Wenn man mal in Cooperstown und in der Baseball Hall of Fame gewesen ist, versteht man die besondere Stellung der Sportart in der amerikanischen Mythologie. Eine kleine, herausgeputzte Stadt am See in einer attraktiven Mittelgebirgslandschaft, die provinziell und traditionell zugleich wirkt, ist das perfekte Passepartout zu jener Mythologie wie sie von solchen kuriosen und gleichzeitig populären Politikern wie Sarah Palin beschworen wird. Die Mehrheit der Amerikaner mag in großen Städten wie New York und aufgedunsenen Agglomerationen wie Los Angeles und den in den Sand gebaggerten exurbanen Ausläufern von Metro-Wohnmaschinen wie Phoenix, San Diego oder Atlanta leben – die Idee, dass das real America, also das echte Amerika, woanders zuhause ist, lässt sich davon nicht beeinflussen. Die Sehnsucht nach dem kleinen Karo in einem so großen Land. Ja, die gibt es. Und sie ist stark.
Es gibt Vorläufer für diese Beharrlichkeit, die zeigen, dass man in den USA unter Selbstreflektion eben nicht so etwas versteht wie Vergangenheitsbewältigung, sondern so etwas wie eine geschönte und gefönte Nachbearbeitung der Realität. Geschichtsbewusstsein kommt so nicht zustande. Man denke nur an den langen Lauf der Cowboy-Filme in Hollywood und im Fernsehen. Bis in die siebziger Jahre wurde ohne Unterlass dieses Genre-Bild gefüttert, das zu dem Zeitpunkt mehr als hundert Jahre alt war und (von wenigen Ausnahmen abgesehen) zu keinem Zeitpunkt den authentischen Westen abzubilden versucht hatte, im gleichen Atemzug aber roboterhaft alle Klischees von Gut und Böse durchratterte.
Wie angenehm zu lesen, dass es im selben Land durchaus Stimmen gibt, die die Luftblase der Wohlanständigkeit und den aufgetragenen Lack des Klischees zum Platzen bringen. Konkret: Das Buch Cooperstown Confidential: Heroes, Rogues and the Inside Story of the Baseball Hall of Fame von Zev Chafets. Mit dem Anstrich "Confidential" produziert das Buch allerdings Erwartungen, die es nicht einlöst. Da wird nichts enthüllt, was nicht bereits bekannt wäre. Sondern einfach nur kompakt zusammengetragen, was oft gerne unter den Teppich gekehrt wird: Dass zu den in Cooperstown geehrten Baseballspielern Leute gehören, die als Drogenhändler verurteilt wurden oder sogar zugegeben haben, dass sie die Regeln ausgetrickst haben, um es in dieses Walhall der Sportart zu schaffen. Das passt übrigens ganz gut zu den aktuellen Diskussionen über die eventuelle Rehabilitation von Pete Rose (der als Trainer auf den Ausgang von Majore-League-Spielen gewettet hat) und die Stimmung gegen die gedopten Stars, denen man gerne die Aufwertung zur Sportlegende verweigern möchte. Man muss wohl nicht das Buch kaufen, aber man sollte vielleicht mal diese Besprechung in der New York Times lesen.
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