehr als 20 Bundesstaaten Vorwahlen in den beiden großen Parteien statt. Das Feld der Kandidaten ist zusammengeschmolzen. Bei den Demokraten sind es noch zwei: Präsidentengattin Hillary Clinton und Barack Obama. Bei den Republikanern sind es vier, aber mit zweien, die es unter sich ausmachen: John McCain und Mitt Romney. Da sich unter den teilnehmenden Staaten auch ein paar große befinden wie Kalifornien und New York, werden heute sehr viele Delegierte für die Nominierungsparteitage gewählt.
Teil zwei: Es zeigen sich Trends bei den Umfragen. Bei den Demokraten ein Kopf-an-Kopf. Bei den Republikanern ein entscheidender Popularitätszuwachs für John McCain, der im Jahr 2000 parteiintern gegen George W. Bush verloren hatte und damit automatisch einen Bonus haben sollte. So zeichnen sich für die Wahlen im November zwei Modelle ab: McCain gegen Clinton oder McCain gegen Obama. Die Prognose von dieser Stelle aus: im ersten Fall gewinnt McCain. Im zweiten gewinnt Obama.
Teil drei: Dubios wie so vieles am amerikanischen Wahlsystem, das inzwischen jedes Mal mehr als eine Milliarde Dollar nur an Werbung verschlingt (das meiste verdienen die Fernsehsender, die inzwischen in einer großen Koalition Wahlkämpfe im Stil von Sportveranstaltungen übertragen). Der Charakter der Auseinandersetzungen produziert die simpelsten Slogans und Wahlaussagen, die man sich nur vorstellen kann. Wenn überhaupt, geht es um Persönlchkeitsmerkmale, die allerdings null mit der ideologischen Ausrichtung zu tun haben. Typisch sind Figuren wie Joe Lieberman, der vor anderthalb Jahren bei den Vorwahlen der Demokraten in Connecticut um den Posten des Senators in Washington verlor, aber das Resultat nicht akzeptierte, weil er sich erhaben fühlt. Er gewann das Mandat als unabhängiger Kandidat und unerstützt jetzt McCain. Die pikante Note: Er war vor acht Jahren der Mann neben Al Gore für das Amt des Vize-Präsidenten, wäre also, wenn alles richtig gelaufen wäre und nicht rechtens, derzeit in seiner zweiten Amtsperiode der zweite Mann im Staate. (Wer übrigens mal wissen will, wie ein Chamäleon grinst, sollte sich Videos von Lieberman anschauen.)
Teil drei: Wo ist Al Gore und warum kandidiert er nicht? Der Mann hat seine Ansprüche auf das Amt schon mehrfach verraten. Wenn es jemals so etwas hätte geben müssen wie einen Oppositionsführer (ein Posten, der aufgrund des präsidialen und parlamentarischen Systems in den USA formal nicht existiert), dann war es Al Gore, der ab 2001 vier Jahre lang nichts anderes hätte tun sollen, als den Millionen von Wählern, die für ihn gestimmt hatten (und das waren mehr als die für Bush), dass er noch da ist, dass er wieder antritt, dass er bessere politische Ideen hat und dass er sich nicht von der derzeit regierenden Junta des militärisch-industriellen Komplexes ins Bockshorn jagen lässt). Es gab keinen legitimeren Kandidaten, denn schließlich hatte er die Wahl 2000 gewonnen. Aber er ließ sich bereitwillig in eine Ecke drücken, wo ihn die Medien als schlechten Verlieren brandmarken konnten. Aus der kam er nie wirklich wieder heraus. (Ich habe mich mit Gore vor einem Jahr ausführlich in der Zeitschrift FELDhommes beschäftigt, als er zumindest theoretisch noch hätte einsteigen können ins Karussell. Den Artikel gibt es nicht online. Ich hatte den Eindruck, dass ihm auch etwas fehlt, ähnlich wie Lieberman, nur nicht ganz so schlimm).
Teil vier: Super Bowl und Super Tuesday. Nicht nur im Kalender ganz nah beieinander. Auch im geistigen Spektrum der Medien und dadurch automatisch eine Dimension für die gesellschaftliche Wahrnehmung. In diesem Zusammenhang lohnt die Lektüre dieses Beitrags auf Internet und Politik: "Super Bowl vs. Super Tuesday". Dazu eine passende Kuriosität: Ausgerechnet heute werden die New York Giants ihre Konfetti-Parade am Broadway in Manhattan abhalten. Politik-Experten rechnen damit, dass so viele Zuschauer kommen, die dann wiederum keine Lust mehr haben, wählen zu gehen. Das hätte theoretisch in erster Linie einen Einfluss auf die Chancen von Hillary Clinton. Sie müsste als Senatorin von New York nämlich von den Sympathien her vorne liegen.
Blick zurück: Obama spielt Basketball
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