Der world wide leader befindet sich auf einem seltsamem Kurs. Als die Nachricht über die Zivilklage gegen Pittsburgh Steelers Quarterback Ben Roethlisberger die Runde machte, gab es zwei Tage lang kein einziges Wort auf ESPN. Der Fernsehsender hat einen eigenen News-Kanal und eine Aktualitäten-Show namens SportsCenter und kann sich nie herausreden und sagen, sie hätten keinen Platz gehabt. Zwei Tage, in denen sich nicht nur die Blogger wunderten: Was ist das für eine redaktionelle Politik? Wenn schwarze Football-Profis in Schwierigkeiten geraten, werden sogleich die Reporter in Marsch gesetzt oder zumindest die Meldungen vom AP-Ticker abgelesen. Wenn der Quarterback des amtierenden Super-Gewinners in schattigem Licht erscheint, hält man sich zurück. Mit Schweigen. Liegt das am Ende an der Hautfarbe der betreffenden Person und den Klischees im amerikanischen Alltag? Wer weiß? Inzwischen wurde berichtet.
(Nachtrag: Und Roethlisberger hat sich mit einer persönlichen Stellungnahme an die Öffentlichkeit gewandt, in der alles bestreitet. Fragen von Journalisten hat er keine beantwortet.)
Der Sender wirkt zunehmend wie gelenkt von einem klerikalen Übergremium mit irgendeinem moralischen Kompass in der Tunika. Das kann man an der Reaktion auf die Berichterstattung der New York Post in der Erin-Andrews-Sache erkennen. Das Boulevard-Blatt, das soviel Druckerschwärze produziert, dass man sich mit einer einzigen Ausgabe einen Schornsteinfeger-Look zum Karneval verpassen kann, hatte mal wieder die alte Nummer abgezogen: Empörung (über den bösen Videofilmer) und voyeuristische Geilheit (seht her, liebe Leser, so sieht die Frau nackt aus) in einem Aufguss. Bei ESPN, wo man ganz offensichtlich zum ersten Mal mit allen rechtlichen Mitteln und mit viel Dampf eine populäre Mitarbeiterin des Hauses verteidigt, führte das zu folgender Reaktion: Es wurden alle Sportreporter der Zeitung, die bislang als Experten bei allerlei Gelegenheiten eingesetzt wurden, auf die schwarze Liste gesetzt. Die Zeitung, die Rupert Murdoch gehört und eine politisch rechte Ausrichtung pflegt, lässt sich durch solche Schüsse vor den Bug nicht beeindrucken. In einer Meldung auf der meistgelesenen Klatschspalte Amerikas (Page Six), gab es die erste Retourkutsche: ESPN wurde als "Mickey-Maus-Sportnetwork" verspottet. Warum das? Der Sender gehört zum Unterhaltungskonzern Disney.
An den zwei Sachverhalten fällt einiges auf. Erstens: ESPN ist mächtig und übt die Macht auch aus. ESPN hat sehr schwammige Kriterien im Umgang mit Prinzipien. Was immer denn deutlich wird, wenn der Sender den Eiertanz zwischen Rechteverwerter und Cheerleader von Sport (zur Zeit ist das Baseball, Mondey Night Football, NBA, Major League Soccer, Collegesport) einerseits und distanziertem Journalismus andererseits hinbekommen muss. Ich bin gespannt, ob der neue Ombudsman Don Ohlmeyer zu diesen Themen etwas zu sagen hat. Gedanken zu dem alten Fernseh- und Fahrensmann hat dogfood bei allesaussersport bereits vor ein paar Tagen formuliert. Sollte man lesen, wenn man sich für den Sender interessiert, der zwar bei den Bundesliga-Rechten neulich nicht ins Geschäft kam, aber inzwischen im Land von Elizabeth Zwo mitmischt.
1 Kommentar:
"Klerikales Übergremium"? Was für ein Dünnschiss.
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