Das Wort "unabhängig" muss man in diesem Fall mit Vorsicht in den Mund nehmen. Erstens handelt es sich bei sportal um einen Ableger der zur Zeit noch größten Sportagentur der Welt. Deren Umgang mit den Nachrichten darf man bis zum Beweis des Gegenteils vor allem bei Agenturkunden wie Tiger Woods, Roger Federer, Maria Scharapowa von vornherein als positiv gefärbt einstufen. Dazu kommt, dass dieser Ableger, obwohl im Prinzip journalistisch aufgestellt, ganz offensichtlich keine Scheu vor der Zusammenarbeit mit Vermarktern hat und für gute Kunden jeder Zeit schöne "crossmediale Kommunikationskonzepte" aus der Schublade ziehen kann. Wen man bei IMG alles im Koffer hat, kann man auf dieser Seite lesen. Das journalistische Credo auf dieser Seite:
"Im Mittelpunkt steht dabei die Recherche und das Verfassen von Artikeln der gesamten journalistischen Bandbreite. Inhalte können auf Kundenwunsch individualisiert werden."Welche Konsequenzen diese Haltung auf die Berichterstattung über die Bundesliga, Formel 1 und andere in Deutschland populären Sportbereiche hat, kann man von New York aus kaum nachvollziehen. Aus dem Blickwinkel des amerikanischen Sports waren die Stichproben ganz und gar nicht ermutigend. Das jüngste Beispiel für die ideologische Verfärbung und den Standpunkt sind die Beiträge zur Tour de France, aus denen eine journalistisch verbrämte, aber im Grunde zynische Haltung spricht. Attackiert werden nicht die Betrüger und ein wirtschaftliches System aus Vermarktern und Sponsoren, die derzeit gemeinsam eine ganze Sportart ruinieren, sondern am liebsten die Überbringer der schlechten Nachrichten - also die Konkurrenz von sportal:
"Macht sportliche Berichterstattung überhaupt noch Sinn? Ja! Die Tour de France ist und bleibt eines der faszinierendsten Events der Welt. Perfekte Organisation, wunderschöne Landschaften, vielfältige Herausforderungen und drei Wochen Spannung. Was will man mehr?" (4.7.2007)Und wenn dann mal die tiefschürfende Analyse zum Thema ansteht (man kann das schließlich angesichts dieser Tour de Farce mit ihren ständigen Doping-News nicht vom Tisch wischen) dann kommt folgendes dabei heraus: ein Wehklagen darüber, dass sich die Fahrer wie Konkurrenten verhalten, statt sich solidarisch gegen die Epidemie zu stemmen. Dass sich die Verbände und Organisationen nicht einig sind. und dass die Medien "inzwischen viel mehr Interesse an Skandalgeschichten" haben als daran, "wie es dem Radsport geht", muss natürlich auch an dieser Stelle noch einmal angebracht werden. Aber das scheint nicht das Hauptproblem, sondern dies: Es fehle "eine zuständige Stelle", die sagt, wo's lang geht. "Niemand übernimmt Verantwortung für den Sport und sein Ansehen."
"Viele deutsche Medien wollen nur noch über Doping berichten." (16.7.2007)
"Ebenso kann man jetzt feststellen, dass die Medien, die am begeistertsten den Radsportboom in Deutschland mitgefeiert haben, sich nun am schärfsten davon distanzieren....Dabei ist das Dopingproblem im Radsport nicht neu." (19.7.2007)
Auf die Idee, dass erst das konsequente kritische Verhalten der Medien für jenen Druck sorgt, den man braucht, um die Indolenz der Unbelehrbaren im Radsport niederzuringen, ist man bei sportal bislang noch nicht gekommen. Dass ausgerechnet die diffamierten Medien die einzige verbleibende "zuständige Stelle" sind, der noch so etwas wie "Verantwortung für den Sport" anzumerken ist, mag man wohl nicht wahrhaben. Das erfordert ein Maß an Selbstreflektion, für das Angestellte von IMG im Zeitalter der "crossmedialen Kommunikationskonzepte" nicht bezahlt werden. Pest in Zeiten der Cholera.
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