Der alljährliche Draft-Abend in der NBA ist ein konsumierbares Fernsehereignis, bei dem - in der ersten Runde - der Herr Commissioner persönlich alle paar Minuten aus einem Raum hinter der Kulisse durch ein Tor und an ein Mikrophon tritt und die Entscheidung des Clubs verkündet. Er liest vom Blatt ab und schaut mindestens dreimal genau hin: Wenn er sagen muss, um welchen Pick es sich handelt, wenn er den Namen des Clubs nennt und wenn er den Namen des Spielers verlautbart. Das ist spätestens ab Pick Nummer 10 nicht mehr sonderlich spannend, besitzt aber eine formaltheatralische Konsequenz. Und wir alle sind Zeugen.
Ab heute nacht läuft das komplette Gegenstück ab. 130 Spieler (also etwa ein Viertel von allen) werden in diesem Augenblick auf einen Schlag und offiziell vertragsfrei und können mit jedem Club verhandeln, der ihnen ein Angebot macht. Das läuft ohne Commissioner, ohne Bühne und ohne Kameras ab. Man muss sich das mehr so vorstellen wie in einem Bienenstock. Viel Gesumme, viel Flügelschlag, aber alles im Dunkeln. Und jeder hofft, dass am Ende Honig dabei herauskommt.
Mal abgesehen davon, dass sich zu diesem Zeitpunkt keine Spekulation darüber lohnt, wie das Geschiebe und Geschacher ausgehen wird - soviel steht fest: Der Effekt der Free-Agent-Transaktionen ist größer als der der Verpflichtung von hoch eingeschätzten Nachwuchsspielern. Mit anderen Worten: Die Draft-Show ist im Prinzip mehr Augenauswischerei als alles andere. Eine Art von Theater, das den publizistischen und kommerziellen Stellenwert einer Sportinstitution wie der NBA dokumentiert und darin mit dem All-Star-Weekend zu vergleichen wäre. Der größte Unterschied: Die All-Star-Veranstaltungen wandern durchs Land. Die Draft hat einen festen Standort: New York. Madison Square Garden. Mit dem lauten New Yorker Publikum, das sich gelegentlich unmissverständlich zu Wort meldet (diesmal als der Trade mit Portland bekannt wurde, der Zach Randolph zu den Knicks bringt und Steve Francis an die Westküste expediert).
Wer einen Überblick über die Free-Agent-Situation gewinnen möchte, dem sei dieser Artikel in der New York Times empfohlen, in dem die vertragslosen Gesellen etwas abschätzig als pawns (die Bauern im Schachspiel) charakterisiert werden. Die Analogie ist schief. Bauern haben wirklich kein Mitspracherecht bei der Wahl ihrer Einsatzzone. Und die wenigsten schaffen es bis zur Grundlinie und zu einer Umwandlung in einen Offizier. Free Agents haben Wahlmöglichkeiten (längere Verträge/kürzere Verträge, Meisterschaftsaspiranten/Aufbauprojekte). Und vor allem können sie sich ihre Agenten und Berater vorher aussuchen. Das heißt: Sie stehen nicht einfach nur so dumm da.
Aber es ist schon klar, was Times-Mann Howard Beck sagen will: Am Ende sind die meisten Spieler einfach nur Gestaltungsmasse in den Plänen irgendwelcher Manager und Trainer. Und da sich die nicht in ihre Karten schauen lassen, entwickeln die Profis (und die Öffentlichkeit) das Gefühl, dass da immer mehr an geheimnisvollen Machenschaften im Spiel ist, als tatsächlich der Fall sein dürfte.
Über den interessantesten Freien haben wir neulich schon gesprochen. Chauncey Billups kann ganze Kaskaden an neuen Trades auslösen - je nachdem, wo er landet. (Dallas wäre gut beraten, ihn zu holen). Rashard Lewis von den Seattle SuperSonics braucht man das nicht zuzutrauen. Landet er bei den Lakers (als Friedensangebot an Kobe Bryant, weil sie Kevin Garnett nicht bekommen) oder bei den Miami Heat, wo man nachrüsten muss, um im Osten mithalten zu können, dürfte das keine großen Wellen schlagen.
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