18. Oktober 2006

Güteklasse Glavine: Total mental

Während wir darauf warten, ob die New York Mets die St. Louis Cardinals schlagen um ein siebtes Spiel in der National League Championship zu erzwingen, ist es ganz angebracht, sich ein bisschen mit Tom Glavine zu beschäftigen. Nach einem hervorragenden Auftritt im zweiten Match der Serie sah er am Dienstag nicht ganz so gut aus. "Nicht gut" ist bei einem der besten Pitcher der letzten 20 Jahre ist wirklich relativ zu verstehen. Mit inzwischen 40 Jahren bringt er noch immer mehr als die meisten seiner Kollegen mit. Sein Spiel basierte sowieso noch nie aus einem Flammenwerfer-Stil, bei dem Power und Tempo wichtiger sind als Präzision und Grips. Ich habe Glavine vor vielen Jahren interviewt, als er noch bei den Atlanta Braves im Einsatz war, und diese Erfahrung in das Buch American Sports eingearbeitet. Dass der Mann noch immer zu den Besten gehört, konnte ich nicht ahnen. Hier ein paar Zitate:
Das Spiel ist an und für sich eher einfach. Man wirft. Man fängt. Man schlägt. Aber wie so oft im richtigen Leben, klappen viele Dinge nicht immer so, wie man sie plant. Oder wie man hofft. So etwas läßt sich beeinflussen, um nicht zu sagen, manipulieren. "Zuallererst versuchst du, sie auszutricksen", sagt Tom Glavine von den Atlanta Braves. "Dann versuchst du sie zum Grübeln zu bringen." Denn wenn das erreicht ist, weiß ein Pitcher, hat er so gut wie gewonnen. "Wer nachdenkt, macht unweigerlich Fehler."
Glavine hat die Pitcher-Maxime von der Kraft des mentalen Spiels besser gelernt, als die meisten seiner Kollegen. Der Linkshänder mit dem verschlossenen Gesicht ist der einzige, der in den letzten drei Jahren über 20 Wins verbuchen konnte. "Wenn Glavine spielt", sagt sein Mannschaftskollege Otis Nixon, "gehst du mit dem Gefühl auf den Platz, daß du gewinnen wirst." Sein Trainer Leo Mazzone ergänzt: "Er ist ein Wettkampftyp." Kein Roboter....
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Das ewige Duell, bei dem der Pitcher mit einem einzigen dummen Wurf einen Grand Slam Home Run kassieren kann, läßt nicht viel Spielraum für Artigkeiten. 40 Zentimeter, um genau zu sein. Von denen die wahren Spezialisten sowieso nur zwölf interessieren: die sechs auf der dem Batter näheren, sogenannten Innenseite und die sechs aus der sogenannten Außenseite. Für beide Bereiche gilt, besonders wenn der Ball in der Phase seines Fluges noch den gewünschten Effet entfaltet, daß sich ein Batter mehr als anstrengen muß, um zu treffen. Er muß im Lotto gewinnen....
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Zu Tom Glavines Arbeitsstil gehört, sich nicht auf irgendetwas zu versteifen. Er verfügt über vier unterschiedliche Würfe, die in einer schwer vorherzusagenden Folge auf die Home Plate zuschwirren. Sein Split-Finger-Fastball ist der wirkungsvollste, weil er wie ein Fastball geworfen wird, aber rund 20 Stundenkilometer langsamer fliegt. Die Folge: Batter verschätzen sich, ziehen zu früh den Schläger durch und verfehlen....
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Glavines Stil, kontrolliert, mit eiskaltem Gesicht, sieht weniger spektakulär aus als der anderer Pitcher, die schon mal nach einem Strikeout in Cowboy-Manier den Zeigerfinger hochheben und darüber hinwegpusten, als würden sie den Rauch einer Pistole wegblasen. Er vollführt ein ganz anderes Kunststück. Er arbeitet sich, so wie jeder zuverlässige Starting Pitcher dies können sollte, aus einem Inning mit selbst verursachten Schwierigkeiten immer wieder heraus.
Glavine wurde 1966 in Concord/Massachusetts geboren und hatte nach dem College die Wahl, entweder eine Karriere als professioneller Baseball-Pitcher zu verfolgen oder Geld beim NHL-Eishockey-Club Los Angeles Kings zu verdienen, von denen er in der vierten Runde der Draft gezogen wurde. Glavine entschied sich für den etwas mühsameren, aber letzten Endes erfolgreicheren Weg des Pitchers.

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