12. Juli 2009

Fixiert auf Star

Es ist noch keine anderthalb Jahre her, da brachen sich die Medien in Deutschland sprachlich bei dem Versuch einen ab, den Entwicklungsstand des jungen Profigolfers Martin Kaymer in den Griff zu bekommen. Das war kein Ruhmesblatt für die Zunft, denn solche Sprachbilder wie "Lehrgeld", des kleinen Bernhards Langers "große Fußstapfen" und "Shooting Star" dominierten und ließen einen ratlos zurück: Wo bleibt die angemessene journalistische Leistung, wenn mal ein Sportler aus Deutschland in die Weltklasse vorstößt, lautete die Frage. Die Urenkel von Goethe und Schiller können zwar hervorragende Autos bauen. Ihre Alltagssprache jedoch kommt wie ein Gogo daher. Man befürchtet das Schlimmste. Wird die schöpferische Leistung inzwischen billig in Indien oder Slowenien hergestellt?

Zum Glück hat Martin Kaymer mittlerweile durch seine Leistungen höchstpersönlich die Wortfindungsprobleme der jüngeren Vergangenheit für obsolet erklärt. Er gehört inzwischen zu den Topleuten der Branche. Und wenn man davon ausgeht, dass bei jemandem mit seinem Talent tatsächlich noch Luft nach oben ist, darf man gefahrlos Folgendes prophezeien: Dieser Typ wird sich demnächst in den Top Ten festsetzen und bei wichtigen Turnieren – den sogenannten Majors – mit einer Handvoll von Konkurrenten um die Pötte spielen.

Ob aber die deutschen Medien ein solches Phänomen sprachlich verdauen können, halte ich für sehr viel unwahrscheinlicher. Wie stand heute über der Nachricht über den erneuten Turniererfolg des 24-jährigen etwa auf der Online-Seite der Financial Times? "Golfstar Kaymer". Und was hatte Focus zu bieten? "Golf-Shootingstar", Zu dem Unsinnswort Shootingstar gibt es hier eine ausführliche Erläuterung. Die Ortsangabe "in Glasgow" im selben Text kann ich leider nicht erklären. Die Südspitze von Loch Lomond, wo die Scottish Open ausgetragen werden, liegt mehr als 30 Kilometer von der schottischen Metropole entfernt, der Golfplatz mehr als 50 Kilometer.

Die neue Diktion scheint übrigens quer durch viele Blätter der Begriff "Golfstar" zu sein. Verzeihung: Aber es stellen sich einem die Nackenhaare auf, vor allem, wenn man solche Begriffe aus angelsächsischen Sportteilen nicht gewöhnt ist. Da wird nicht mal Tiger Woods so etikettiert. Und der hat wenigstens gewisse Glamourwerte (und eine riesige Villa, und eine riesige Yacht und ein eigenes Flugzeug). Mal abgesehen von dem inflationären Gebrauch der Vokabel "Star", die aus der Filmindustrie stammt, wo man einst die Hauptdarsteller gerne mit einem hübschen weichen Lichtkranz um den Kopf fotografierte: Das Wort ist einfach extrem unsachlich und wertet die sportliche Leistung nicht auf, sondern ab. Es ist in diesem konkreten Fall nicht mal in einem übertragenden Sinne sinnvoll eingesetzt. Der Martin Kaymer, den ich kennengelernt habe, ist ein zurückhaltender, nachdenklicher, entspannter Typ, der viel arbeitet und sich extrem gut auf seinen Beruf konzentriert. Nun kommt zu diesem Ehrgeiz und diesem Fleiß ein wachsender Erfolg. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

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