7. April 2008

Schlechtes Geld

Draußen vor der Stadt, im hügeligen, baumbewachsenen, verschlafenen Teil von Connecticut, in dem unsereins so gerne seine Wochenenden verbringt, lebt einer dieser typischen amerikanischen Intellektuellen, der davon zehrt, ein paar handfeste Behauptungen sehr schlicht in Buchform zu verpacken und alle paar Jahre zu einem Thema zu bündeln, das sich so liest, als sei es neu. Er heißt Kevin Phillips und bezieht sein Prestige aus einer Prognose, die er mal vor vielen Jahren gemacht hat: Dass die republikanische Seuche mit Macht das Land überziehen wird, weil die Mehrheit der Wähler nicht an der nächsten Wegbiegung vorbeischauen kann. Und weil anti-schwarz, anti-arm, anti-schwul und anti-Emanzipation eine Generation von Reaktionären zusammenschweißen würde, die ihre Freiheit dadurch ausleben, dass sie das Gemeinwohl ausplündern.

Meistens schaut er dabei tief in die Vergangenheit, wie in seinem neuesten Buch, in dem er erklärt, dass Weltmächte ihre Position ihrem Wissen und Zugang zu Energievorräten verdanken. Die Holländer hätten gewusst, wie man Wind und Wasser zähmt, die Engländer hätten ihr Imperium auf Kohle aufgebaut und die Amerikaner auf Öl. Und so wurden sie Imperialisten, Kolonialmächte, Weltherren und mussten am Ende ihrer Regentschaft neuen Herrscherschaften den Vortritt lassen (die amerikanische Episode geht dieser Tage zu Ende - vor unseren Augen).

Mal abgesehen davon, dass mir eine alte, kluge Holländerin, die unweit von Mr. Philips wohnt, gesagt hat, dass die Holländer ihren Erfolg auf den Weltmeeren den portugiesischen und spanischen Juden verdanken, die ihre Land- und Seekarten mitbrachten, als sie aus ihren Heimatländern vertrieben wurden und in den Niederlanden aufgenommen wurden, hat die Theorie noch andere Löcher. Welche Energievorkommen hatte denn Alexander der Große? Und was war mit den Römern? Und auf was basierte die gewaltige Militärmacht Nazi-Deutschland, die zwischendurch fast ganz Europa besetzt hielt? Auf Kohle, Stahl und Chemie?

Sorry, aber solche Gedanken gehen einem durch den Kopf, wenn man in diesen Tagen an die Schweizer denkt und mit welchem Rohstoff die ihre Macht und ihren Einfluss erreicht haben: mit dem Geld ihrer Banken. Beziehungsweise, man kommt dann rasch auf das eigentliche Problem: die Vernichtung von Geld im Maßstab der UBS. Und man erinnert sich dann, wie die gleiche Managerclique schon die Swissair in die Pleite getrieben hat und fühlt Mitleid. Woran die UBS konkret krankt, konnte man am Wochenende in der New York Times lesen: am Führungspersonal, das erst dann, wenn 20 Milliarden Dollar oder noch mehr verbrannt sind, ausgetauscht wird. Die UBS, die vor ein paar Jahren aus einer Fusion zwei großer Häuser hervorgegangen ist, ist eine ambitionierte Bank. So ambitioniert wie auch die Swissair war, die ihr Heil im Aufkauf kleinerer europäischer Fluggesellschaften sah, obwohl die allesamt nicht profitabel waren. Das war Größenwahn im mittelgroßen alpinen Stil, der in der Schweiz in diesen Tagen aus allen Ritzen hervorzuquellen scheint.

Im Land der Eidgenossen selbst würde man die Attitüde vermutlich eher als gesundes Selbstbewusstsein beschreiben, aufgebaut auf ein Fundament jahrhundertelanger disziplinierter und vertrauenswürdiger Servilität gegenüber den Stars der Manege - den Engländern, den Nazis (und ihren Nachfolgern) und den Amerikanern (sicher auch bereits gegegenüber den Chinesen und Indern). Aber man sollte die Haltung wirklich anders einstufen: als einen seltsamen patriotischen Starrsinn, der solche Faux-Phänomene feiert wie das Segelboot Alinghi, das mit dem Geld eines Italieners und dem Können von Neuseeländern für ein Land fährt, das keinen Anschluss an die Meere hat, auf dessen Wogen der America's Cup einst als sportlicher Wettbewerb entstanden ist. Das Boot und sein Erfolg wurden zum Symbol für die Schweizer, deren Vorzeigefiguren zumeist nicht ganz aus der eigenen Fabrik stammen (Roger Federer ist halb Südafrikaner, Martin Hingis war voll aus der Slowakei importiert, James-Bond-Regisseur Marc Forster ist das Kind von Deutschen etc., die meisten Mitglieder der Fußball-Nationalmannschaft sind Ziehpflanzen aus anderen Töpfen, und demnächst darf der deutsche Trainer Ottmar Hitzfeld das alles richten).

Niemand hat Grund anzunehmen, dass die UBS den Weg der Swissair gehen wird, die in ihrer Reinkarnation als Swiss International Airlines nur kurzer Zeit selbständig fungierte und heute der Lufthansa gehört. Aber die Alinghi-Träume dürften schon bald ins Wasser fallen. Man hat bereits in New York auf dem Rechtsweg das Rennen um die Macht im Wettbewerb verloren und legte gleich anschließend vor Frankreich einen hübschen Köpper mit einem Trainings-Trimaran hin.

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